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Logistik-Startup Parcel Perform: Dem Paket immer auf der Spur

Zwei Berliner haben in Singapur ein Start-up für Logistik gegründet. Jetzt kommt ihr Dienst auch in Deutschland an.

Das Logistik-Start-up Parcel Perform aus Singapur entwickelt Tracking-Lösungen für den Einzelhandel. Gegründet wurde es von Dana von der Heide und Arne Jeroschewski aus Berlin. Nun drängt das Unternehmen auf den europäischen Geschäftskundenmarkt. Zu den Kunden gehören unter anderem die Online-Versandhändler Zalando und Wayfair.

„Wenn man online einkauft, möchte man wissen, wann das Paket ankommt und wo es gerade ist“, sagt von der Heide. Ihr Unternehmen sammelt und verarbeitet die Tracking-Daten von Hunderten Logistik-Dienstleistern wie DHL oder Hermes und zeigt den aktuellen Status der Sendung auf der Website des Händlers an. Der Verbraucher muss dazu nicht zum Logistikanbieter wechseln.

„Der Händler hat ein großes Interesse daran, den Kunden auf seiner Seite zu halten.“ Das mag nebensächlich wirken, könne jedoch entscheidend sein, sagt sie.

Die Tracking-Updates der Logistiker sind für technische Laien mitunter schwer zu interpretieren. Im Zweifelsfall rufen Kunden häufig zuerst beim Online-Händler an, um zu fragen, was los ist. Im schlimmsten Fall wisse der das jedoch selbst nicht. Das irritiere den Kunden und führe aus Marketingsicht zu einer Störung des Erlebnisses.

„Der Kunde möchte nicht alleingelassen werden“, sagt von der Heide. Vor allem dann nicht, wenn es Probleme bei der Zustellung gebe. Dann sei es wichtig, schnell und unkompliziert helfen zu können.

Das Ziel von Parcel Perform sei es, eine „völlig abgeschlossene Einkaufserfahrung“ zu bieten, sagt sie. Denn so gewinne der Händler die Loyalität des Kunden. Parcel Perform bietet den Service als sogenannte White-Label-Lösung an, tritt also selbst nicht als Marke in Erscheinung. Der Verbraucher erhält alle Informationen direkt von dem Händler, bei dem er Ware bestellt hat.

In Asien boomt E-Commerce stärker als in Europa

Bezahlt wird der Service allerdings vom Händler. Der profitiert ja seinerseits vom Zugriff auf die Daten, die Parcel Perform zusammenträgt. Tatsächlich gebe es für Logistikdaten noch keinen international gültigen Standard. Mithilfe der von Parcel Perform aufbereiteten Daten könne der Händler die Leistungen seiner Logistik-Dienstleister überprüfen und vergleichen.

„Die Händler zahlen viel Geld für ihre Logistik. Da möchten sie wissen, wie der Anbieter performt und ob er seine Versprechen hält“, sagt von der Heide.

In Asien boome E-Commerce bereits seit Jahren viel stärker als in Europa. „Allerdings ist hier die Komplexität auch deutlich höher.“ Der Versand erfolge häufiger über Ländergrenzen hinweg, es gebe viel mehr lokale Kurierdienste. Inzwischen hat Parcel Perform nach eigenen Angaben 600 Logistik-Dienstleister angeschlossen.

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Auch die Erwartungen der asiatischen Kunden an die verfügbaren Informationen seien höher, die Nutzung mobiler Endgeräte eine Selbstverständlichkeit. Nicht zuletzt müssten alle Informationen in vielen Sprachen verfügbar sein.

Die Coronakrise habe die Logistikbranche weltweit in eine verzwickte Situation gebracht. Auf der einen Seite gebe es viel mehr Bestellungen, so viele wie sonst nur im Weihnachtsgeschäft. Auf der anderen Seite hätten viele Unternehmen entlang der Logistikkette ihre Kapazitäten reduzieren müssen. Denn aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln müssten sehr unterschiedliche Abläufe von der Lagerverwaltung bis zum Transport ganz neu organisiert werden.

Unternehmen investieren wieder mehr

Als Reaktion hat Parcel Perform das Angebot erweitert. Größere Händler können nun mit dem Tracking bereits im Lager beginnen. Dadurch wird der Kunde auch über den Status informiert, wenn es zum Beispiel länger dauert, bis das Paket dem Kurier übergeben werden kann. Das soll dem Empfänger Sicherheit geben und die Servicehotlines entlasten, weil weniger Rückfragen gestellt werden.

„Inzwischen sehen wir aber auch, dass die Volumina im E-Commerce wieder hochgehen“, sagt von der Heide. Die meisten Unternehmen hätten offenbar die neuen Abläufe erfolgreich integriert. Nun werde auch wieder Geld in die Hand genommen. „Viele, die früher zurückhaltend waren und nicht sicher waren, ob sie investieren sollen, merken jetzt, wie wichtig Onlinehandel ist.“

Schrei vor Glück. Auch der Berliner Händler Zalando setzt jetzt bei der Paketverfolgung auf Software von Parcel Perform.
Schrei vor Glück. Auch der Berliner Händler Zalando setzt jetzt bei der Paketverfolgung auf Software von Parcel Perform.

