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Aufräumen in Kreuzberg. Bis in die frühen Morgenstunden beseitigte die Stadtreinigung die Überreste des Myfests.

© dapd

Mai-Wochenende: Körting zieht Bilanz mit Schönheitsfehler

Innensenator Körting lobt den Polizeieinsatz am 1. Mai und greift Christian Ströbele an, der die Steinwürfe auf Banken als "Schönheitsfehler" bezeichnete. Renate Künast verurteilt die Gewalt.

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Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zeigte sich „hoch zufrieden“ mit dem Verlauf des 1. Mai. Und Polizeipräsident Dieter Glietsch kommentierte seinen letzten 1.-Mai-Einsatz so: „Es gab keine stundenlangen Steinwürfe und die 18-Uhr-Demo ist nicht aus dem Ruder gelaufen.“ Knapp 7000 Polizisten, davon 3000 aus dem Bundesgebiet, haben die Gewalt bei den Kreuzberger Maifeiern auf ein neues historisches Tief zurückgedreht. Beschädigt wurden die Scheiben an zwei Banken, wenigen Geschäften und einer BVG-Haltestelle, das war’s. Nach dem überraschenden Ende der – wiederum äußerst aggressiven – 18-Uhr-Demo bereits am Hermannplatz sei es gelungen, die Krawallmacher zu zerstreuen. Anders als in den Vorjahren, als die Demo immer direkt am Myfest endete, mussten die Chaoten an diesem 1. Mai erst einmal lange Wege zurücklegen, um zu Fuß nach Kreuzberg zurückzukommen. Die BVG hatte auf Anweisung der Polizei den Bahnhof Hermannplatz abgesperrt. So gab es unter der Hochbahn am Myfest erst ab etwa 22 Uhr einzelne kleine Scharmützel mit den massiv postierten Einheiten der Bereitschaftspolizei. Auf dem gut besuchten Volksfest gab es keine Gewalt – sonst waren zwischen den Bühnen am Abend regelmäßig Container und Barrikaden in Flammen aufgegangen. Die Behörden zählten 24 000 Besucher beim Myfest.

Glietsch sagte, dass das Einsatzkonzept immer weiter verbessert worden sei, vor allem bei den sogenannten „beweissicheren“ Festnahmen. So erhielten 15 der 58 in der Walpurgisnacht festgenommenen Randalierer einen Haftbefehl. Noch vor zehn Jahren mussten die meisten Festgenommenen mangels Beweisen wieder freigelassen werden. Nun werden die Taten per Video dokumentiert und die Verdächtigen möglichst ohne großes Aufsehen festgenommen. Mittlerweile gelingt dies so unauffällig und professionell, dass die Festnahmen kaum noch umstehende Demonstranten provoziert. Am 1. Mai wurden 103 Personen festgenommen. Davon sollen 18 dem Haftrichter vorgeführt werden. Dieses Ergebnis wird erst am Dienstag bekannt. An beiden Tagen kamen 161 Personen in die Gefangenensammelstelle, deutlich weniger als 2010 mit 487.

An beiden Tagen zusammen wurden 100 Polizisten leicht verletzt, niemand musste ins Krankenhaus. Wie berichtet, müssen Polizisten jede kleine Blessur melden, um keine versorgungsrechtlichen Schwierigkeiten zu bekommen. Unter den 9000 Teilnehmern der 18-Uhr-Demo seien rund 1000 gewaltbereite Personen gewesen, sagte Glietsch, jedoch kaum Migranten. Wie berichtet, wollten Linksextremisten nach den Volksaufständen in Nordafrika eine „Querfront“ mit Migranten schmieden. Körting nannte dies ein „Fantasieprodukt einiger Linker“.

Glietsch resümierte, dass in den vergangenen neun Jahren die Zahl der Festnahmen und Haftbefehle tendenziell gestiegen sei, die Zahl der Sachschäden dagegen abgenommen habe. Dies war der letzte Mai-Einsatz für Glietsch, der am Montag 64 Jahre alt wurde und das Amt des Polizeipräsidenten abgibt.

Kritisch bewertete der Innensenator die Äußerung des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, der nach der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ die massiven Steinwürfe auf zwei Volksbanken als „Schönheitsfehler“ bezeichnet hatte. „Ströbele hat offensichtlich Narrenfreiheit“, bedauerte Körting. „Mit seiner Äußerung hat er indirekt gesagt, dass er nichts dagegen hat, bei anderen Banken Steine zu schmeißen“, sagte der SPD-Politiker. Körting betonte, dass sich die Grünen vor den Wahlen im Herbst klar gegen Gewalt aussprechen müssen. „Ich erwarte eine Distanzierung.“ Die kam deutlich von der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast. „Wir lassen uns das Recht zum friedlichen Demonstrieren von niemandem nehmen. Gewalt, Zerstörungen und die Gefährdung von Leben und Gesundheit – egal ob Demonstranten oder Polizisten – haben auch auf Demonstrationen nichts zu suchen“, sagte Künast dem Tagesspiegel. „Ich freue mich, dass der 1.Mai in diesem Jahr sehr viel ruhiger verlaufen ist als in der Vergangenheit. Das ist zuallererst ein Erfolg der Veranstalter des Kreuzberger Myfests, des Bezirkes und ein Erfolg der Polizei, deren Strategie diesmal aufgegangen ist.“ Fraktionschefin Ramona Pop sagte: „Jegliche Form von Gewalt, auch Sachbeschädigung, ist nicht hinnehmbar.“

Zu Ströbeles Äußerung wollten die Grünen-Politikerinnen direkt keine Stellung beziehen. Die Verärgerung über Ströbele ist bei vielen Grünen aber hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen. Der Parteilinke müsse akzeptieren, dass auch von Linken Gewalt ausgehen könne und dies nicht schöngeredet werden dürfe, hieß es.

Ströbele, der zweimal das Direktmandat für den Bundestag in Friedrichshain-Kreuzberg gewann, versuchte seine Äußerung am Montag zurechtzurücken. „Mit Schönheitsfehler meinte ich, dass die Steinwürfe an dem bis zu dem Zeitpunkt friedlich verlaufenen Tag das positive Bild gestört haben. Das bedauere ich. Diese Zerstörungen waren falsch, schlimm und beschissen“, sagte Ströbele auf Anfrage. Er setze sich „dafür ein, dass keinerlei Gewalt auf Demonstrationen stattfindet“. Interpretationen, er würde Steinwürfe gegen andere Banken als die betroffene Genossenschaftsbank legitimieren, bezeichnete er als „absoluten Schwachsinn“.

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