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Die Kastanienallee im Prenzlauer Berg: Wohl kaum eine Ecke in Deutschland ist mit so vielen Klischees behaftet.

© dpa

Mamma Macchiato: Spott und Häme: Prenzlauer Berg bekommt Musical

Der Prenzlauer Berg bekommt, was er verdient: ein eigenes Musical. Schließlich ist es in Berlin ein kleiner Volkssport, über das Viertel zu lästern.

Was in England das Wetter, ist in Berlin der Small-Talk über die Bezirke. Wer in Prenzlauer Berg wohnt, muss sich auf Partys manchmal verteidigen wie ein Kampfhundbesitzer: Nein, so schlimm ist es nicht mit den vielen Kleinfamilien. Und nein, nicht alle sind aus Schwaben, fahren Volvos, kaufen im Biomarkt und nennen ihre Kinder Theodor und Friedrich. Wohl kaum ein Viertel in Deutschland ist mit derart vielen Klischees behaftet wie der Kiez rund um den Kollwitzplatz und die Schönhauser Allee. Und wohl keines hat sich in den letzten Jahren so verändert.

Grau ist der Osten längst nicht mehr, sondern seit gut zehn Jahren voller Cafés, Boutiquen und edler Dachgeschosse. Ähnlich wie in Kreuzberg sind viele bürgerliche Besserverdiener aus der „Bionade-Bohème“ zugezogen. Diese trauert den Zeiten nach, als die Wohnungen noch Kohleheizung und kein Telefon hatten. Der Prenzlauer Berg war mal ein großer Abenteuerspielplatz, heute gehen die Hipsters lieber in Neukölln aus.

Auf der Bühne ist der Spott über den Szene-Kiez fast ein eigenes Sub-Genre, gehegt von Berliner Kabarettisten wie Fil und Rainald Grebe. „Schwarz-Grün wird die Republik / hier ist sie es schon / auf dem Nachttisch die Bibel und der Manufactum-Katalog“, singt Grebe. Dankbar spießt er Allgemeinplätze auf wie „Für mich ist Berlin im Augenblick wie New York vor 25 Jahren“.

Stoff gibt es dank der Schlagzeilen aus dem Prenzlauer Berg reichlich: Ein Café richtet eine eigene Ecke ein, in der kein Babygeschrei die Arbeit am Laptop stören soll. Und die Polizei fahndet nach Dieben, die gezielt teure Kinderwagen aus dem Hausflur klauen - von der „Soko Bugaboo“ ist die Rede. Zur Weihnachtszeit tauchen Plakate auf, die den Exil-Schwaben eine gute Heimreise wünschen.

Ab Dezember widmet sich nun ein alternatives Musical dem Viertel. „Mamma Macchiato“ wird in der Kulturbrauerei laufen, vor deren Tür die sprichwörtlich gewordenen Biomärkte und Yoga-Studios liegen. Der Inhalt: Zwei Geschwister verkaufen Latte Macchiato an Yuppies und Kampfmütter, doch eines Tages ist die Milch alle. Es ist eine Mischung aus Revue und Blödelei mit „Rumba Gentrificado“, bis am Ende die Mutter aus Schwaben anreist und mit dem i-Pad erschlagen wird.

„Der Wirt schlägt Alarm / Die Bionade wird warm“ und „Kita-Plätze sind rar / Der Anwalt schon da“, trällert das Ensemble im Lied „Frühling im Prenzlauer

Berg“. Die Theatergruppe wohnt selbst im Viertel und betrachtet die eigene Veränderung hin zum Spießertum mit Ironie, wie Pressemann Hendrik Weber lachend erzählt. „Ich trinke keinen Latte Macchiato mehr, seitdem ich das Stück mache.“ (dpa)

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