© imago images / Sven Simon

Von der Heide hat Kommunikations- und Politikwissenschaft sowie Psychologie studiert. Während des Studiums arbeitete sie in einer kleinen NGO und organisierte unter anderem Jugendveranstaltungen zum G-8-Gipfel. Danach arbeitete sie als Managerin für Geschäftsentwicklung bei DHL in verschiedenen asiatischen Ländern. Schließlich zog sie nach Singapur, wo sie den Konzernjob an den Nagel hängte und das eigene Unternehmen gründete.

Warum? Sie sei ein „Technologie-Nerd“ und habe einen datengetriebenen Ansatz verfolgen wollen, sagt die 30-Jährige. Seit 2018 ist sie die einzige Nicht-Asiatin im „eFounder Fellowship“, einem Stipendium der chinesischen Alibaba Group von Multimilliardär Jack Ma.

Singapurs Regierung holt sich Rat beim Startup

Singapur biete Gründern ausgezeichnete Bedingungen, sagt von der Heide. Innerhalb nur eines Tages sei es möglich, ein Unternehmen anzumelden, ein Konto einzurichten und die ersten Schritte zu gehen. Vergangenen Herbst hatte sich auch eine hochrangig besetzte Delegation der IHK Berlin in dem südostasiatischen Stadtstaat umgeschaut, mit Gründern gesprochen, um Anregungen für Berlin zu sammeln. Mit an Bord: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Inzwischen berät Parcel Perform die singapurische Regierung beim Tracking von Packstationen. Dass das Land auf ein Start-up setze, obwohl auch größere Unternehmen zur Verfügung stünden, zeige die Offenheit für Innovation, meint von der Heide.

Insgesamt beschäftigt Parcel Perform 60 Mitarbeiter, darunter ein komplettes Entwicklerteam in Vietnam. Auch in Australien ist die Firma aktiv. Jetzt richte sich der Fokus auf Europa, sagt die Chefin. „Zurzeit ist Deutschland nicht nur unser größter Markt, sondern auch der, der am schnellsten wächst.“ Das Büro in Berlin existiert seit dem letzten Jahr. Die Coronakrise hat die Expansionspläne allerdings verlangsamt.

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Trotz des Erfolgs stoße sie im Alltag auch oft auf Vorurteile, sagt sie. Die Logistikbranche sei noch stark von Männern dominiert. Dass sie als Frau die Geschäftsführerin eines Tech-Unternehmens ist, könne sich manch alter Hase auch im Jahr 2020 nur schwer vorstellen.

„Auf Konferenzen denken viele zuerst, ich würde das Marketing machen“, sagt sie lachend. Kulturelle Vorstellungen kämen hinzu, etwa bei Gesprächen mit Führungskräften aus Malaysia oder Indonesien. „Eine unverheiratete, unverschleierte Frau, die allein in Singapur lebt - da gibt es schon manchmal Stirnrunzeln.“

Parcel Perform setzt auf eine starke Teamkultur

Aber auch in der Logistikbranche ändere sich die Welt langsam. „Durch den Boom von E-Commerce gibt es heute viel mehr junge Leute, die sich mit diesem Thema beschäftigen.“ Die Branche werde insgesamt jünger und diverser. „Aber da gibt es noch einiges an Verbesserungsbedarf.“ Dass Parcel Perform in fast allen Teams einen Frauenanteil von etwa 50 Prozent hat, sagt sie nicht ohne Stolz. „Das ist so ein bisschen meine persönliche Mission.“

Die Expansion in Europa sei durch die Krise verlangsamt worden, sagt die Gründerin. Aufgrund der Reisebeschränkungen seien persönliche Meetings vor Ort momentan nicht möglich. Doch Bewerbungsgespräche und das Onboarding neuer Mitarbeiter möchte sie nur ungern ausschließlich per Videokonferenz machen.

„Wir haben eine sehr starke Teamkultur“, sagt von der Heide. Jeden Morgen kämen alle Mitarbeiter zusammen, um über die Aufgaben des Tages zu sprechen.

Im Moment passiere das notgedrungen in Videokonferenzen. Und zum Wochenabschluss tauschten sich alle über die Woche aus. In einem „strukturierten Prozess“ würden geschäftliche Herausforderungen, aber auch private Themen besprochen. Diese Kultur möchte Dana von der Heide jetzt auch außerhalb des Unternehmens fördern. Auf der Website Parcel Monitor hat sie eine „Community für die neue Generation von Logistik-Managern“ eingerichtet. Und -Managerinnen natürlich.

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