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Berlin: Lob den Bonnern - Die Berliner lernen von den Zugezogenen, was für ihre Kinder am besten ist

Eltern und Schüler gehen auf die Straße, um gegen Lehrermangel und Unterrichtsausfall zu protestieren. Ob Förderunterricht, grundständige Gymnasien oder Zentralabitur - der Senat scheut vor klaren Entscheidungen zurück.

Eltern und Schüler gehen auf die Straße, um gegen Lehrermangel und Unterrichtsausfall zu protestieren. Ob Förderunterricht, grundständige Gymnasien oder Zentralabitur - der Senat scheut vor klaren Entscheidungen zurück. Er hat mehr Zeit als unsere Kinder. Redakteure mit Kindern schreiben, was sie erleben - und: was sie wollen.

Da es sowieso Prügel gibt, kann das Geständnis gleich an den Anfang. Ja, wir haben unsere Tochter durch intensive Abrichtung seit der Vorschule - Kinder-Schokolade-Entzug! Streckfolter! - auf einen Zensurenschnitt von 1,0 gestemmt. Auf dem so vorgezeichneten Weg ans Gymnasium hat sie gelernt, ihre Mitschüler skrupellos wegzubeißen und nach monatelangen Übungen das Worte "Prolls" auszusprechen - eine Übung, die ihr jetzt hilft, zu überleben in jenen brutaldarwinistischen Killer-Klassen, die sich hinter dem Etikett "Schnellläuferzug" verbergen. In sieben Jahren wird sie ihr Abitur in der Tasche haben und von ihren schwerreichen Eltern nach Harvard verschickt werden. Oder doch lieber Wellesley?

So: Nachdem nun der klischeesatte Teil erledigt ist, mag Zeit sein für das eine oder andere Argument. Seit einigen Jahren, verstärkt durch den Zuzug "der" Bonner, steigt der Druck gegen die obligatorische sechsklassige Grundschule. Darunter ist der übliche Anteil der hysterischen Eislaufmuttis, der uns hier nicht interessieren muss. Denn die meisten Eltern vergleichen einfach irgendwann die Grundschulzeit ihrer Kinder mit ihrer eigenen - und kommen zu einer ernüchternden Bilanz. Wo früher relativ homogene Lerngruppen allen Kindern das Arbeiten nach ihren Möglichkeiten erlaubten, klaffen heute oft riesige, von den Lehrern nicht mehr überbrückbare Differenzen. An den Schulen der sozialen Brennpunkte geht es heute längst nicht mehr um die deutsche Grammatik, sondern um das Erlernen einfachster sozialer Fertigkeiten - um Hände waschen, Nase putzen und das Lösen von Konflikten ohne große Brüder.

Politisch korrekt wird dieser Gegensatz gern mit dem Hinweis auf das 70er-Jahre-Allheilmittel namens "Binnendifferenzierung" vernebelt. Und wenn die leistungsstarken Kinder dann doch gelangweilt herum sitzen, dann stärkt das wenigstens ihre "soziale Kompetenz", nicht wahr? Doch viele realistische Lehrer haben längst keine Lust mehr, unentwegt die heiligen Kühe ihrer Gewerkschaft im Kreis herum zu treiben - oft geben sie den Impuls zum vorzeitigen Schulwechsel und nicht die Eltern.

Denn die Eltern lernen erst jetzt und mit Hilfe der ideologisch unbelasteten Zugezogenen, sich vom zu-spät-marxistischen Reflex zu lösen, der jeglichen Widerstand gegen die sechs Grundschuljahre automatisch als Ausdruck elitärer Gesinnung denunziert. Sie wagen es plötzlich, die einfache Frage zu stellen: Welche Schule ist die beste für mein Kind? Und stoßen darauf, dass die meisten dieser Schulen mit Fächern wie Latein oder Hebräisch sorgsam gegen Zulauf abgeschottet sind - absurdes Ergebnis einer Schulpolitik, die das grundständige Gymnasium stets in der Exoten-Ecke einzuzäunen suchte, da es nun einmal nicht totzukriegen war.

Doch das ist vielen Eltern längst egal. Sie sehen ziemlich klar, dass es für leistungsstarke Kinder allemal besser ist, entlegene Sprachen zu lernen, als Daumen drehend das Ende der 6. Klasse abzuwarten, auch wenn sie am Ende weder Archäologen noch Rabbiner werden. (Das gilt, ganz nebenbei, auch für immer mehr Kinder aus Brandenburg, die einen zweiten Wohnsitz bei ihrer Berliner Großtante angedichtet bekommen, weil es im schuldogmatisch besenreinen Umland nicht mal die Exoten-Ecken gibt.)

Die Politik beschleunigt mit ihrem hinhaltenden Widerstand das Ende der staatlichen Schule, die von Jahr zu Jahr mehr Kinder (und alle jungen Lehrer) an ein expandierendes Netz konfessioneller und/oder privater Schulen verlieren und damit zur Restschule verkümmern wird. Dann sind wir bald an jenem Punkt angelangt, den die linken Bildungsreformer zu Recht am meisten fürchten: Dass gute Bildung wieder eine Sache des Geldes wird. Und bessere Bildung eine Sache von mehr Geld.Aus der Serie: Die Zukunft der Berliner Schulen: Grosse Pause und Kein Klingeln (Teil 3)

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