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Berlin: Mahnmal für Euthanasie-Opfer wird heute in Buch enthüllt Verwüstete Gräber

Wildschweinplage am berühmten Südwestkirchhof: Waidmänner bereiten sich auf die Jagd vor.

Berlin - In Buch soll am Sonntag (18. November, 14 Uhr) anlässlich des Volkstrauertages ein Mahnmal für die Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde enthüllt werden. Es erinnert an Patienten, die in den ehemaligen Krankenanstalten auf Geheiß der Nationalsozialisten umgebracht wurden. Das Denkmal ist eine Arbeit der Bildhauer Rudolf Silvia Fohrer und Rudolf Kaltenbach. In der Bucher Heil- und Pflegeanstalt sollen ab 1940 rund 8000 Menschen ums Leben gekommen sein. Weitere 3000 Patienten wurden von dort in andere Tötungseinrichtungen verschleppt. Insgesamt starben bei den Euthanasie-Morden nach heutigen Erkenntnissen rund 300 000 Menschen in Deutschland und Europa, zumeist in Gaskammern. Das 1941 offiziell eingestellte Programm wurde bis 1945 fortgesetzt. Organisiert wurde die systematische Ermordung von Behinderten und psychisch Kranken in Berlin. Der Massenmord begann Anfang Januar 1940 in Brandenburg/Havel. Im „Alten Zuchthaus“ im Stadtzentrum wurden mehr als 9000 Menschen aus psychiatrischen Krankenhäusern und Fürsorgeinstitutionen des nord- und mitteldeutschen Raums bei „Probetötungen“ ermordet. dapd

Stahnsdorf - Es war eine beeindruckende Parade, die Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt jüngst durch das Fenster seines Büros beobachtete. „20 Wildschweine zogen wie am Schnürchen an unserem Bürogebäude vorbei“, erzählt er. Die Schwarzkittel fühlen sich zunehmend heimisch auf dem weitläufigen Areal des 206 Hektar großen Stahnsdorfer Südwestkirchhofes. Das Problem gab es auch schon in der Vergangenheit, doch jetzt habe es eine neue Dimension bekommen.

„Noch nie waren die Wildschäden so hoch wie in diesem Jahr“, sagt Ihlefeldt. Kamen die Wildschweine früher oft nur für einen Streifzug vorbei, haben sie jetzt dauerhaft Quartier auf dem Friedhof bezogen, der zu den größten Grabanlagen Europas zählt. Vor allem zwischen den dichten Rhododendronbüschen haben zwei Rotten ihre Ruheoase gefunden, vom Wege aus am Tage sind sie nur sehr schwer zu entdecken.

Die Spuren ihrer nächtlichen Aktionen sehen die Friedhofsbesucher am Morgen dann umso deutlicher. Erstmals wurden sogar die Wiesen am Haupteingang umgepflügt, auch ausgedehnte Moosfelder haben die Schwarzkittel auf der Suche nach Würmern wie Rollrasen aufgeklappt. Besonders arg verwüstet sind die Kriegsgräberfelder.

Neben dem Wildschwein- habe sich auch der Rehbestand schlagartig vergrößert, erzählt Ihlefeldt. Die Tiere haben es besonders auf Blumengebinde abgesehen, die im November reichlich auf den Gräbern liegen; heute ist Volkstrauertag, in einer Woche Totensonntag. Beschwerden von Angehörigen und Trauernden häufen sich, doch die Einflussmöglichkeiten der Friedhofsverwaltung sind begrenzt. Immer wieder reparieren die Gärtner den insgesamt vier Kilometer langen Zaun rund um das Areal und graben dort Stahlmatten in die Erde ein. Doch irgendwo findet das Wild dann doch einen Durchschlupf. Eine Kompletterneuerung des Zaunes würde laut Ihlefeldt mindestens 400 000 Euro kosten, eine Summe, die die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz als Eigentümerin nicht aufbringen könne.

Auch die Jäger sind regelmäßig unterwegs, allerdings nur zu den Schließzeiten, um die Friedhofsbesucher nicht zu gefährden. Drei Rehe wurden in den vergangenen Tagen geschossen. Solange Bäume und Büsche noch belaubt waren, war die Jagd allerdings schwierig.

Jetzt hoffen Ihlefeldt und der zuständige Jagdpächter Peter Braun auf den Erfolg einer großangelegten Drückjagd mit mehreren Waidmännern, die für Anfang Dezember geplant ist. Ziel einer solchen Jagd sei es, das Wild zu beunruhigen, damit es auch am Tage seine Liegeplätze verlässt und von den Jägern so leicht bewertet und erlegt werden kann, erläutert Braun. Eine solche Drückjagd gab es letztmalig 2009 auf dem Südwestkirchhof.

„Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir die Genehmigung von der Unteren Jagdbehörde des Landkreises erhalten haben“, berichtet Braun. Ohnehin erschwere die Behörde durch zahlreiche Auflagen die Bejagung auf dem Friedhof. So werde immer wieder gefordert, den Zaun vollständig zu reparieren und wilddicht zu machen, was auch nach Auffassung Brauns angesichts des großen Areals, auf dem insgesamt etwa 120 000 Menschen ihre letzte Ruhe gefunden haben, kaum möglich ist. „Vom Gesetz her ist eine solche Auflage auch nicht vorgesehen“, sagt Braun, der selbst Jurist ist.

Warum es in diesem Jahr wieder besonders viele Schwarzkittel in der Region Teltow und auf dem Südwestkirchhof gibt, ist nicht eindeutig zu erklären. „Es gibt mehrere Thesen, die aber alle nicht beweisbar sind“, sagt Braun. So könne ein Wachsen des Wildbestands allgemein mit einem milden Winter, größerem Nahrungsangebot oder abnehmendem Jagddruck zusammenhängen.

Unmittelbare Gefahr gehe von den Wildschweinen für Besucher des Südwestkirchhofs nicht aus. Gefährlich könnte es nur werden, wenn sich ein Tier bedroht oder zum Beispiel zwischen zwei Bäumen in die Enge getrieben fühlt und keine Fluchtmöglichkeit sieht, sagt Braun. Auf jeden Fall sollte man Abstand halten. Verwalter Ihlefeldt empfiehlt zudem den Besuchern mit Hunden, abgelegene Areale des Friedhofs in den nächsten Wochen zu meiden, angeleint sind Hunde ansonsten auf dem Südwestkirchhof erlaubt. Hagen Ludwig

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