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Linke-Politiker Carl Wechselberg: "Das ist populistisch und sektiererisch"

Carl Wechselberg sieht in der Linken keine Chance mehr für Realpolitiker – bleibt aber in der Fraktion.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Wechselberg, was ist das für ein Gefühl: Sie müssen nur mit dem Finger schnipsen, und mit Rot-Rot ist es vorbei.


Genau das will ich nicht. Ich führe eine sehr harte Auseinandersetzung mit meiner eigenen Partei, aber Rot-Rot gegenüber fühle ich mich verpflichtet.

Warum?

Weil ich die Politik der Regierung Klaus Wowereits als richtig empfinde: eine klare, seriöse, auch restriktive Strategie der Haushaltssanierung, verbunden mit einer Politik des sozialen Ausgleichs. Dafür habe ich 2006 in meinem Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf kandidiert, und dafür wurde ich dort gewählt.

Sie bleiben in der Linksfraktion, auch wenn Sie die Partei verlassen?

Ja.

Was treibt denn jemanden, der sich von Jugend an als Linker engagierte, von der Linkspartei weg?

Nach 18 Jahren bin ich zutiefst frustriert über die Entwicklung meiner Partei. Ich halte die Ausrichtung, die vor allem Oskar Lafontaine und die West-Linken bestimmen, für außerordentlich populistisch und sektiererisch. Diese Linke macht den großen Fehler, eine krude Kapitalismuskritik zu betreiben und die SPD und die Grünen zu dämonisieren.

Etwas konkreter, bitte.

Über Monate hat die Linke berechtigterweise eine interventionistische Strategie des Staates zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise gefordert. Dann kommt ein solches Konjunkturpaket, und die Linke hat nichts Besseres zu tun, als es in Bausch und Bogen zu verdammen. Das ist eine Politik der ideologischen Bekenntnisse und Maximalforderungen, die nicht einlösbar sind. So stellt man sich bündnis- und politikunfähig in die Ecke.

Weitere Beispiele?

Die Ablehnung des EU-Vertrags und der Erbschaftsteuerreform. Beide Projekte haben Schwächen, aber sie bringen Fortschritte und Vorteile, auch fürs Land Berlin.

Oskar Lafontaine …

… betreibt agitatorisch die Ausrichtung der Linken. Der Aufruf zum Aufruhr ist brandgefährlich, verantwortungslos und hilft den Menschen, die unter der Wirtschaftskrise leiden, nicht. Und was nützen die Sprüche von Sahra Wagenknecht, wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht?

Wie weit folgt Berlins Linke dieser Politik?

Der Berliner Landesverband hat sich zunächst als Gegenpol zu dieser Entwicklung verstanden, steht aber inzwischen unter massivem Druck der Bundespartei, sich zu fügen. Erschwerend kommt hinzu, dass Rot-Rot in Berlin für die Linke im Bund zum Synonym für eine nicht mehr gewünschte Option geworden ist. Sonntagsreden von Gysi oder Bisky auf Landesparteitagen täuschen darüber nicht hinweg. Wenn die Linke es nicht schafft, eine Programmatik zu entwickeln, die über Berlin hinaus gesellschaftlich mehrheitsfähig und realisierbar ist, kann ich nur noch feststellen: Die Linke ist nicht mehr meine politische Heimat.

Für die Pragmatiker in Ihrer Partei sehen Sie keine Chance mehr?

Nein, ich sehe zurzeit kaum eine Perspektive für das realpolitische Lager.

Was sagt Landeschef Klaus Lederer dazu?

Er sieht es offenbar so, dass der Berliner Landesverband in vielen kritischen Fragen hinter den Anforderungen der Bundespartei zurückstehen muss.

Einige Sozialdemokraten hoffen schon, Carl Wechselberg bald als SPD-Mitglied begrüßen zu dürfen.

Ich halte gar nichts davon, die Reise nach Jerusalem zu spielen. Also eine politische Heimat zu verlassen, um sich umstandslos die nächste zu suchen. Es verbindet mich einiges mit der SPD, ich schätze auch Wowereit, Müller und andere SPD-Politiker sehr. Aber das macht mich noch nicht zum Sozialdemokraten.

Die Opposition, Grüne, CDU oder FDP, dürfen sich keine Hoffnung auf Carl Wechselberg machen?

Nicht die geringste. Meine Perspektive ist wohl, dass ich parteiloses Mitglied der Linksfraktion bleibe. Zumal die SPD-Abgeordnete Canan Bayram mit ihrem Wechsel zu den Grünen die Koalition ernstlich zu destabilisieren droht. Aber an mir wird Rot-Rot nicht scheitern.

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach.

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