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Berlin: Man spricht deutsch – sicherheitshalber

Die NPD baut in Köpenick neben ihre Zentrale noch ein Schulungszentrum: Einige Nachbarn reagieren verunsichert, andere haben sich mit der Situation arrangiert

Wenn die Kinder auf dem Hof spielen, sollen sie nur deutsch sprechen, hat die Mutter ihnen gesagt. Der Vater, Werner Martens (Name geändert), erwähnt es nebenbei. Er bleibt gelassen, wenn er über seinen Nachbarn nachdenkt, die NPD-Parteizentrale. Seine Frau, ja, die habe Angst. Seine Frau ist Polin. Und die polnische Verwandtschaft, so sagt Martens, war „schockiert“, als sie letztens auf Besuch in die Köpenicker Seelenbinderstraße kam. Das Kinderzimmer geht zum Hof, mit Blick aufs NPD-Territorium. Im Sommer hielten die Neonazis dort Pressekonferenzen im Freien ab. Martens hat manchmal am offenen Fenster gelehnt und ihnen zugehört. Er verfolge jetzt alle Berichte über die rechtsextreme Partei intensiver, sagt er.

Wie viele andere im Bezirk. Seit die Parteizentrale der NPD vor drei Jahren nach Köpenick gezogen ist. „Wenn ein Bezirk mit den Rechten fertig wird, dann unserer“, sagt Ernst Welters, PDS-Fraktionsvorsitzender in der BVV. Es wurden Bündnisse gegen Rechts geschmiedet, Demos organisiert, Diskussionen und Ausstellungen veranstaltet. Zumindest im Kernbereich von Köpenick hat die „rechte Szene“ bisher kaum Fuß fassen können. Doch jetzt baut die NPD ihr Hauptquartier aus. Im Sommer soll das „Nationaldemokratische Bildungszentrum in der Reichshauptstadt“ fertig sein, mit Schulungsraum, Bibliothek und Zimmern für Seminarteilnehmern. Die Baugenehmigung wurde im Frühjahr 2003 erteilt, rechtlich war nichts zu beanstanden. Nun fehlen noch 25000 Euro an Spendengeldern, sagt NPD-Sprecher Klaus Beier. „Aber daran wird es nicht scheitern.“

Bürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) ist die Lage nicht angenehm. Um zu zeigen, dass man politisch nicht unterstützt, was man baurechtlich genehmigt wurde, will das Parteienbündnis gegen Rechtsextremismus, dessen Schirmherr Ulbricht ist, gegenüber der NPD ein „Zentrum für Demokratie“ einrichten. Auch dort soll es Seminare geben, etwa ein Argumentationstraining gegen rechte Propaganda. Den Nachbarn dagegen scheinen NPD-Zentrale und geplantes Schulungszentrum egal zu sein. Was stört, sind Schmutz und Baulärm. „Sonst tun die uns nix“, sagt eine junge Frau, Krankenpflegerin. Für Politik habe sie keine Zeit, schlimmer als die Rechten seien auf jeden Fall die „Grünen“, die einen vollquatschten. Harry Schatz, Rentner, ehemals Volkspolizist, lobt, dass die Nachbarn von der NPD immer freundlich grüßen, außerdem sei auch alles ganz sauber. Wählen möchte er die NPD trotzdem nicht. „Generell nicht leiden“ kann Fernfahrer Michael Riedel die Rechten. Er wohnt gegenüber und weiß von viel Unruhe, als die NPD in die Seelenbinderstraße 42 zog: Nazis-raus-Rufe, Brandanschläge, nächtliche Plakataktionen. Inzwischen sei es ruhiger. Riedel hat sich arrangiert mit der NPD. Sie belästigt ihn nicht mehr, nicht mal mit Werbung. „Glatzen“ sehe auch nicht rumlaufen, nur „Ortsgruppenleiter“ mit Schlips.

Bei den jüngsten Wahlen zum Abgeordnetenhaus bekam die Partei 50515 Stimmen in dem Stimmbezirk, zu dem die Seelenbinderstraße gehört. Bei einer geringen Wahlbeteiligung waren das acht Prozent, weit über dem Bezirksdurchschnitt. NPD-Gegner sagen, rechte Sympathisanten seien extra dort hingezogen, um ihre Parteileitung zu unterstützen. Von der ist tagsüber aber nicht viel zu sehen. In der NPD-Zentrale sind die Rollläden halb geschlossen, der Fahnenschaft über dem Eingang ist meistens leer. Das Haus wirkt unbewohnt. Dabei hatte Parteichef Udo Voigt vor drei Jahren beim Einzug noch angekündigt, die Fahne werde, wie damals, auch in Zukunft weithin sichtbar über dem Haus wehen.

Ein paar Häuserblocks von der Parteizentrale entfernt wird das Treiben der NPDintensiv beobachtet. „Die schleichen rein und wieder raus, ganz heimlich“, sagt Marianne Heimann von der Ludwig-Turek-Bibliothek. Wegen der vielen Nachfragen aus umliegenden Schulen hat sie reichlich Fachbücher über das Dritte Reich im Regal stehen. Sogar Abbildungen verbotener Abzeichen kann man bei ihr einsehen. „Wir haben schon mal mit Material vom Verfassungsschutz ein Schaufenster gestaltet.“ Die NPD-Leute hätten sich aber noch nie blicken lassen.

Als Rettungsanker könnte sich der Ausbau der NPD-Zentrale paradoxerweise für das „Café“ erweisen, ein grellbunt bemaltes Haus der Köpenicker Punk-Jugend. Das „Café“ kämpft derzeit dagegen, geschlossen zu werden – und hat nunmehr ein neues Argument: Die Straße braucht ein politisches Gegengewicht zur NPD, schon rein optisch. Conny Heidrich, die Sprecherin der Initiative „bunt statt braun“, spricht von „gelebter Gegenkultur“: „Das Café jetzt zu schließen wäre ein blödes politisches Signal.“ Bei Jugendlichen würde das etwa so rüberkommen: Die NPD baut aus – und die linke Alternative wird kaputtgespart.

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