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Tickt’s noch? Christopher Kroner, Doro Hoffmann, und Torsten Engeser (von links) suchen nach Hinweisen, um aus dem Raum auszubrechen.

© David Heerde

Live Escape Games in Berlin: Nichts wie raus

Ein Raum, drei Ermittler, 60 Minuten Zeit zu entkommen: Klingt nach Computerspiel, ist aber Realität. In Berlin gibt es inzwischen zahlreiche Anbieter für "Live Escape Game“. Und es geht rasant zu. Ein Besuch in Lichtenberg.

Langsam ist die Hektik deutlich zu spüren. „Schnell, schnell, schnell!“, ruft Doro Hoffmann, während einer ihrer Mitstreiter versucht, das letzte Schloss zu öffnen, das sie – hoffentlich – aus dem Kellergewölbe in die Freiheit führt. „Nur noch eine Minute. Das schaffen wir nicht“, sagt Hoffmann und stöhnt. Oben in der Ecke ist ein Monitor angebracht, auf dem gnadenlos die Zeit verstreicht. Ihre letzte Minute ist angezählt – so lange haben sie noch, um den Fängen eines fiesen Serienkillers zu entkommen, dessen Versteck sie soeben ausfindig gemacht haben.

Es ist ein Freitagabend in Lichtenberg. Nur eine Stunde zuvor saßen die drei ein Stockwerk höher gemütlich auf der Couch. Ihnen gegenüber: Jochen Krüger, Geschäftsführer des Unternehmens „The Room“, das in diesen Räumen ein sogenanntes Live Escape Game anbietet. Die Freunde Doro Hoffmann, 46, Torsten Engeser, 45, und Christopher Kroner, 25, werden von ihm eingewiesen, wie das Spiel funktioniert: Eine Gruppe von zwei bis sechs Personen lässt sich in einen Raum sperren. Sie haben exakt 60 Minuten Zeit, sich zu befreien. Dafür müssen sie jede Menge Rätsel lösen. Mit Ausdauer, logischem Denken und Geschicklichkeit kommen die Spieler etwa auf Zahlencodes zu Safes und Schlössern, auf verborgene Botschaften und versteckte Mechanismen.

Pärchen streiten sich, Geschwister harmonieren gut

Die Live Escape Games stammen von sogenannten „Escape the Room“-Computerspielen ab. Das Ziel: Anhand von der in einem Zimmer vorhandenen Gegenstände eine verschlossene Tür zu öffnen, die in die Freiheit führt. In Japan kam man zuerst auf die Idee, diese Spiele in die Realität zu übertragen. Über Budapest kamen die Live Escape Games dann nach Europa. In Deutschland gibt es inzwischen rund 30 Anbieter dafür, die meisten davon in Berlin: in Kreuzberg etwa müssen die Spieler US-Präsident Kennedy vor einem Attentat bewahren, in Mitte einen Anschlag auf den Bundesnachrichtendienst verhindern, bei „The Room“ in Lichtenberg das Versteck eines Serienmörders finden oder wahlweise aus der DDR fliehen (siehe Kasten). 66 Euro kostet die Stunde bei „The Room“ für zwei Spieler, je mehr es werden, desto günstiger. Der Reiz daran? „Das ist die Sehnsucht nach Abenteuer“, sagt Jochen Krüger.

Ulrike Dehns stöhnt. „Sind das die, die er alle umgebracht hat?“, fragt sie laut. Sie hat sich der Dreiergruppe angeschlossen, weil sie als neue Mitarbeiterin bei „The Room“ jedes Spiel auch einmal selbst spielen möchte. „Paul“, „Fritz“, „Martha“ ist auf den Behältern zu lesen, die sie auf den Spuren zum Versteck des Serienmörders entdeckt hat. Sie macht genau das, was auch Jochen Krüger rät: Laut denken, sich austauschen, die anderen Spieler über Entdeckungen informieren. „Das ist hoch psychologisch, was man da unten sieht“, sagt Krüger, der die Spieler über eine Kamera beobachtet und im Zweifelsfall Tipps über einen Monitor gibt, falls das Team mal stecken bleibt. Er habe schon alles gesehen: Pärchen, die sich streiten, sowie Geschwisterpaare, die so gut harmonieren, dass sie schon nach 50 Minuten draußen sind.

