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Berlin: Leuchtendes Beispiel

Zahl der Stiftungen wächst schneller denn je, dank engagierter Spendensammler und großzügiger Firmen

Am Anfang stand die Idee, Geld war noch keins da. Kurt Anschütz wollte etwas gegen das düstere Bild von Neukölln in der Öffentlichkeit unternehmen. „Neukölln wird meist als sozialer Brennpunkt dargestellt“, sagt der Theologe. „Wir wollen zeigen, dass die Menschen hier auch friedlich zusammenleben und sich für ihren Kiez engagieren.“ 2003 gründete Anschütz die Bürgerstiftung Neukölln, die erste Stadtteil-Stiftung Berlins, die sich für den Austausch der vielen Kulturen des Bezirks engagiert. Zur Gründung benötigte die Stiftung 50 000 Euro. Innerhalb von drei Jahren haben über 100 Unterstützer durch kleine Spenden 70 000 Euro zusammengetragen. Im vergangenen November wurde die Stiftung offiziell anerkannt, am morgigen Freitag feiern die Stifter mit einer großen Party die gelungene Aufbauarbeit.

Mit ihrer Gründung liegen die Neuköllner im Trend: Allein im vergangenen Jahr wurden in Berlin 37 neue Stiftungen ins Leben gerufen, mehr als je zuvor. Dieser Trend wird anhalten, glauben Experten. „Das zu vererbende Kapital nimmt zu und ein wachsender Anteil dieses Geldes kommt gemeinnützigen Zwecken zugute – immer häufiger in Form von Stiftungen“, sagt Dietmar Wischnewski, der bei der Deutschen Bank in Berlin für den Bereich Stiftungen verantwortlich ist. Das Geldinstitut lädt in der kommenden Woche gemeinsam mit der Senatskanzlei und dem Berliner Stiftungsnetzwerk zum zweiten Berliner Stiftungstag. Hier präsentieren sich gemeinnützige Organisationen, Experten informieren über die Gründungsmodalitäten (siehe Kasten).

2005 wurden in der Hauptstadt 537 Stiftungen gezählt, in Hamburg fast doppelt so viele, und selbst das viel kleinere Bremen verzeichnet 257 Stiftungen. „Durch die Teilung der Stadt und den Wegzug vieler Unternehmen bot Berlin ein schwieriges Umfeld für Gründungen“, sagt Kai Drabe vom Stiftungsnetzwerk Berlin. „Aber in den vergangenen Jahren hat Berlin begonnen aufzuholen.“

„Den typischen Stifter gibt es heute nicht mehr“, sagt Wischnewski. „Die Gründer haben ganz unterschiedliche Biografien.“ Früher gründeten meist Industriellendynastien gemeinnützige Stiftungen. Noch immer spielen Unternehmerstiftungen, wie die Dussmann-, Piepenbrock- oder Cornelsen-Stiftung eine wichtige Rolle. Heute gehören aber auch engagierte Spendensammler wie Kurt Anschütz zur neuen Gründergeneration – und Konzerne, die sich am Standort Berlin um ein positives Image bemühen.

Das konnten die Berliner im vergangenen Oktober mit eigenen Augen sehen. Beim „Festival of Lights“ strahlten Berlins Wahrzeichen sieben Nächte lang in leuchtenden Farben: der Fernsehturm, das Rote Rathaus, das Brandenburger Tor und andere Gebäude wurden vom Licht-Designer Andreas Boehlke in Szene gesetzt. Initiatoren waren die City-Stiftung Berlin und die Deutsche Immobilien Fonds AG, die die Stiftung mit aufgebaut hat. Der Konzern mit Hauptsitz in Hamburg betreibt in Berlin wichtige Projekte wie das Neue Kranzler Eck und das Dom-Aquarée. Die in Berlin ansässige City-Stiftung soll die „Entwicklung und Verschönerung der innerstädtischen Regionen insbesondere durch Kulturinszenierungen“ fördern, heißt es zum Stiftungszweck. Das „Festival of Lights“ soll auch in diesem Jahr wieder stattfinden.

Zum Stiftungstag gehört eine Busrundfahrt durch die Berliner Stiftungslandschaft, an der sich 20 Stiftungen beteiligen. Sie führt auch zum Energiespar-Parcours der Veolia-Stiftung am Hackeschen Markt. Der französische Konzern Veolia, einer der Eigner der Berliner Wasserbetriebe, präsentiert hier umweltfreundliche Haustechnik und engagiert sich mit dem Verein Life e.V. für die Ausbildung junger Mädchen. „Bei uns lernen junge Frauen Berufe, die immer noch als typische Männerberufe gelten, wie zum Beispiel Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik“, sagt Barbara Schöler-Macher von Life e.V. „Veolia unterstützt uns nicht nur finanziell, durch Patenschaften mit Veolia-Mitarbeitern bekommen unsere Azubis auch wichtige Anregungen für das Berufsleben.“

Neben den von Unternehmen initiierten Stiftungen spielen nach wie vor Privatpersonen eine wichtige Rolle, die ihr Erbe oder einen Teil davon in Stiftungen einbringen. „Heute geht es den meisten Stiftern weniger darum, sich ein Denkmal zu setzen, als um das Engagement für ein Sache“, sagt Deutsche-Bank-Manager Wischnewski. Das sehe man etwa daran, dass Stiftungen heute seltener als früher den Namen des Stifters im Namen trügen. „Die Stiftungen werden häufig nach dem Stiftungszweck benannt, zum Beispiel die Kulturstiftung für die Zentral- und Landesbibliothek.“ Kai Drabe vom Stiftungsnetzwerk Berlin erwartet in den nächsten Jahren weiteren Zuwachs für seinen Verband. „Vor allem kleinere Stiftungen mit einem Kapital von 200 000 bis 300 000 Euro sind im Kommen“, sagt Drabe. „Viele Bürger erkennen, dass sie selbst etwas für das Gemeinwesen tun müssen, wenn der Staat sich aus immer mehr Bereichen verabschiedet.“

Das geht auch ohne eigenes Vermögen, wie das Beispiel der Neuköllner Bürgerstiftung zeigt. Mit Projekten wie dem Neuköllner Globus, einem Theaterpreis für Grundschulen, die in Neukölln oft einen hohen Ausländeranteil haben, warb Kurt Anschütz für die Stiftung. Einzelpersonen, Vereine, Initiativen, Unternehmen, Schulen, Parteien, und Kirchen unterstützten seine Idee mit durchschnittlich 700 Euro Stiftungskapital. Am Freitag feiern die Stifter eine gemeinsame Gala im Saalbau Neukölln – und suchen neue Spender für die künftige Arbeit.

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