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Berlin: Lieben lernen

Manchen Frauen fällt es schwer, für ihre Kleinen zu sorgen. Im „Mutter-Kind-Wohnen“ in Schmöckwitz bekommen sie Hilfe.

Leonie liebt Bilderbücher. Immer wieder muss Mama vorlesen. Das blonde Mädchen, das oft ziemlich ernst in die Welt guckt, ist fast zwei Jahre alt. Leonies Mutter, Franziska, hat inzwischen Geduld gelernt. Aber jetzt ist Leonie gerade in der Kita und Franziska sitzt allein in ihrem aufgeräumtem Wohn- und Schlafzimmer. „Inzwischen habe ich das Gefühl, dass Leonie eine schöne Kindheit erleben kann“, sagt die 25-Jährige, die wesentlich jünger wirkt. Bei Leonies Geburt konnte sie sich das noch nicht vorstellen. „Ich habe daran gezweifelt, dass ich es schaffe, für ein Kind zu sorgen.“ Schließlich lebte Franziska, die eine Lernbehinderung hat, bis dahin im betreuten Einzelwohnen: „Weil ich mit mir selbst nicht klargekommen bin.“

Seit sie mit dem Baby das Krankenhaus verlassen hat, wohnt sie in der Einrichtung „Mutter-Kind-Wohnen Domus“ der St.-Elisabeth-Stiftung und gemeinnützigen GmbH Firmaris. Mitten im Wald, im äußersten Südosten der Stadt. „Domus“ heißt auf Lateinisch Haus – und Franziskas jetziges Zuhause hat ihr das Jugendamt vermittelt. Wer hier mit seinem Kind einzieht, ist nicht darauf vorbereitet, plötzlich noch für ein zweites Leben Verantwortung zu übernehmen. „Ich wusste zuerst gar nicht, wie ich mein Kind anfassen sollte“, sagt Franziska. Und dann kam auch noch eine Wochenbettdepression hinzu. Im Mutter-Kind-Wohnen wurden die beiden anfangs rund um die Uhr von den Mitarbeiterinnen betreut. „Es war eine große Erleichterung, dass immer jemand da war, der helfen konnte“, sagt Franziska. Sie lernte, das Kind zu versorgen: „Ich musste eine Liste führen, wann ich Windeln gewechselt habe und wie oft Leonie etwas zu trinken bekommen hat.“

Später ging es darum, wie sie auf das Kind eingehen und sich sinnvoll mit ihm beschäftigen kann. Heute kommen die Betreuerinnen nur noch ab und zu bei den beiden vorbei. In einigen Monaten will sie in eine eigene Wohnung ziehen, betreut von einer Familienhelferin. „Franziska hat viel geschafft“, sagt Heike Seidel, die die Einrichtung leitet. Zehn Frauen leben zurzeit dort, die meisten sind sehr jung – die jüngste erst 15. „Bei manchen ist die Herkunftsfamilie schon dem Jugendamt bekannt“, sagt Heike Seidel. Manchmal ist der Einzug eine Auflage – wenn Sozialarbeiter fürchten, dass das „Kindeswohl nicht gewährleistet“ ist. Oft fällt es den Müttern schwer, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Wie man einem Kind Liebe und Aufmerksamkeit gibt, haben sie häufig in ihrer eigenen Kindheit nicht erlebt. Beim Mutter-Kind-Wohnen lernen sie es – so dass sie ihre Probleme nicht an die Kinder weitergeben. „Oft müssen sie eine Tagesstruktur erlernen,“ sagt Heike Seidel. Ihre Persönlichkeit solle reifen, ihr Selbstwertgefühl aufgebaut werden.

Seit Leonie sechs Monate alt ist geht sie in die hauseigene Kita. Dass ihre Mutter Zeit dadurch für sich selbst hat, ist wichtig – für beide und für ihre Beziehung zueinander. In dieser Zeit können die Frauen zur Schule gehen, ihre Ausbildung wieder aufnehmen oder Therapiesitzungen wahrnehmen – also darauf hinarbeiten, auf eigenen Füßen zu stehen und allein für ihr Kind zu sorgen. Soziale Integration ist das Stichwort. Franziska wird bald anfangen, in einer Behindertenwerkstatt zu arbeiten.

Die Kita ist ein heller Raum mit Platz zum Spielen und vielen Bilderbüchern. Aber die Kleinen brauchen auch ihren Mittagsschlaf. Doch dafür ist nicht genug Platz in dem kleinen Schlafraum nebenan: Viel zu viele Bettchen drängen sich vor der Wand mit den gemalten Schäfchenwolken. Das Fenster ist klein, das Zimmer dunkel und muffig. „Wir wollen umbauen, so dass mehr Platz zum Schlafen da ist und mehr Licht durch ein größeres Fenster fällt“, sagt Heike Seidel. Doch die Einrichtung wird vom Senat pro Platz finanziert. Für die laufende Instandhaltung gibt es zwar ein kleines Budget, aber das reicht nicht für größere Umbauten. Deshalb will der Tagesspiegel mit seiner Spendenaktion helfen. Für Leonies guten Schlaf – und damit ihrer Mutter weiter geholfen werden kann.Daniela Martens

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