„The Room“-Geschäftsführer Jochen Krüger überwacht das Geschehen am Bildschirm.
„The Room“-Geschäftsführer Jochen Krüger überwacht das Geschehen am Bildschirm.

© David Heerde

Zu Anfang fanden nur etwa 20 Prozent der Spieler rechtzeitig den Weg in die Freiheit, inzwischen sind es etwa 50 Prozent. Angelehnt ist das Spiel, das Krüger und seine Partner „Das Biest von Berlin“ genannt haben, an die Geschichte von Ernst Gennat, Kriminalpolizist im Berlin der Zwanziger Jahre. Er führte die erste Mordkommission ein – und wurde dafür in zahlreichen Romanen verewigt.

In Gennats Arbeitszimmer beginnt das Spiel. Musik der Zwanziger ertönt aus einem alten Grammophon, daneben ein massiver Tisch mit Schreibmaschine, ein altes Bücherregal, ein Kleiderständer – natürlich mit Trenchcoat und Hut. Die vier Spieler haben alle Taschen durchsucht, Bilder abgehängt, sämtliche Schubladen geöffnet, Wände abgeklopft. Nach der ersten halben Stunde ist es ihnen gelungen, den Safe in der Wand zu öffnen. Doch am Ziel sind sie noch lange nicht. So viel sei verraten: Hinter des Kommissars Arbeitszimmer wartet noch eine ganz andere, düstere Welt auf die vier, in die sie sich hineinwagen müssen, begleitet von gruseliger Musik. Sechs Monate hat Jochen Krüger mit seinen Partnern daran gebaut.

Doro Hoffmann und ihre Mitstreiter machen es spannend: Eine Minute vor Schluss gelingt es ihnen, die letzte große Hürde zu nehmen. Sie stehen vor dem finalen Rätsel und die Aufregung steigt mit jeder Sekunde, die verstreicht. Dann öffnet sich plötzlich die Tür nach draußen. Die Spieler liegen sich in den Armen und jubeln befreit. 14 Sekunden noch, dann wäre das Spiel vorbei gewesen.

„Genial“, sagt Torsten Engeser. Doro Hoffmann sagt: „Fühlte sich auch viel länger an als eine Stunde. Total intensiv irgendwie.“ Statt den Freitagabend beim Krimi vor dem Bildschirm verbracht zu haben, haben diese vier mal eben innerhalb von 60 Minuten selbst den Täter gestellt.

Eine Übersicht über die Berliner Escape Games

The Room. Aus Ost-Berlin flüchten oder einen Serienmörder fangen. Ruschestr. 64–44, Lichtenberg.

66 Euro/2 Personen. www.the-room-berlin.com

Questory. Einen Mörder im West-Berlin des Jahres 1963 finden. Solmsstr. 44, Kreuzberg. 60 Euro/2–6 P. www.questory.de

Team Escape. Das Verschwinden des Mr. Nobody aufklären oder ein Staatsgeheimnis lösen – möglich auch in Teams gegeneinander. Muskauer Str. 27, Kreuzberg. 71 €/ 2 P. berlin.teamescape.de

Hipster Escape Party. Auf Wunsch mit Hipster-Accessoires im Jutebeutel (Bier, Konfetti, Nerd-Brillen, Moustache-Tattoo etc.) Gürtelstr. 25, Friedrichshain, 40 €/2 P. hipster-escape-party.de

Make A Break. Die Mauer zu Fall bringen, Crystal-Meth-Dealer überführen oder Berlin von Zombies befreien. Müggelstr. 8, Friedrichshain. 50 €/2 Personen. make-a-break.de

Trap Berlin. Eine tickende Zeitbombe entschärfen. Gärtnerstr. 15, Friedrichshain. 50 €/ 2–5 P. www.trapberlin.com

Escape Zone. Die Bombe des Diktators entschärfen oder einen todkranken Patienten heilen. 69 €/2 P. Spreeufer 3, Mitte. www.escape-zone.de

Mission Accepted. Einen Anschlag auf den BND verhindern. Chausseestr. 52, Mitte. 58 €/ 2 P. www.mission-accepted.de

Exit. Die Welt vor Aliens retten u. ä. 59 €/ 2 P. Lehrter Str. 16/17, Moabit. www.exit-game.de

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