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Der Macher. Hans Georg Näder plant ein „Haus des demografischen Wandels“.

© DAVIDS

Berlin: Magie des Rostigen

Die alte Bötzow Brauerei in Prenzlauer Berg wird im Herbst umgebaut. Jetzt läuft eine Fotoausstellung in den pittoresken Räumen.

Eigentlich wollte Hans Georg Näder nur ein letztes Bier im Soho House trinken. Doch dann schloss der Unternehmer noch einen Gutenachtspaziergang an und kam an der Bötzow Brauerei an der Prenzlauer Allee vorbei, die seit der Wende im Dornröschenschlaf liegt. „Tolles Gelände“, dachte sich der Chef der Firma Otto Bock aus Duderstadt, dessen Großvater 1919 in Berlin das Unternehmen für Medizintechnik gegründet hat, das heute weltweit in 45 Ländern 6000 Mitarbeiter beschäftigt. Er kaufte das Gelände und begann auch gleich, Pläne zu schmieden. Bevor die Bauarbeiten im Herbst losgehen, wollte er unbedingt noch mal den Istzustand des Brauereigeländes dokumentieren, schon „um die Magie des Ortes einzufangen“. Also lud er Fotografie-Studenten der Ostkreuz-Schule zum Wettbewerb und den international bekannten Frankfurter Fotograf Götz Diergarten, dessen Kunst er ohnehin sammelt, zu seiner ersten Auftragsarbeit seit vielen Jahren, um in der Brauerei eine temporäre Galerie einzurichten.

Bei der Eröffnung der Ausstellung „Auf Bötzow“ steht er sehr entspannt mit rosa gepunktetem Schal zum dunkelblauen Polohemd im Hof der Brauerei und freut sich auf sein künftiges Zuhause. Rund 100 Millionen Euro will er investieren, und spätestens, wenn 2019 das 100-jährige Jubiläum des Unternehmens gefeiert wird, will er selber auch hier leben. Den größeren Teil seiner Zeit verbringt er derzeit im Flugzeug auf seinen beruflichen Reisen in alle Welt. Der Hauptsitz der Otto-Bock-Holding befindet sich in Duderstadt, und seine Berliner Wohnung ist am Potsdamer Platz, nicht weit entfernt vom Otto-Bock-Haus, das durch seine originelle Bauweise auffällt. Im Science Center Medizintechnik an der Ebertstraße kann man sehen, wie viele Möglichkeiten es gibt, Behinderten das Leben zu erleichtern. Die Hightech-Prothesen und Rollstühle nutzen auch viele Sportler bei den Paralympics, die Otto Bock traditionell unterstützt. Kopien des Hauses gebe es inzwischen schon in Shanghai und in Kopenhagen, erzählt er. In die Bötzow Brauerei will er demnächst auch die Kreativ-Abteilung seines Unternehmens verlegen. „Junge wilde Kreative kriegt man ja gar nicht mehr leicht nach Duderstadt, die wollen alle in Berlin leben. Wie ich mit meinen 50 Jahren auch“, sagt er.

Alte Häuser liebte er früher schon, erzählt begeistert von der Renovierung eines Fachwerkhauses aus dem 16. Jahrhundert, in dem Spielzeug aus dem 9. Jahrhundert gefunden wurde. Aber die Bötzow Brauerei ist natürlich eine andere Größenordnung. Allein der Biergarten fasste seit 1884 rund 6000 Gäste und gehörte zu den beliebtesten der Stadt. Im selben Jahr, in dem sein Großvater das Unternehmen gründete, hat Karl Liebknecht im riesigen Biergarten der Brauerei auf dem Windmühlenberg einen Revolutionsausschuss ins Leben gerufen.

Dass bei der Restaurierung der Brauerei mit Überraschungen zu rechnen ist, davon gehen alle Beteiligten aus. Die Studenten der Berliner Ostkreuz-Schule ließen sich faszinieren von den endlosen Kellergewölben. Und auch Götz Diergarten ist begeistert von dem verwunschenen Ort. „So viele Farben Grün habe ich noch nie irgendwo gefunden“, sagt er. Auch der Pferdestall mit den originalen Trögen hat es ihm angetan. In seinen Bildern hat er die Geschichte einer Annäherung erzählt, von außen nach innen. Die Bilder der Studenten spiegeln die Aufbruchstimmung, die hier jetzt herrscht, sie zeigen zum Beispiel einen kleinen zusammengekehrten Haufen Schutt zu Füßen eines ausgehängten Fensters, auf das die Sonnenstrahlen fallen.

Als Brauerei sei das Gelände schon seit 1950 nicht mehr genutzt worden, weiß der Direktor der Ostkreuz-Schule Werner Mahler. Er habe dort mal gegessen, als zu DDR-Zeiten vorübergehend eine Kantine hier untergebracht war. Verschiedene VEBs hätten es als Lager genutzt zum Beispiel für Tabak, Spirituosen und Fisch. Später wurde es von der Metro übernommen, aber niemals, wie ursprünglich geplant, als Shopping-Center genutzt. Es gab mal Underground-Clubs hier, das „Deep“ zum Beispiel und „Mädcheninternat“. Bezirksbürgermeister Matthias Köhne freut sich sehr, dass sich endlich ein kreativer Investor gefunden hat, um dem Gelände eine neue Zukunft zu geben. Das zwischenzeitlich geplante Einkaufszentrum habe sich auch deshalb erledigt, weil nicht weit entfernt das Alexa geöffnet hat, erzählt er.

Näder freut sich nicht nur auf ein eigenes Loft in diesem Gebäude. Er will hier auch ein „Haus des demografischen Wandels“ einrichten und ist deswegen schon im Gespräch mit Ulf Fink, dem Vorsitzenden von „Gesundheitsstadt Berlin“. Der kann sich vorstellen, dass hier künftig neue Sicherheitssysteme für alte Menschen entwickelt und präsentiert werden, Teppiche, die weitermelden, wenn jemand hingefallen ist, oder Knöpfe, mit denen man alle elektrischen Geräte eines Haushalts auf einmal ausstellen kann.

Das ganze Haus soll nach Näders Vorstellung so gebaut werden, dass es den Anforderungen der älter werdenden Gesellschaft standhalten kann. Firmen wie VW, Siemens oder Apple sollen hier ein Schaufenster für neue Lösungen erhalten, mit deren Hilfe man auch im Alter weiter gut zu Hause leben kann.

Er betrachte es als intellektuelle Übung, für dieses Superareal die richtigen Partner zu finden, sagt Näder. Auch ein Boutiquehotel soll hier entstehen und einen W-Lan-Treffpunkt für junge Leute, so ähnlich wie es das in manchen New Yorker Hotellobbys gibt. Der global orientierte Unternehmer freut sich auf das neue Umfeld auch deshalb, weil er hier zu finden hofft, was ihm bisher in seinem Leben fehlt: den eigenen Kiez.

Bötzow Berlin, Prenzlauer Allee 242, Prenzlauer Berg: Fotoschau „Auf Bötzow“ bis 28. Juli, Do-So 12-18 Uhr, Eintritt frei.

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