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In Berlin ist das Denkmal nur als "Hungerharke" bekannt.

© Kai-Uwe Heinrich

Luftbrückendenkmal in Tempelhof: Die „Hungerharke“ – eine Berliner Ikone mit Startproblemen

Kaum war die Blockade zu Ende, sollte ein Denkmal für die Luftbrücke her. Doch damit fing der Streit an – über die Entwürfe, den Standort und das Material.

In der Juli-Ausgabe 1964 des Ärzteblatts „Selecta“ fand sich ein Inserat der hessischen Heilmittelfirma „Atmos“, die mit einem Foto des Luftbrückendenkmals für ihre Präparate gegen Atemwegserkrankungen warb. Im Text wurden die Medikamente als „die Luftbrücke für den Asthmatiker“ empfohlen. Eine ziemlich schräge Banalisierung des Tempelhofer Denkmals, das doch an die Opfer der Luftbrücke erinnern sollte, die „ihr Leben für die Freiheit Berlins“ gaben, wie es in der Inschrift am Sockel heißt. Nun gut, in Westdeutschland sah man das vielleicht nicht so streng.

Doch auch in West-Berlin selbst wurde solch eine Verniedlichung der mahnenden Betonskulptur, ihre Umwidmung zum bloßen Souvenir praktiziert, schon wenige Jahre nach der Luftbrücke und sogar hochoffiziell: Als 1955 die damalige „Miss Germany“, die Kölnerin Margit Nünke, vor ihrer Abreise zur „Miss Universe“-Wahl in den USA im Rathaus Schöneberg empfangen wurden, gab ihr der Regierende Bürgermeister Otto Suhr eine kleine Nachbildung des Luftbrückendenkmals mit, als Gruß an das Stadtoberhaupt von New York. Von Günther Matthes, damals Lokalchef des Tagesspiegels, wurde die Freundschaftsgabe zu Recht als „amtlicher Kitsch“ gegeißelt.

Die berühmte "Hungerharke"

Das Denkmal war da längst Touristenattraktion und Briefmarkenmotiv, von der berühmt-berüchtigten Berliner Schnauze als „Hungerharke“ vom Weihevoll-Erhabenen ins Volkstümliche verschoben und als identitätsstiftendes Bauwerk vereinnahmt. Es muss schon da kaum noch erinner- und noch weniger vorstellbar gewesen sein, dass der Bau anfangs höchst umstritten war und viele Probleme seine Fertigstellung begleitet hatten. Der Historiker Axel Drieschner hat sie in einem Beitrag zu dem Sammelband „Die Berliner Luftbrücke. Erinnerungsort des Kalten Krieges“ dargestellt.

Ursprünglich sollte das Denkmal als Metallkonstruktion mit einer Aluminiumhaut entstehen.
Ursprünglich sollte das Denkmal als Metallkonstruktion mit einer Aluminiumhaut entstehen.

© epd

Den Denkmalsplan hatte Ernst Reuter, Stadtoberhaupt von West-Berlin, in der außerordentlichen Parlamentssitzung kurz nach dem Blockadeende bekanntgegeben. Ein bescheidenes Denkmal solle es sein, „ein Denkmal des Friedens und nicht eine Verherrlichung kriegerischer Leistungen“. Als Standort vorgesehen war „der Flughafen Tempelhof und zwar der Eingang oder das Innere des sogenannten Ehrenhofes“, wie es in der am 12. Juli 1949 veröffentlichten Ausschreibung des Wettbewerbs hieß. Teilnehmen konnten alle Künstler aus Gesamt-Berlin und den Westzonen.

Ärger um das Preisgericht

Ersten Ärger gab es bereits um das Preisgericht, zu dem unter anderem Reuter selbst, die Bildhauerin Renée Sintenis und der Architekt Max Taut gehörten. Der Architekt Edgar Wedepohl war ebenfalls berufen worden, lehnte das Amt aber ab, weil er erst aus der Zeitung davon erfahren habe, auf die Bedingungen damit keinen Einfluss habe nehmen können. Zudem war er gegen ein Denkmal, wollte lieber karitative Bauten.

Über 300 Beiträge von so unterschiedlichen Künstlern wie der von Hitler so geschätzte Arno Breker und Bernhard Heiliger gingen ein, manche Bewerber sandten gleich mehrere. Die Entwürfe zeigten ein breites künstlerisches Spektrum, waren – wie die drei siegreichen Vorschläge – grob nach bildhauerischer oder architektonischer Ausrichtung zu teilen. Der erste Preis ging an den Entwurf des Bildhauers Erich F. Reuter, im Krieg selbst Funker und Bordschütze bei der Luftwaffe: ein in Opferhaltung hingestreckter männlicher Akt, inspiriert durch die Figur eines vor Christus niedergestürzten Soldaten von Matthias Grünewalds Isenheimer Altar.

