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© Thilo Rückeis

Mahnmal-Architekt: Was Eisenman auf Youtube sah

Peter Eisenman, der Architekt des Berliner Holocaust-Mahnmals, spricht über Modefotos zwischen den Stelen - und was er dort für passend und unpassend hält.

Er habe auf Youtube und auch mit eigenen Augen schon Schlimmeres gesehen zwischen den Stelen. „Das geht von Oben-Ohne-Sonnenbaden bis zu Sex“, sagt Peter Eisenman, der Architekt des Holocaust-Mahnmals. Angesichts der jüngsten Aufregung um die Easyjet-Modefotos aber bleibt Eisenman gelassen. „Wenn das Mahnmal wirklich so offen ist, wie wir es geplant haben, ohne Zaun, wie soll man so etwas dann verhindern?“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel.de. In der Novemberausgabe des Bordmagazins der Fluggesellschaft Easyjet waren Modeaufnahmen zu sehen, die im Holocaust-Mahnmal entstanden sind.

Die Stiftung des Mahnmals jedenfalls hatte keine Ahnung von den Bildern und forderte Aufklärung. Easyjet hat sich sofort entschuldigt und das Magazin eingestampft. Zudem überprüft die Fluggesellschaft nun die Zusammenarbeit mit INK magazines, dem Herausgeber des Bordmagazins, der sich auf seiner Webseite ebenfalls entschuldigt. Dennoch hat der Vorfall, der auch in Israel Aufsehen erregt hat, eine erneute Diskussion um das Mahnmal angestoßen. Was darf man dort, was darf man nicht?

Obwohl er sicher nicht alles gutheißen kann, ist es ihm wichtig, die Gedenkstätte als öffentlichen Ort zu etablieren, sagt Eisenman. „Es ist kein Friedhof – und es soll auch keiner sein.“ Seine Grundidee als Architekt: Das Mahnmal sollte so offen wie möglich sein. Frei. Jeder hätte doch im Voraus gewusst, dass es zu einem Touristenmagneten werden würde. Die Folge seien unzählige Internetvideos, die ungebührliches Verhalten im Mahnmal zeigten. „Wenn sie wüssten, was ich schon im Internet gesehen habe.“ Dagegen vorgehen wolle er aber nicht. „Wenn wir anfangen, Verhalten ständig zu überwachen, enden wir wieder in den 30er-Jahren“, sagt der 77-jährige New Yorker. Bei den Nazis hätte es als ungebührlich gegolten, sich gegen den Staat aufzulehnen, seine Meinung zu sagen und zu protestieren.

Dennoch: Easyjet hätte seiner Meinung nach die Stiftung um Erlaubnis fragen sollen. Dann wäre es an ihr gewesen, eine Entscheidung zu treffen. Er habe die Gedenkstätte zwar durchaus auch als Hintergrund zum Beispiel für Filme und Fotos gedacht, doch diese sollten im Zusammenhang mit dem Mahnmal oder dem Holocaust stehen. Lea Rosh, Kuratorin der Stiftung, schließt sich dem Protest von Uwe Neumärker an. Diese Fotos seien absolut geschmacklos, so Rosh zu Tagesspiegel.de. Man habe sie nicht gefragt. "Sonst werde ich immer gefragt!", sagte die Publizistin. Solche Fotos könnten im Tiergarten entstehen, nicht im Mahnmal. Nur Projekte, die einen Bezug zum Thema zeigten, würden die Zustimmung der Stiftung bekommen.

Absperren will Eisenman das Gelände aber auf keinen Fall. „Das große Ziel war es, Normalität herzustellen“, sagt der Architekt. Es solle in den Alltag mit einbezogen sein. Das können Kinder sein, die zwischen den Stelen fangen spielen, so wie es seine Idealvorstellung war.

Es gebe diejenigen, die das Mahnmal zutiefst bewegt. Oder eben jene, die ihm begeistert davon berichten, wie gut sich die Gedenkstätte als Ort für die Mittagspause eigne. Damit sei sein Ziel erreicht, mit dem Mahnmal die Schuld nicht zu verstärken oder fortzusetzen, sagt Eisenman. „Das Mahnmal ist ein Erfolg“, sagt der Architekt.

Janina Guthke

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