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Berlin: Libeskind will den teuersten Parkplatz der Stadt bebauen

Nach seinem Abschied aus Berlin legt der Architekt des neuen World Trade Centers eine Studie für das Jüdische Gemeindehaus vor

Der amerikanische Architekt Daniel Libeskind entwarf jahrelang gewagte Bauten für Berlin: mit schrägen Ebenen und schief wirkenden Wänden. Er beteiligte sich an diversen Wettbewerben, auch für den Potsdamer- und den Alexanderplatz. Der große Erfolg ließ auf sich warten: Nur das Jüdische Museum wurde verwirklicht und auf Anhieb weltberühmt. In wenigen Jahren könnte ein weiterer gewagter Bau entstehen: die Erweiterung des Jüdischen Gemeindehauses an der Charlottenburger Fasanenstraße.

Der Architekt entwarf einen verschachtelten, wabenartigen Bau aus Stahl und Glas mit teilweise schrägen Wänden, der sich über das Gemeindehaus stülpt. Die Gemeinde ist überrascht, zahlreiche Mitglieder aber verweisen auf die Geldsorgen und das Defizit. „Mittelfristig ist der Bau wahrscheinlich nicht zu realisieren“, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Michael May. Der Entwurf müsse in den Gremien diskutiert werden.

„Ich bin Berliner“, hatte Daniel Libeskind versichert, als er sich vor gut vier Wochen von der Stadt verabschiedete, in der er 13 Jahre sein Büro in einem Hinterhof an der Windscheidstraße hatte. Für die Planungen des neuen World Trade Centers wollte er seine Arbeit auf New York konzentrieren. Er ging schweren Herzens, aber auch, weil er hier keine Zukunft mehr für seine Arbeit sah. Berlin und Libeskind – das war eine Liebesbeziehung der besonderen Art, reich an Enttäuschungen des Architekten. Gern hätte er hier mehr gebaut, nach seinen Plänen, etwa ein Viertel an der Landsberger Allee oder ein Wohn- und Bürohaus an der Tiergartener Flottwellstraße, das wie eine schiefe Ebene aus dem Boden ragt. Die Entwürfe scheiterten an der Baubürokratie und mutlosen Bauherren, die mit ungewöhnlichen Architekturformen nicht klar kamen. „Die Tatsache, dass ich außer dem Jüdischen Museum nichts in Berlin gebaut habe, spricht für sich“, sagt er.

Aber Berliner wollte Libeskind irgendwie doch bleiben, den Koffer in der Stadt behalten. Den hat er in Form des skurril-genialen Entwurfs für die Erweiterung des Jüdischen Gemeindehauses hinterlassen. Einen Plan, den er lange gehütet und auch bei seinem Abschied aus Berlin noch nicht verraten hat. Ob die Planung einmal Wirklichkeit wird, hängt von der Kassenlage der Gemeinde und dem Baugenehmigungsverfahren ab. Der Architekt könnte bald wieder öfter in Berlin sein, um den Bau zu kontrollieren.

Was er vorhat, ist wieder ein typischer Libeskind-Bau. Im Gegensatz zum Jüdischen Museum ist der Entwurf gläsern. So transparent, dass der vorgesetzte Bau den Blick auf das vorhandene Gemeindehaus nicht versperrt, es sichtbar bleiben lässt und einbezieht. Wie eine Brücke überdacht der Neubau das alte Gemeindehaus von 1959, dessen Fassade denkmalgeschützt ist.

Libeskind hat nach eigenen Angaben eine „Studie“ angefertigt, eine Phantasie zu Papier gebracht, einen Denkanstoß. Sein Freund Roman Skoblo, als Mediziner im Bundesverband jüdischer Ärzte aktiv, auch Geschäftsführer des Savoy-Hotels, hatte ihn mit einem weiteren Gemeindemitglied darum gebeten, weil irgendwann vor dem Gemeindehaus gebaut werden soll. Die Kosten für die Studie kamen aus privaten Mitteln und die Initiatoren hoffen auch auf Sponsoren beim Neubau. Dabei könne der mutige Entwurf eines weltberühmten Architekten nicht schaden. Zumal in der Nähe schon vor Jahren ein ungewöhnlicher Bau entstanden ist: Das wegen seiner (von oben betrachteten) Form als „Gürteltier“ bezeichnete Gebäude der Industrie- und Handelskammer, entworfen von Nicholas Grimshaw, auch einer Berühmtheit. Das freie Gelände vor dem Jüdischen Gemeindehaus gilt wegen des City-Baugrunds als „der teuerste Parkplatz der Stadt“, sagt Andreas Nachama. Der Direktor der Stiftung Topographie des Terrors und früherer Gemeindevorsitzender, erinnert daran, dass bis in die achtziger Jahre ein vierspuriger Ausbau der Fasanenstraße geplant war. Deshalb wurde das Haus auf dem hinteren Teil des Geländes errichtet. Dringend sei nun aber erst einmal die Sanierung des jüdischen Altenheims an der Dernburger Straße und die Konsolidierung des Etats. Die Gemeinde habe auch an der Oranienburger Straße viel Leerstand. Über den Neubau könne man frühestens in fünf Jahren reden.

Für Libeskinds Projekt (im Foyer des Jüdischen Gemeindehauses Fasanenstraße 79 ausgestellt) aber könnte die internationale Reputation sprechen, die er sich spätestens mit dem Jüdischen Museum, mit zahlreichen Bauten in aller Welt und mit den Planungen für Ground Zero erworben hat. „Lauter schräge Gebäude“, hatte Senatsbaudirektor Hans Stimmann einst Libeskinds Planungen für die Landsberger Allee abgekanzelt. Inzwischen spricht Stimmann über Libeskind von einem „wunderbaren Architekten“.

Christian van Lessen

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