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Berlin: Lutz Brandt malt Flugzeuge im Endstadium - als Sondermüll

Lutz Brandt ist Architekt. "Von Hause aus", wie er sagt, und das klingt wie ein Eingeständnis.

Lutz Brandt ist Architekt. "Von Hause aus", wie er sagt, und das klingt wie ein Eingeständnis. Auf dem Zeichentisch liegen die ersten Skizzen für eine Hochglanzbroschüre für Eigentumshäuser, Architektenkram, der ihn zunehmend langweilt. Brandt macht schon lange auch andere Dinge, er ist Grafiker, Bühnenbildner, er hat Brandmauern bemalt, Kunst am Bau gemacht, Filmausstattung, Werbung, vor einigen Jahren eine Installation für das Dussmann-Kaufhaus. "Ich habe viel Zeug stehen in der Stadt", sagt Brandt, und auch bei diesem Satz klingt Stolz, nicht Leidenschaft nach.

Leidenschaft entsteht bei der Kunst, die in den Kommerzpausen entsteht. Vor ein paar Jahren hat Brandt "Wandbilder" produziert, Bilder von Oberflächen in Marokko, von Türen in Italien, auf denen er haarklein, fast fotorealistisch die Spuren, die Kratzer, das Graffiti nachgemalt hat. "Die Art zu denken und zu malen habe ich von der Architektur mitgekriegt". Über Jahre hat er die Veränderungen am Pariser Platz verfolgt, herausgekommen ist dabei eine "Akademie der Künste", deren Ruine unter Brandts kaltem, grafischem Strich eine ästhetische Geschlossenheit erhält und so ihre architektonischen Wunden erst richtig entblößt.

Neben Edward Hopper steht Tomi Ungerer in seiner Ahnenreihe, vor Jahren gehörte einmal Caspar David Friedrich dazu und der Comiczeichner Moebius. An ihm bewundert Brandt die künstlerische Vielseitigkeit, die Flucht aus dem Genre, die Phantasie. Beweglichkeit, vielleicht sogar Rastlosigkeit, wirken beim Harley-Fahrer Brandt wie Lebens- und Künstlerprinzip. Anfang der 80er Jahre war er von Ost- nach West-Berlin gekommen, ohne sich der Architekturszene im Tonfall oder sogar künstlerisch angepasst zu haben. "Ich lebe schon immer so wie jetzt", sagt Brandt, und seine Vokale verraten den Berliner. Zur Zeit stellt die Parochialkirche Brandts Bilder-Zyklus "Himmelfahrt" aus. Plakativ fast bis zur Abstraktion malt Brandt die verrottenden Militärjets, die ausgemustert von der US-Luftwaffe in der Wüste von Arizona aufgereiht stehen. Das Populäre der amerikanischen Fighter-Comics verbindet sich mit der morbiden Endzeit eines Mad Max im ästhetischen Niemandsland. Die Eleganz der Waffentechnik, in ihrer Blüte wie in ihrer Schrottstufe poppig überzeichnet, folgt hier eher Liechtenstein als Hopper. "Man hätte das auch alles düster malen könne, aber das entspricht nicht meinem Naturell". In nur drei Monaten hat er 14 großformatige Bilder in einer Fabrikhalle in Wedding gemalt, rausgehauen, möchte man sagen, mit der Energie eines Künstlers, der mit dem Zeitdruck des Marktes vertraut ist.

Es sei ihm bei den Bildern nicht um Verherrlichung gegangen, sondern um die Darstellung von Bedrohung, Anonymität und Ressourcenverschwendung, sagt Brandt, nicht ganz glaubwürdig. Schließlich war der Auslöser für die Reihe nicht politisch, sondern persönlich, nicht der Flugzeugfriedhof in Arizona war das Schlüsselmoment, sondern eine deutsche JU-88, zerrissen in zwei Teile und auf der Mole einer griechischen Hafenstadt aufgebockt. Eigene Erinnerungen seien da heraufgespült worden, die blassen eigenen an Krieg und an den Vater, der als Flugzeug-Konstruktur in der Nähe von Berlin gearbeitet hat. "Sowohl erschrocken wie auch fasziniert", sei er gewesen, selbst gezeichnet von dem Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg.

Alle Arbeiten aus der Ausstellung können erworben werden, steht im Katalog, doch Brandt scheint zu spüren, wie schwer vermittelbar seine Erinnerung ist: "Wer zahlt schon 15 000 Mark für ein Flugzeug?". Nach der Leidenschaft ruft also wieder der Architekturkram und mehr "Schrott". So hieß der Film mit Uwe Ochsenknecht, für den Brandt kürzlich die story boards gemalt hat. An den genauen und einfallsreichen Zeichnungen Brandts wird es nicht gelegen haben, dass die "Atzenposse" von der Presse verrissen wurde. Aber auch beim Film bleibt Brandt Außenseiter. Auf dem Foto mit der Crew, aufgenommen am letzten Drehtag, steht er allein in der letzten Reihe.

Zwischen Werbung für BMW und Kunst am Bau, mit einem harten Wort also: Gebrauchskunst, bleibt dennoch die Hoffnung, von der anderen Kunst leben zu können. "Ich lebe schon immer so wie jetzt", sagt er gelassen, wohl wissend, dass ihm der Rückgriff auf seine kommerzielle verwertbaren Talente jederzeit offen steht. Dass wegen der Kosten für die Bomber-Bilder jetzt Architekturkram auf seinem Zeichentisch liegt, ist eben so. "Das kann sich stündlich ändern", meint Brandt. Es muß nur eine Bank anrufen und den ganzen Zyklus kaufen.Die Ausstellung "Himmelfahrt" mit Bildern von Lutz Brandt ist noch bis zum 29. Februar in der Parochialkirche (Klosterstraße 67, Mitte) zu sehen, Mo-Fr 12-18, Sa u. So 10-18 Uhr

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