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Reif fürs Museum. Journalist und Tagesspiegel-Kolumnist Marcel Reif leitete beim Publikumstag eine Führung über den Zusammenhang von Religion und Sport in der jüdischen Jugendarbeit der 20er Jahre. Auch andere Prominente sprachen über verschiedene Themen. Fotos: dapd

© dapd

Berlin: Liebling Kreuzberg

Das Jüdische Museum ist in zehn Jahren zum Glanzlicht der Stadt geworden Dafür bedankte es sich mit einem Publikumstag, der Tausende anlockte

Von Sandra Dassler

Berlin - „Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss hier hin“ – der etwa 12-jährige Junge mit der gepluderten Leinenhose schiebt sich sanft an Greta Karge vorbei, legt sich ins Fensterbrett und beginnt sich alsbald mit harmonischen Bewegungen aufzurichten. Auch in den anderen großen Fenstern zum Glashof im Jüdischen Museum tauchen plötzlich junge Menschen auf, die zur Kindertanzcompany von Sasha Waltz & Guests gehören.

Auch das steht auf dem Programm des Publikumstags, mit dem das Jüdische Museum am Sonntag die Festwoche anlässlich seines zehnjährigen Bestehens beendet. Und sich mit kostenlosem Eintritt dafür bedankt, dass es mit inzwischen rund sieben Millionen Gästen zu einem der meistbesuchten Museen Berlins wurde.

Das Publikum nimmt das Angebot nur zu gern an: Mehrere tausend Besucher lassen sich weder von den langen Warteschlangen vor der Tür des Museums, noch von den sorgfältigen Sicherheitschecks dahinter abschrecken. Sie betrachten die Ausstellungen, nehmen an Führungen unter anderem mit Wolfgang Thierse, Kai Pflaume und Marcel Reif teil, lauschen den Rabbinern. Russische, englische, hebräische Worte fallen, ein türkischer Junge singt. Draußen im Garten haben sich Deniz Eralp und Ayca Bahadir aus Rotterdam in die Sonne gesetzt. Drinnen schauen sie sich dann Ausstellungen und Shows wie die Kindertanzcompany an.

Greta Karge ist begeistert. Sie kommt oft ins Museum, wohnt in Charlottenburg, hat es also nicht weit. Ganz anders als Ilona Simon-Strimber, die extra aus dem brasilianischen São Paulo angereist ist. Die 1947 in Berlin geborene Jüdin sitzt mit ihrem englischen Ehemann und der Museumskuratorin Leonore Maier im Laubengang des Parks. Ihre Eltern – Arno und Hildegard Simon – haben den Holocaust überlebt, weil eine Berliner Familie ihnen half. „1947 hat mein Vater in der Max- und in der Mommsenstraße die ersten koscheren Fleischereien eröffnet“, erzählt Ilona Simon-Strimber.

1957 seien ihre Eltern nach Brasilien ausgewandert, hätten aber Berlin immer im Herzen behalten und mindestens einmal im Jahr besucht. Deshalb habe sie dem Museum auch sehr viele Dokumente zur Verfügung gestellt und während der diesjährigen Festwoche auf der sogenannten Jubiläumscouch die Geschichte ihrer Familie erzählt. „Ich finde das wichtig“, sagt Ilona Simon-Strimber, „wir leben nicht in der Vergangenheit, aber die Vergangenheit lebt in uns – das finde ich ein gutes Motto.“

Auch Sandra Stern aus Rudow ist die Vergangenheit wichtig, deshalb hat sie ihre Tochter Norina mitgebracht. „Ich lese gerade ein Buch über ein jüdisches Mädchen“, sagt die Zehnjährige, „auch in der Schule behandeln wir das Thema. Aber manches ist sehr traurig.“ Ihre Mutter findet: „Man kann einer Zehnjährigen vieles erklären, aber man darf sie nicht damit allein lassen.“ Sandra Dassler

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