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Berlin: Liberal? Nein, danke.

Eine Charlottenburger Anwältin will die FDP verklagen. Die Partei wirbt mit Kerstin Rippels Gesicht auf Plakaten um neue Mitglieder.

Eine Charlottenburger Anwältin will die FDP verklagen. Die Partei wirbt mit Kerstin Rippels Gesicht auf Plakaten um neue Mitglieder. Das passt der Portraitierten nicht. Schließlich hat sie niemand gefragt, ob sie für die Liberalen auf Stimmenfang gehen will. Rippel hatte sozusagen völlig arglos posiert. Und jetzt das!

"Willst Du in einer Stunde 300 Mark verdienen?", lautete das Angebot der Modelagentur, für die Kerstin Rippel ab und zu arbeitet. Das war vor eineinhalb Jahren. Die einzige Aufgabe für das Gelegenheits-Mannequin bestand darin, sich für einen "Pool" fotografieren zu lassen. Was so viel heißt wie: Die Fotos sind fürs Archiv einer Agentur bestimmt. 300 Mark - für die damals angehende Juristin war das ein hoher Stundenlohn. Sie sagte zu.

"Beim Fototermin hielt mir der Fotograf eine Freigabe-Erklärung unter die Nase, mit deren Unterzeichnung ich sämtliche Rechte an meinem Bild abgeben sollte", sagt sie. Darin stand, dass die Aufnahmen "in unveränderter oder veränderter Form (...) ohne jede Beschränkung des sachlichen, räumlichen oder zeitlichen Verwendungsbereiches und für alle in Betracht kommenden Nutzungsszwecke vervielfältigt, verbreitet, zugestellt und öffentlich, (...) digital, elektronisch, retuschiert und als Montage und mit dem Namen, wiedergegeben werden darf". "Buy-out-Vereinbarung" heißt die in der Foto- und Filmbranche übliche Abtretung aller Bildrechte. "Ich unterschrieb in dem Glauben, dass kein Missbrauch mit meinem Foto betrieben wird", sagt Kerstin Rippel heute.

Die Rechtsanwältin hatte den Model-Termin schon fast vergessen, als sie Mandanten und Freunde im vergangenen Sommer fragten, ob sie denn FDP-Mitglied sei. Eine Werbeagentur hatte für die FDP die Lizenz an ihrem Bild erworben. Rippels Konterfei wurde nicht nur auf Postkarten gedruckt. Ihr Gesicht ist jetzt auch im Internet zu sehen, und es hängt als Poster in der FDP-Partei-Zentrale im Thomas-Dehler-Haus im Bezirk Mitte. Kerstin Rippel ist darüber bis heute verärgert: "Wer rechnet schon damit, wenn er sich für Fotoaufnahmen zur Verfügung stellt, dass mit den Bildern politische Werbung gemacht wird?", fragt sie. Sie empfinde das als Eingriff in ihre Persönlichkeitssphäre. Die Parteiwerbung sei für sie zudem geschäftsschädigend. "Weil die Leute ja vermuten müssen, man sei politisch nicht unabhängig", sagt sie. Ob sie für eine Partei wirbt, will die Anwältin eigentlich selbst entscheiden können.

Schon im Sommer hatte sie die FDP schriftlich aufgefordert, das Werbeplakat nicht weiter zu verwenden. Der dringenden Bitte kam die Partei bis heute nicht nach. Der Kampagnen-Leiter der FDP, Stefan Kapferer, hat keinen Zweifel: "Hier ist die Rechtslage eindeutig." Kerstin Rippel hätte sagen müssen, welche Verwendung sie nicht wünsche. Mit ihrer Unterschrift habe sie alle Rechte an ihren Bildern abgeben. Denoch würden die Motive nicht mehr nachgedruckt, sobald die erste Auflage vergriffen sei. "Ich habe das Gefühl, es geht hier nur um Geld", sagt Kapferer. Und Schadensersatz will Kerstin Rippel tatsächlich fordern. Schließlich sei ihr zwangsweise ein FDP-Image verpasst worden. Und zu einer außergerichtlichen Einigung sei es schließlich nicht gekommen. Da bleibe nur die Klage. Dabei hat die Anwältin noch Glück. Manches Model soll sich schon in der Werbung für eine Sex-Hotline wiedergefunden haben.

Ganz aussichtslos scheint ihr Fall jedoch trotz des Vertrages nicht zu sein. Das Bundeskabinett hat einen Regierungsentwurf zu einem neuen Urheberrechtgesetz beschlossen, der die komplette Abtretung aller Rechte relativ weit einschränkt. Beschließt der Bundestag das Gesetz, werden solche Vereinbarungen in Zukunft leichter anfechtbar sein.

Suzan Gülfirat

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