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Berlin: Manfred Ackermann: Zum Abschied ein Schlüssel-Erlebnis

Draußen, vor den hohen Fenstern, lebt die Stadt ihren schnellen Gang, aber hier drinnen im Restaurant des Hotels Unter den Linden perlt der Champagner im Glase. Aidas Triumphmarsch lässt die Dekorationen zittern.

Draußen, vor den hohen Fenstern, lebt die Stadt ihren schnellen Gang, aber hier drinnen im Restaurant des Hotels Unter den Linden perlt der Champagner im Glase. Aidas Triumphmarsch lässt die Dekorationen zittern. Festlich gestimmte Damen und Herren applaudieren einem Defilee von Gaben und guten Wünschen. In bunten, an die Wand geworfenen Bildern zieht das Leben des Jubilars vorbei, der seinen Beruf von der Pike auf gelernt hat: Kochlehrling im elterlichen Betrieb im thüringischen Schnepfenthal, dann Küchenchef, Hotelfachmann, und schließlich hoch und höher in mehr und mehr prestigeträchtigen Positionen bei der Vereinigung "Interhotel": Im "Erfurter Hof", als Direktor vom Weimarer "Elephant", vom "Panorama" in Oberhof, vom "Stadt Berlin" auf dem Alex, dem Berolina- und dem Grand-Hotel, am längsten zwölf Jahre Generaldirektor im "Palasthotel" - summa summarum 50 Jahre Dienst am Gast. Und nun der feierliche Schluss: Manfred Ackermann ist 65 Jahre alt und wird als "Urgestein der Ost-Berliner Hotellerie" gepriesen und aus dem Dienst verabschiedet.

Für 11 Uhr 57 hat das Protokoll den "Einzug ehemaliger Mitarbeiter des Palasthotels mit Überreichung je einer Rose" vorgesehen, und nach der Rede des Bezirksbürgermeisters Joachim Zeller ("Danke dafür, dass Mitte zu einem prominenten Hotelstandort in Deutschland wurde") schwebt die weiße Wolke der Küchenmeister ins Restaurant. Bis jetzt ist Manfred Ackermann - mal jovial, mal lächelnd, immer freundlich - angesichts der Elogen über seine fachlichen Qualitäten nicht aus der Fassung geraten, aber nun fährt er sich verlegen durchs graue Haar und staunt: "Wir haben Ihnen ein ganz besonderes Geschenk mitgebracht - den letzten Generalschlüssel vom Palasthotel".

Ein Stückchen Stahl, hübsch verpackt. Ein Souvenir fürs Schlüsselbund oder für die Anrichte, als Türöffner zunehmend ungeeignet. Ein Gruß aus alten Zeiten. Vergangenheit. Während sich Manfred Ackermann in seinem Linden-Hotel über das Päckchen Nostalgie beugt, machen sich 1500 Meter weiter östlich Abbruchleute und Bauhandwerker in jenem Gebäude zu schaffen, das Manfred Ackermann zwölf Jahre lang mit dem Generalschlüssel des Generaldirektors geleitet hatte. Noch beherrscht der breite braune Bau mit den wabenförmigen dunklen Spiegelglasfenstern die Ecke zwischen Spree und Spandauer Straße. Aber das Haus, das seit 1992 den Namen Radisson SAS trägt, schloss am 30. November mit einer Abschiedsparty seine eloxierten Glastüren. Seither wird ausgeräumt: Alles, was für andere Hotels brauchbar scheint, ist in der Halle gestapelt, Lampen, Geschirr, Mobiliar.

Am Empfang haben sie schon ein paar Goldbuchstaben vom "Check in" und "Check out" geklaut, nur die dekorativen Glasfäden der riesigen Hallenlampe am geschwungenen Treppenaufgang sind noch leuchtend intakt und geben der Tristesse ihren Segen.

21 Jahre sind ein Klacks für ein zwischenzeitlich mit Millionenaufwand renoviertes, gut gehendes Hotel - aber: Ein Besitzer kann mit seinem Eigentum machen, was er will. Und der Eigner des einstigen Palast- und späteren Radisson-Hotels ist die Difa (Deutsche Immobilienfonds AG), sie hatte Anfang 1994 das Radisson gekauft und "damit die Absicht verknüpft, diesem herausragenden Standort an Dom, Alexanderplatz und Museumsinsel eine ideale Nutzung zu verleihen und das Grundstück dafür optimal auszunutzen", sagt Vorstandsmitglied Jürgen Ehrlich. Das neue Haus soll größer, moderner und mit der Attraktion einer Bäderlandschaft und eines 30 Meter hohen, von Lifts durchströmten Aquariums versehen werden; schon am 15. Januar wird der Grundstein neben dem Hotel, nahe dem Ufer der Spree, gelegt, und im Herbst 2003 könnte dann das (wieder von Radisson betriebene) "Dom Aquarée" fertig sein.

Bis dahin erleben wir - wie schon einmal während der Bauzeit zwischen 1976 und 1979 - ein fotogenes Ballett der Kräne gegenüber dem Dom. Für Manfred Ackermann ist "sein" Palasthotel heute schon Geschichte. Das Fünf-Sterne-Haus war jahrelang Ost-Berlins Paradehotel, in dem man nur "gegen West" übernachten und vielerlei Annehmlichkeiten genießen konnte. Aber "wir wollten nie ein reiner Valuta-Schuppen, sondern nach unseren Möglichkeiten für alle Berliner da sein", sagt der ehemalige Direktor heute und zählt auf: Cafés, Restaurant, Nante-Eck mit Brunch und Jazz und das asiatische "Jade", in dem monatelang vorbestellt werden musste.

Das Gästebuch des Hotels ist ein Who is who der Prominenz aus Kunst und Politik - von Bernstein bis Gorbatschow, von Brandt, Rau, Mitterrand bis Günther Netzer. "Unser Haus war wie eine Insel. Eine andere Welt. Ein Luxusdampfer. Alles, was wir damals im Dienst für den Gast gelernt hatten, konnten wir nach der Wende gut gebrauchen", sagt eine ehemalige Mitarbeiterin des Palasthotels - Kompliment für Manfred Ackermann.

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