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Literatur: Liebe ohne Grenzen

Der Frohnauer Gymnasiallehrer Roland Künzel hat einen Ost-West-Familienroman geschrieben.

„Jonas ist hellwach. Aus großen dunkelblauen Augen schaut er seine Eltern an. Er hat zugehört, aufmerksam wie in der Nacht seiner Geburt, als die Menschen auf der Mauer tanzten und die Hirten auf dem Felde waren; als das Unwirkliche wirklich, das Unvorstellbare vorstellbar und das Unglaubliche glaubhaft geworden ist.“ So endet der Roman eines Berliner Gymnasiallehrers – fast 200 Seiten Zeitdokument und persönliches Schicksalsbuch gleichermaßen. Die Handlung spielt in Ost und West, Hintergrund sind die dramatischen Umwälzungen von 1989 und die Ereignisse in Berlin, Dresden und Prag. „Die Liebe in der Zeit des Mauerfalls“ ist der Titel des Romans, den Roland Künzel innerhalb von acht Monaten niederschrieb. Grund war „eine gewisse Enttäuschung, dass seit 1989 alle auf einen wirklichen Roman warteten, der die Wende würdig wiedergibt, aber da kam wenig“. Schließlich sagte sich der heute 58-Jährige: Du hast so viel erlebt und Geschichten von Freunden, Verwandten und Bekannten gehört, dass Du zur Selbsthilfe greifen konntest. Das Buch ist ein großes Puzzle von sehr vielen Einzelschicksalen, die sämtlich mit der Trennung zu tun haben und durch sie geprägt wurden. „Wenn inzwischen die Mauer zu 99 Prozent verschwunden ist, scheint es mir wichtig, dass von der Zeit, als sie noch stand, ein wenig durch literarische Beschreibungen übrig bleibt und wach gehalten wird“, sagt der Autor.

Roland Künzel entstammt einer Familie, die sich durch die Teilung in beiden Systemen wiederfand. Verwandte wohnten in der Oberlausitz, Künzel fuhr oft zu Besuch dorthin und verlebte glückliche Wochen. Sein Buch besteht aus Geschichten, wie sie sich ähnlich bei vielen Menschen in Ost und West ereignet haben könnten. Quasi ein geteilter Himmel im Jahr des Mauerfalls. Wie im Zeitraffer erfährt der Leser getrübte Liebesfreuden zwischen Ost und West, Treffen in Prag, Ausreise, Stasi-Erpressung, Suizidversuch, Kindgeburt am 9. November ’89 und ein Happy End auf dem Berg Oybin im Zittauer Gebirge.

Die Ost-West-Problematik hat Roland Künzel stets interessiert, noch dazu in Berlin, wo er lebt, seit er 1972 Biologie und Chemie studiert hatte. Heute ist er Lehrer am Evangelischen Gymnasium in Frohnau nahe der früheren Grenze im Norden, und er hat schon wieder etwas ganz anderes geschrieben – ein illustriertes Kinderbuch im Stil des „Struwwelpeter“ über einen techniksüchtigen Jungen, der Titel: „Florian verschwindet im Computer“.

Und was meint der Autor der Mauerfall-Liebe zu Tendenzen und Extremen, die DDR-Zeit schönzureden oder total zu verdammen? „Wer die Mauer wiederhaben möchte, der gehört für mich in die Psychiatrie, aber zur Nostalgie neigt ja irgendwie jeder. Wenn ich die DDR auf die Ferien als Kind in der Oberlausitz reduzieren würde, wären das schöne Erinnerungen, aber ich weiß auch, dass der Betrieb meiner Verwandten unter Ulbricht enteignet wurde und meine Cousins nicht auf die Oberschule gehen durften.“ Jeder Mensch macht positive wie negative Erfahrungen. Für Roland Künzel ist das Übergreifende: die Mauer. „Sie ist für mich nicht nur das Symbol der Teilung, sondern auch der Demütigung. Alles Negative hat sich hier manifestiert“. Daran möchte der Lehrer – auch für seine Schüler – mit dem Buch erinnern.

Roland Künzel, „Die Liebe in der Zeit des Mauerfalls“, 9,90, Frieling-Verlag.

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