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Lindenberg-Bassist im Interview: „Ich habe dort gekifft“

Lindenberg-Bassist Steffi Stephan über seinen stillen Protest im Palast der Republik.

Herr Stephan, Sie sind als Bassist des Panikorchesters 1983 im Palast der Republik mit Udo Lindenberg in der DDR aufgetreten. Für ihn war das ein Herzenswunsch, wie war das für Sie?

Wir wollten unbedingt, dass uns die Menschen in West- und Ostdeutschland zuhören – und wir konnten uns einfach nicht mit dem System der DDR abfinden. Dieser Druck, diese Kontrolle, dieses Eingesperrtsein – es war grauenvoll.

Sie wollten ein politisches Zeichen setzen?

Nicht direkt. Wir wollten unsere Meinung dort zwar kundtun, aber nicht laut hinausposaunen. Auch Udo ging es immer mehr um die menschliche als um die politische Ebene. Das merkt man vor allem bei seinem Lied „Das Mädchen aus Ostberlin“. Da hat Udo die DDR als erster Künstler auf eine ganz andere Art und Weise zum Thema gemacht. Und zwar als kleine, traurige Alltagsgeschichte. Ohne Schmalz und ohne politische Agitation. Ein genialer Text.

Dieses Lied und „Sonderzug nach Pankow“ haben Sie 1983 aber nicht gespielt.

Nein, da haben wir drauf verzichtet. Wir wollten in der DDR ja auch keinen Skandal provozieren.

Wie haben Sie die Stimmung beim Konzert empfunden?

Wir haben vorher nicht gewusst, dass wir dort vor fast ausschließlich FDJlern, also einem ausgewählten Kaderpublikum, spielen würden – und wir wollten uns auf keinen Fall politisch missbrauchen lassen.

Darauf haben Sie dann reagiert?

Allerdings. Udo hat es auf seine Art gemacht, indem er auf der Bühne sagte: „In der BRD und in der DDR – nirgendwo wollen wir auch nur eine Rakete sehen. Keine Pershings und keine SS-20.“ Das machte die Genossen, die ja nur von amerikanischen Raketen sprachen, ziemlich wütend. Und ich machte es auf meine Art.

Das heißt?

Ich habe mir in der Garderobe einen Joint angezündet. Vielleicht als Allererster im Palast der Republik. Das war mein persönlicher Protest. Still und leise, wobei wir ja heute wissen, dass wir abgehört wurden. Damals wussten wir aber weder etwas von der Überwachung durch die Stasi noch etwas von den Tumulten auf der Straße. Die Tragweite unseres Auftritts haben wir erst später erfahren.

War das dann Ihr einziger Auftritt in der DDR?

Unsere versprochene Tour durch die DDR wurde kurz nach dem Gig abgesagt, und Udo durfte dort auch definitiv nicht mehr auftreten. Ich war Ende der 80er Jahre aber noch mit Peter Maffay auf Tour. Dabei blieb es allerdings ruhig.

Was war anders?

Die Texte von Peter Maffay behandelten keine problematischen Themen. Nur einmal, als mich jemand als Bassisten vom Panikorchester erkannte, drehte ein Fan etwas durch.

Das Gespräch führte Marie Rövekamp. Heute erinnern der Leiter der Stasiunterlagenbehörde, Roland Jahn, und der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, gemeinsam mit Zeitzeugen an das Ereignis. Beginn ist um 12 Uhr im Stage-Theater am Potsdamer Platz, Marlene-Dietrich- Platz 1, Tiergarten. Um Anmeldung wird gebeten unter 25929150 oder:

melanie.fiebranz@stage-theater.de

Steffi Stephan, 66, studierte gemeinsam mit Udo Lindenberg in Münster Musik und gründete mit ihm ’73 das Panikorchester. Heute betreibt er ein Tonstudio und den Club Jovel in Münster.

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