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Berlin: Literatur-Events: Über Straps-Befühler und Berlin-Beschauer

Kommen wir gleich zur Sache: "Habt ihr schon das Allerneueste gehört? Habt ihr den Namen der neuen Hetäre vernommen?

Kommen wir gleich zur Sache: "Habt ihr schon das Allerneueste gehört? Habt ihr den Namen der neuen Hetäre vernommen? O, welch Bollwerk ist gegen uns errichtet worden: Lais, die vom Maler Apelles wie ein wildes Tier unter die Kandare genommen war. Ihr armen Biester, macht eure Lustweiden zu oder lasst euch lieber gleich begraben! Ein einziges Weib hält jetzt ganz Griechenland in Spannung, ein einziges! Lais in den Barbierstuben, Lais in den Theatern, in den Versammlungen, in den Gerichtssitzungen in dem Rate, überall! Die Stummen winken sich ihre Schönheit zu: so wird Lais auch für die zur Zunge, die nicht reden können. Angezogen beut sie das köstlichste Antlitz, ausgezogen aber scheint sie ganz Gesicht zu sein." Soweit ein Auszug aus einem der "Hetärenbriefe" des Alkiphron, der im 2. Jahrhundert n. Chr. gelebt hat. Heute nacht um 23 Uhr gibt es im Theater im Palais "Erotische Literatur". Der zugegeben etwas abgelegene Alkiphron ist meines Wissens nicht im Programm, aber dafür der große Verwandler Ovid, und auch sonst noch einiges - bis hin zu Robert Gernhardt.

Weiter im Liebestext: "Ich schließe die Tür auf, nehme seine Hand und ziehe ihn herein, schließe die Tür hinter ihm und versuche ihn zu küssen. Das will er nicht, er macht sich los, er fragt, was ich will. Ich antworte ihm nicht, greife erneut nach seiner Hand und presse sie auf meine Hüften und von dort abwärts, am Bein entlang, damit er die Schnallen spürt. Der Koch reißt seine Hand weg. Du trägst Strapse! Ich lächle, hmm." Das war ein Stück aus "Der neue Koch" von Julia Franck. Am Montag um 20 Uhr 30 tritt sie im Rahmen von "Z 2000 - Positionen junger Kunst und Kultur" in der Akademie der Künste auf. Sie liest aus ihrer noch unveröffentlichten "Bauchlandung". Mit von der Partie ist Stefan Beuse mit seinen "Kometen".

"Sie war schlecht, und er liebte sie sehr. Warum er sie liebte, wusste er nicht zu sagen; wie ja so etwas überhaupt nie ein Mensch zu sagen weiß und der liebe Gott vermutlich selbst nicht. Vielleicht liebte er sie gerade, weil sie seiner nicht wert war. Weil sie etwas Fremdes war, das so himmelweit abstand von der ruhigen Ehrlichkeit, Klarheit und Güte seines Lebens. Vielleicht deshalb." Dies war der Anfang von "Die goldene Kette", einer Geschichte von Victor Auburtin aus dem Simplicissimus. Auburtin (1870-1928) hat aber auch für das Berliner Tageblatt geschrieben, und so liegt es nahe, dass Peter Moses-Krause, der nicht nur bei Auburtin ausdauernde Arsenal-Verleger, morgen ab 20 Uhr 30 im Literatursalon des Restaurants Tucher am Pariser Platz etwas aus "Sand und Sachsen" und aus "Durchschnitt durch Potsdam oder Lob der Langsamkeit" zum Besten gibt. Auburtin ist ein angenehmer Plauderer, der mit seinen Miszellen unterm Zeitungsstrich versuchte, seine hektischen Mitmenschen wenigstens für ein Minütlein zum Innehalten zu bewegen. Das Wort "Beschaulichkeit" mit seinem faden Beigeschmack muss man da gar nicht bemühen, obwohl Auburtin davon keineswegs immer freizusprechen ist.

In der letzten Kolumne wurde Ralph W. Emersons Auffassung zitiert, dass es die guten Leser sind, die die guten Bücher machen. Heute geht es auch im Satz der Woche um die Liebe: "Das Weib ist weigernd, der Mann bewerbend; ihre Unterwerfung ist Gunst."

Bruno Preisendörfer

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