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Ein Fensterputzer kann mit dreckigem Wasser dreckige Fenster sauber machen. In der Politik ist das schwieriger.

© picture alliance / dpa

Linke, SPD und der Fall Andrej Holm: Nie wieder Rot-Rot!

Wenn SPD und Linke koalieren, heißt das "Rot-Rot". Rot-Rot aber klingt wie Geist von einem Geist, Fleisch von einem Fleisch. Im Fall Holm hat sich das gerächt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

„Sprüche von Klowänden abwischen ist wie Bücherverbrennung“: Das stand als Spruch auf einer Klowand. Die Komik in diesem Satz resultiert aus einem Vergleich von Unvergleichlichem, das dennoch eine Ähnlichkeit enthält - in diesem Fall die Vernichtung eines kulturellen Erzeugnisses. Plötzlich wird sich der Leser des Klowandspruches des Unterschiedes bewusst zwischen Klowand-Reinigung und Bücherverbrennung. Ihm wird klar, dass beide Tätigkeiten auf kategorial anderen Ebenen stattfinden.

Wer Verschiedenes gleich benennt, ebnet Unterschiede ein. Für Koalitionen aus Sozialdemokraten und Linken hat es sich eingebürgert, von „Rot-Rot" zu reden. Das suggeriert weitgehende Übereinstimmung in zentralen Fragen. Über die Höhe des Mindestlohnes oder das Ausmaß der Videoüberwachung mag es noch Streit geben, doch der lässt sich durch Kompromiss schnell beilegen. Rot-Rot, das klingt wie Geist von einem Geist, Fleisch von einem Fleisch.

Wahrscheinlich soll es auch so klingen. Den Sozialdemokraten nützt die Wortwahl nämlich, weil einigen Genossen solche Bündnisse mit der SED-Nachfolgepartei immer noch unangenehm sind. Den Linken wiederum nützt das Kürzel, weil es ihre Partei von jeglichem speziellen Nimbus befreit. Rot und rot: Das muss ja geradezu zusammengehören. Das ist normal. Gesellt sich gern.

„Rot-Dunkelrot“, das geht nicht leicht über die Lippen, ist holperig und ungewohnt

Nun wäre es umständlich, etwa von „Rot-Dunkelrot“ zu sprechen, das geht nicht leicht über die Lippen, ist holperig und ungewohnt. Aber der Preis, den insbesondere die SPD für die gleichsetzende Wortwahl „Rot-Rot" bezahlt, ist hoch. Vergessen gemacht wird darin die Feindschaft von KPD und SPD, die spätere Zwangsvereinigung im April 1946 zur SED, die Internierung von Sozialdemokraten durch Kommunisten auf dem Gelände des früheren KZ-Sachsenhausen, das Einfädeln der Guillaume-Affäre, die 1974 zum Sturz Willy Brandts führte. Die Linke distanziert sich von alledem, aber sie steht in der historischen Verantwortung dafür.

Und wenn es dann wie aus heiterem Himmel zu einem Fall Holm kommt, ist die Überraschung groß. „Was, unter Politikern, die von den Linken nominiert werden, gibt es immer noch ehemalige Stasi-Mitarbeiter? Wer hätte das gedacht?“ – Tja, für wen rot gleich rot ist, der blendet halt Realitäten aus, die dann mit doppelter Wucht die Illusion eines stets gedeihlichen Miteinanders zerstören können. Für die SPD sollte der Fall Holm ein Lehrstück sein, wie wichtig in der Politik eigene Identitäten sind. Und da zur Wahrheit eine wahrhaftige Sprache gehört, sollte rot und dunkelrot nie wieder Rot-Rot genannt werden.

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