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Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist viermal für Hamburg in den Bundestag gewählt worden. Nun will er in Potsdam antreten.

© Kay Nietfeld/dpa

„Man muss auf dem Marktplatz ansprechbar sein“: Olaf Scholz bald Bundestagsabgeordneter für Potsdam?

Der Vize-Kanzler bewirbt sich um Bundestagsmandat in Potsdam – und muss im Wahlkampf gegen Annalena Baerbock und Linda Teuteberg antreten.

Er wohnt ganz in der Nähe der Glienicker Brücke, nun möchte Olaf Scholz für Potsdam in den Bundestag. Der Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler bewirbt sich um ein Direktmandat für die Bundestagswahl im nächsten Jahr. „Direkt gewählter Abgeordneter – das ist das höchste Amt, das man in Deutschland erreichen kann“, sagte Scholz am Freitag bei einer Pressekonferenz im Regine-Hildebrandt-Haus, der Brandenburger SPD-Zentrale.

Denn weder Vizekanzler noch Minister würden direkt gewählt. Es sei eine Ehre für ihn, sich hier zu bewerben. „Meine Erfahrung ist: Man muss da kandidieren, wo man auch lebt“, sagte der 61-Jährige. „Man kann nicht ein Abgeordneter sein, der einmal im Monat vorbeikommt.“ Die SPD-Parteibasis wird über die Kandidatur im Herbst befinden können.

Scholz, der Regierungschef in Hamburg war, dort viermal direkt in Bundestag einzog, lebt seit zwei Jahren in Potsdam. Er ist mit der brandenburgischen Bildungsministerin Britta Ernst verheiratet und gilt als Anwärter auf die SPD-Kanzlerkandidatur. Ob er diese anstrebt, ließ Scholz am Freitag erneut offen. Wer antritt werde die SPD in diesem Jahr entscheiden, früher als bei der letzten Bundestagswahl, und gemeinsam. Man werde in der Partei „an einem Strang ziehen“.

Angesichts des Tiefs in den Umfragen ergänzte Scholz, die Partei werde nur stark, wenn sie zusammenhalte. Er hoffe, dass er mit seinem Wirken, auch jetzt mit dem Wahlkreis in Brandenburg, beitragen könne, „dass die Werte der SPD besser werden“.

So oder so: Mit seiner Ankündigung dürfte Brandenburgs Hauptstadt bei der Bundestagswahl 2021 einer der spannendsten Schauplätze in Deutschland werden. Hier drängelt sich inzwischen einiges an Politprominenz: Als sicher gilt, dass im Wahlkreis 61 auch die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock antreten wird, die in Potsdam populär und politisch verwurzelt ist und in ihrer Partei ebenfalls als potenzielle Kanzlerkandidatin gilt. Und es ist der Wahlkreis von FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg.

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Zum direkten Zweikampf mit Baerbock, auf den es hinausläuft, sagte Scholz: „Es ist eine sehr engagierte Politikerin, mit der ich gut auskomme.“ Politischer Wettbewerb gehöre dazu. Er sei dabei grundsätzlich gegen eine falsche Schärfe, gegen einen Stil der Auseinandersetzung, „der sich in der Politik aus meiner Sicht auch nicht gehört“.

Bei der SPD ist Bundestagswahlkreis 61 vakant

Bei der Bundestagswahl 2017 hatte die SPD-Kandidatin Manja Schüle das Direktmandat in diesem Wahlkreis geholt, das einzige für die SPD in ganz Ostdeutschland, und zwar knapp vor ihrer CDU-Konkurrentin Saskia Ludwig. Diese ist inzwischen in den Bundestag nachgerückt, und will ebenfalls wieder kandidieren. Bei den Sozialdemokraten ist der Bundestagswahlkreis 61, zu dem auch Teile von Potsdam-Mittelmark und von Teltow-Fläming gehören, seit einem halben Jahr vakant.

Grund ist, dass Schüle als Wissenschaftsministerin ins Kabinett von Ministerpräsident Dietmar Woidke gewechselt war. Manche in der Partei hatten erwartet, dass die langjährige Potsdamer Landtagsabgeordnete und Vize-Bundeschefin Klara Geywitz antreten wird, die sich vergeblich mit Scholz um den SPD-Parteivorsitz beworben hatte. Doch Geywitz, die mit Scholz befreundet ist, verzichtet auf eine Kandidatur.

Die Innenstadt von Potsdam. Scholz wohnt in der Nähe der Glieniker Brücke.
Die Innenstadt von Potsdam. Scholz wohnt in der Nähe der Glieniker Brücke.

© Soeren Stache/dpa

Bisher hat Scholz, wie bei diesem Auftritt in der SPD-Zentrale deutlich wurde, allerdings noch eher eine Beziehung zur zur Stadt als zu deren Bewohnern. „Wir haben uns diese Stadt erschlossen, persönlich sehr schätzen und lieben gelernt“, sagte Scholz. Es lohne sich, die Landschaft sorgfältig zu erkunden, „beim Wandern, Fahrradfahren und Joggen“.

Er versicherte aber, im Wahlkreis präsent zu sein. Er sei viermal direkt in den Bundestag gewählt worden, habe immer „sehr viel Wahlkreisarbeit gemacht“, sagte er. Das werde auch hier so sein. „Die Bürger verdienen es, dass man da ist, dass man vor Ort ist. Man muss jemand sein, der auf dem Marktplatz ansprechbar ist.“ Sein Lieblingsformat seien „Stadtteilgespräche“.

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Für Brandenburgs SPD, die gerade den 30. Jahrestag ihrer Gründung feierte, ist eine Kandidatur von Bundesprominenz nichts Neues. Viele Jahre hatte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, inzwischen Bundespräsident, seinen Wahlkreis  um die Stadt Brandenburg und auch die SPD-Landesliste zur Bundestagswahl angeführt, was nun ebenfalls auf Olaf Scholz hinausläuft. „Mit Vize-Kanzlern als Kandidaten haben wir in Brandenburg gute Erfahrungen gemacht“, sagte SPD-Generalsekretär Erik Stohn.

Anpacken statt schwadronieren

Überhaupt sei Scholz’ „hanseatisches Auftreten“ der Brandenburger Mentalität sehr nahe. Man schwadroniere hier nicht viel, sondern packe die Dinge an. Ähnlich äußerte sich Dietmar Woidke, Brandenburgs SPD-Landeschef und Ministerpräsident. „Ich freue mich sehr, dass er seinen Hut hier in den Ring wirft, Olaf Scholz wird Brandenburg gut tun.“ Und es gebe die Gemeinsamkeit, scherzte Woidke, „unser andalusisches Temperament gut verbergen“ zu können.

Brandenburgs Regierungschef ließ deutlich anklingen, dass Scholz sein Favorit für die K-Frage in der SPD wäre, für die offene Frage der Kanzlerkandidatur. Die Entscheidung stehe aus, sagte Woidke. „Aber dass er als einer der bekanntesten und beliebtesten Politiker in Deutschland da eine wichtige Rolle spielen muss, liegt völlig auf der Hand.“

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