Der zweite Preis ging zum einen an den Entwurf von Klaus Hoffmann und Lothar Prang, die einen Parabelbogen in Stahlbeton vorschlugen, ähnlich dem allerdings später entstandenen Gateway Arch von Eero Saarinen in St. Louis, Missouri. Ebenfalls mit einem zweiten Preis bedacht wurde der dann später verwirklichte Entwurf von Eduard Ludwig, dessen drei nach Westen ausgerichtete Streben an die drei Luftkorridore erinnern sollen, auf denen die Versorgung West-Berlins auf dem Luftweg nur möglich war.

Um den Jahreswechsel 1949/50 herum waren alle Vorschläge im Schloss Charlottenburg ausgestellt, stießen dabei eher auf Ablehnung. Von „Lachkabinett“ und „Schreckenskammer“ schrieb die „Neue Bauwelt“, beklagte die allzu erwartbare Versammlung von „gestürzten Ikarussen, gar Piloten“, weiter „monumentalen Familien, die trauernd die Leiche umstehen“ oder zerschmettert am Boden liegenden Flugzeugen. Irritiert zeigte man sich auch über den Sieger, dessen Entwurf, durchaus auftragsgemäß, an die Opfer der Luftbrücke erinnerte. Aber war sie nicht ein glorreicher Erfolg gewesen, zu dem solch eine Jammergestalt wenig passte? So sahen das auch die drei alliierten Stadtkommandanten, der Sieger war damit aus dem Rennen.

Ludwig-Entwurf wurde angenommen

Die Debatte wogte noch einige Monate hin und her, bis der Reuter-Magistrat am 5. Juni 1950 – erst Monate später wurde er zum Senat – den Bau des Denkmals nach dem Ludwig-Entwurf beschloss. Der Ärger war damit keineswegs beendet. Erst haperte es mit der Finanzierung, wartete der Architekt monatelang auf Freigabe der Mittel. Dann schloss der amerikanische Stadtkommandant den Ehrenhof des Flughafens kategorisch als Standort aus. Dies sei US-Hoheitsgebiet, gesperrt für den Publikumsverkehr, werde zudem für militärische Übungen benötigt. Man möge das Denkmal doch in der Grünanlage auf dem Platz der Luftbrücke aufstellen.

Das waren die Luftkorridore für die Luftbrücke 1948-1949 - bitte anklicken zum Vergrößern.
Das waren die Luftkorridore für die Luftbrücke 1948-1949 - bitte anklicken zum Vergrößern.

© dpa, Tsp/Klöpfel

Kopfzerbrechen löste zudem die von Architekt Ludwig geplante Ausführung als Metallskulptur mit eloxierter Aluminiumhaut aus, was damals für zu aufwändig und technisch riskant befunden wurde. Also musste auf Stahlbeton umgeplant werden. Doch auch diese Version drohte im letzten Augenblick zu scheitern, als im Februar 1951 der SPD-Mann Walter May durch Joachim Tiburtius von der CDU als Senator für Volksbildung abgelöst wurde, dessen Partei einem abstrakten Denkmal sehr skeptisch gegenüberstand. Wieder ging es, nun im Senat, hin und her, bis es schließlich doch beim Ludwig-Entwurf blieb.

Nun aber ging es Schlag auf Schlag bei dem Projekt: Am 7. April begannen die Arbeiten am Fundament, am 5. Juni war Richtfest, feierlich enthüllt wurde das Denkmal, an dem erst 30, dann 60 Bauarbeiter Tag und Nacht gewerkelt hatten, bereits am 10. Juli 1951. Bis zu 100.000 Zuschauer sollen es gewesen sein, vor denen Ernst Reuter noch einmal „diese große, fast möchte man sagen, heroische Zeit“ der Luftbrücke beschwor: „Symbolisch schwingt der Bogen der Luftbrücke mit den drei Bahnen, die die Hilfe der amerikanischen, englischen und französischen Nation symbolisieren, zum Westen. Zu diesem Westen gehören wir, mit ihm wollen wir verbunden sein, und wir glauben, dass wir zu den besten Repräsentanten des Westens gehören.“

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Eine neue Ikone Berlins war entstanden, für viele ein strahlendes Symbol in der Finsternis des Kalten Krieges, von dem es mittlerweile zwei Nachbildungen gibt. Die erste in originaler Größe wurde 1985 auf dem Gelände des Rhein- Main-Flughafens in Frankfurt am Main aufgestellt, eine Initiative des Vereins Luftbruecke Chapter of the Airlift Tanker Association. Drei Jahre später folgte eine kleinere Version an der Zugangsstraße zu dem ebenfalls an der Luftbrücke beteiligten Fliegerhorst Celle-Wietzenbruch, errichtet im Auftrag der niedersächsischen Stadt. Die Zinken dieser dritten Hungerharke weisen direkt nach Berlin.

Corine Defrance/Bettina Greiner/Ulrich Pfeil (Hg.): Die Berliner Luftbrücke. Erinnerungsort des Kalten Krieges. Ch. Links Verlag, Berlin. 360 Seiten, 25 Euro

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