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Berlin: Linken-Experte lehnt Stasi-Check ab

Wissenschaftler verlässt Enquete-Kommission zur Stolpe-Ära. Mitglieder einig über Arbeitsprogramm

Potsdam - Erster Eklat in der Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur in Brandenburg nach 1990: Der von den Linken nominierte Politikwissenschaftler Dieter Segert von der Universität Wien hat sich aus dem Gremium wieder zurückgezogen – weil er sich nicht wie die anderen Sachverständigen einer Stasi-Überprüfung unterziehen wollte. Die Linke müsse nun kurzfristig einen Nachfolger benennen, sagte Kommissions-Chefin Klara Geywitz (SPD) auf der Sitzung am Freitag.

Der Vorgang ist vor allem deswegen brisant, weil die Kommission zur Aufarbeitung der Stolpe-Ära, in der Brandenburg als „kleine DDR“ galt, vom Landtag auf Druck der Opposition nach den Stasi-Enthüllungen im rot-roten Regierungsbündnis gebildet worden war. Schon auf der konstituierenden Sitzung im Juni hatte Segert, der unbelastet ist und in seiner Karriere mehrfach negativ auf Zusammenarbeit mit dem DDR-Geheimdienst überprüft worden war, als Einziger einen Stasi-Check abgelehnt – aus Prinzip. „Durch die Konzentration aller Aufmerksamkeit auf die Mitarbeit beim MfS“ werde „eine Mystifizierung der Mitwirkung“ von DDR-Bürgern „an der Herrschaftsausübung“ in der DDR erzeugt, an der er „nicht bereit“ sei, mitzuwirken, schrieb Segert zuletzt dem Landtag.

Dem hatte Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin widersprochen. „Es wäre der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, wenn erst später und zufällig herauskäme, dass einer der Sachverständigen der Kommission für die Stasi gearbeitet habe“, erklärte der Politikprofessor. Von der Personalie abgesehen begann die Kommission, die paritätisch aus je sieben Landtagsabgeordneten und sieben Wissenschaftlern sowie der Diktaturbeauftragten Ulrike Poppe besteht, am Freitag ihre reguläre Arbeit in Einvernehmen und großer Ernsthaftigkeit. Man einigte sich auf sieben Teams, die spezielle Komplexe unter die Lupe nehmen, etwa den Umgang mit der SED-Diktatur im Bildungswesen, in den Medien, die „Personalpolitik zwischen Kontinuität und Elitenaustausch“ oder das in Brandenburg vermittelte Geschichtsbild zur SED-Diktatur. Dabei gibt es interessante Konstellationen: Der Historiker Helmut Müller-Enbergs, Spezialist für inoffizielle Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagenbehörde, wird etwa gemeinsam mit dem jungen Linken Peer Jürgens untersuchen, wie in Brandenburg mit früheren SED- und Stasi-Eliten umgegangen wurde. Der Politikwissenschaftler Jochen Franzke und FDP-Fraktionschef Hans Peter Goetz widmen sich dem Bildungssystem. Dazu gehören auch die Hochschulen – für die damals der FDP-Wissenschaftsminister und heutige Ehrenvorsitzende Hinrich Enderlein verantwortlich war, der die Enquetekommission für überflüssig hält. Die Gesamtentwicklung in Brandenburg soll ein Quartett prüfen, der Transformationsexperte Wolfgang Merkel, der Theologe Richard Schroeder, der CDU-Generalsekretär und frühere politische Häftling Dieter Dombrowski sowie Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die als Studentin Stasi-IM war. Spannungen sind da programmiert. Thorsten Metzner

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