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Berlin: Lob und Tadel für Nachamas Kritik

BERLIN (bew/mal/lom).Die mit drastischen Worten vorgebrachte Kritik des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, an Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) wegen dessen Äußerungen zur Ausländerpolitik hat teils Empörung, teils Zustimmung hervorgerufen.

BERLIN (bew/mal/lom).Die mit drastischen Worten vorgebrachte Kritik des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, an Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) wegen dessen Äußerungen zur Ausländerpolitik hat teils Empörung, teils Zustimmung hervorgerufen.Schönbohm selbst nannte die Kritik Nachamas "maßlos".Im Info-Radio Berlin-Brandenburg sagte Schönbohm, wenn Nachama für eine multikulturelle Gesellschaft sei, zeige dies, daß er die Herkunft des Begriffs nicht kenne.Er sei für eine Vielfalt der Kulturen, aber multikulturell sei ein Kampfbegriff vom Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre.

Der Senator wies vor allem die Äußerungen Nachamas zurück, er verharre "in traurig-guter Gesellschaft mit Vertretern einer Blut- und Bodenideologie, die letzlich Ursache aller ethnisch geprägten Konflikte in Europa war, zuletzt und leider noch immer in Ex-Jugoslawien".Dazu sagte Schönbohm: "Das steht auch einem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde nicht zu.So kann man nicht miteinander umgehen."

Nachama hatte in seinem Beitrag für den Tagesspiegel erklärt, die Vorstellungen des Innensenators muteten wie ein "Rückgriff in die Mottenkiste" an.Schönbohm strebe offenbar nicht Berlin 2000 an, sondern "Germania 2000, jenes gescheiterte Konzept, von dem es zum Glück nur noch ein architektonisches Modell aus der Zeit des Dritten Reiches gibt".

Schönbohm hatte sich zuvor strikt gegen eine multikulturelle Gesellschaft ausgesprochen.Jenen Ausländern, die sich nicht integrieren und kein Deutsch lernen wollten, solle die Rückkehr in die Heimat nahegelegt oder die Sozialhilfe gekürzt werden.

Der Bischof der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, äußerte ebenfalls heftige Kritik an Nachama, der in seinem Beitrag auch die Bischöfe angegriffen hatte.Huber sagte dem Tagesspiegel, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde habe seinem Ziel, einer Atmospäre von Toleranz, multikultureller Verständigung und Weltoffenheit zu dienen, "einen Bärendienst erwiesen".Nachama wolle den Eindruck erwecken, die christlichen Kirchen würden sich nicht oder nur in geringem Maße für die Integration von Ausländern einsetzen.Jeder, der die Diskussion in Berlin während der letzten Jahre verfolgt habe, wisse, daß das falsch sei.Mit der ökumenischen Initiative zur Woche der ausländischen Mitbürger werde seit mehr als zwanzig Jahren im September und Oktober zu Begegnungen mit Ausländern eingeladen.

Unterdessen mahnte Senatssprecher Michael-Andreas Butz mehr Sachlichkeit an.Wer wie Nachama von einer "Blut- und Bodenideologie" und "Germania 2000" spreche, lasse jedes Mindestmaß an Sachlichkeit vermissen und verkenne die Bedeutung einer Integrationspolitik.Im Vordergrund der Ausländerpolitik des Senats stehe die Integration der Ausländer.

Dagegen wurde auch am Mittwoch wieder Kritik an den Äußerungen des Innensenator laut.So ging Kultursenator Peter Radunski (CDU) auf Abstand zu seinem Parteifreund Schönbohm.Dem Tagesspiegel sagte Radunski: "Die multikulturelle Gesellschaft ist kein Kampfbegriff, sondern die Beschreibung einer Situation, in der wir leben.Sie ist interessant, wenn sich die verschiedenen Kulturen etwas geben, wenn sie sich untereinander austauschen."

Michel Friedman, Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland und der CDU, sagte dem Tagesspiegel: "Die multikulturelle Gesellschaft ist das großartige Vergnügen und die Bereicherung eines friedlichen Europas und einer offenen Welt."

Die Landesvorsitzende der Berliner PDS, Petra Pau, kommentierte die Äußerungen des Innensenators mit den Worten: "Schönbohm ist mit seinen Bemerkungen zu einer Gefahr für die demokratische Verfaßtheit unserer Gesellschaft geworden.Er bricht zunehmend, manchmal täglich, gesellschaftliche Tabus." Dadurch werde die Hemmschwelle, die zu rechtsextremistischen Taten führt, gesenkt."Solche Töne aus der werdenden Hauptstadt werden nicht nur den Berlinern zu denken geben, sondern auch den ausländischen Vertretungen, die sich auf den Weg in diese Stadt machen."

Der Tagesspiegel wird in seiner Freitag-Ausgabe eine Stellungnahme Schönbohms zum Beitrag von Nachama veröffentlichen.Am Sonnabend folgt eine Position von Bischof Wolfgang Huber.

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