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Vater und Sohn an der Elbe. Das Hormon Testosteron spielt eine Rolle dabei, wie Männer sich bei der Partnersuche und als Väter verhalten. Einer Studie zufolge ist nach der Geburt des Nachwuchses der Testosterongehalt niedriger ist als vorher.

© picture alliance / dpa

Mangel an Testosteron: Der Stoff, aus dem die Kerle sind

Männer, die zu wenig Testosteron haben, können krank werden. Wie Betroffene die richtige Hormontherapie finden.

Es begann zuerst schleichend, dann wurden die Symptome beängstigend. Ab seinem 45. Lebensjahr bemerkte Markus Schlichter (Name geändert), dass er immer öfter nicht gut drauf war. Zwei Jahre später wurde aus der Antriebsschwäche eine anhaltende, ausgewachsene Depression, und auch die Lust auf Sex war fast verschwunden. Schlichter ging zum Arzt. Der riet ihm, seinen Testosteronwert bestimmen zu lassen. Das seien typische Symptome eines Mangels an Testosteron, den manche Ärzte auch Wechseljahre des Mannes nennen. Und tatsächlich: Der Hormonspiegel in Schlichters Blut lag weit unter normal.

Testosteron ist das hormonelle Gegenstück zum Östrogen

Testosteron ist das für die männliche Sexualentwicklung verantwortliche Hormon und das Gegenstück zum Östrogen bei der Frau. Es lässt den Bart und die Körperbehaarung sprießen, regelt die Spermienproduktion, führt zum Stimmbruch, lässt Muskeln wachsen und Fett schmelzen, festigt die Knochen, begünstigt die Erektion, beeinflusst die männliche Psyche und weckt die Lust auf Sex. Oder kurz: Testosteron macht aus Jungen Männer und ist verantwortlich dafür, dass sie Männer bleiben. So lange jedenfalls, wie die Hormonproduktion reibungslos funktioniert.

Bei gesunden Männern tut sie das bis etwa zum 40. Lebensjahr auch, danach sinkt der der Hormongehalt jährlich um ein bis zwei Prozent, ein normaler Prozess. Allerdings können bestimmte Erkrankungen wie auch einige Medikamente dazu führen, dass er schon früher und heftiger auf unter normal abfällt.

Ein niedriger Testosteronwert ist aber zunächst einmal einfach nur ein Zahlenwert, der noch nichts über körperliche Beschwerden aussagt. „Patienten mit einem höheren Wert können trotzdem Symptome eines Mangels haben, Männer mit einem relativ niedrigen Serumwert beschwerdefrei leben“, sagt Sven Diederich, Ärztlicher Leiter des Endokrinologicum Berlin am Gendarmenmarkt. Diederich ist Androloge und Endokrinologe, also auf die Behandlung von Hormonstörungen spezialisiert.

Geringe Testosteronwerte, weniger Lust auf Sex

„Erst wenn ein Patient wegen der typischen Symptome den Arzt aufsucht, sollte dieser den Testosteronspiegel messen, um zu klären, ob die Beschwerden daher stammen“, sagt Diederich.

Welche Symptome können das sein? Schon bei geringfügig unterschrittenen Testosteronwerten kann die Lust auf Sex spürbar gedämpft oder ganz verloren sein. Depressionen, Schlafstörungen oder auch eine Konzentrationsschwäche sind weitere mögliche Folgen. Und schließlich können Hitzewallungen und bleibende Erektionsstörungen den Mann quälen. Ein Mangel an Testosteron kann also die Lebensqualität massiv beeinträchtigen. „Der betroffene Mann ist krank, der Hormonmangel muss behandelt werden“, sagt Diederich.

Wenn ein Testosteronmangel Krankheitssymptome auslöst, dann sprechen Ärzte vom Hypogonadismus. „Wir unterscheiden zwischen einem primären und einem sekundären Hypogonadismus“, sagt Sven Diederich. Bei ersterem sind die hormonproduzierenden Zellen im Hoden gestört, bei letzterem funktioniert der Regelkreis zwischen Hirn und Hoden nicht korrekt, sodass die Hormonproduktion nicht ausreichend stimuliert wird.

Um die richtige Therapieoption zu wählen, muss der Arzt zunächst die Huhn-Ei-Frage klären: Was war zuerst da? Hat der Testosteronmangel zu den Krankheitssymptomen geführt – oder haben bestimmte Erkrankungen das Symptom Testosteronmangel ausgelöst? Denn bei Letzterem muss die ursächliche Krankheit therapiert werden.

Wenn der Hormonhaushalt in Ordnung gebracht werden muss, dann stehen dem Doktor einige Möglichkeiten zur Verfügung. Und diese hängen wiederum davon ab, ob der Mann sich noch Kinder wünscht. Denn dann hilft es nicht, künstlich Testosteron zuführen. Das würde die Spermienproduktion, die durch den Hormonmangel beeinträchtigt ist, auch nicht wieder beflügeln. Das geht nur, wenn die Medizin in den Regelkreislauf zwischen Hirn und Keimdrüsen eingreift und die Stoffe, mit denen normalerweise das Gehirn die Testosteronproduktion im Hoden stimuliert, verabreicht.

Hormonspritze in die Muskeln hilft

Ist der Kinderwunsch kein Thema, wird der Arzt Testosteronpräparate verschreiben, die am häufigsten per Spritze direkt in die Muskeln injiziert oder über die Haut verabreicht werden, zum Beispiel durch ein Gel, das aufgetragen wird.

Markus Schlichter bekam von seinem Urologen eine Testosteronaufbaukur verordnet. Dazu erhielt Schlichter alle acht Wochen eine Spritze, nach den ersten drei Dosen prüfte der Arzt die Testosteronwerte. Und tatsächlich waren diese bei dem 47-Jährigen auf Normalwert erhöht – und die Symptome abgeklungen.

Die Testosterongabe hat bei erkrankten Männern also positive Effekte. Nun sind viele dieser Mangelsymptome – Antriebsschwäche, Libidoverlust, Erektionsprobleme, Muskelabbau – auch typische Altersbeschwerden. Kein Wunder also, dass manche Testosteron für ein perfektes Anti-Aging-Medikament halten. In den USA wird offenbar besonders fest daran geglaubt. Nur so ist zu erklären, dass dort auffällig vielen Männern über 40 Jahren ein Testosteronpräparat verschrieben wird – und das oft, ohne zuvor bestimmen zu lassen, ob überhaupt ein Hormonmangel vorliegt.

Aber: Testosteron als Aufbaupräparat hat Nebenwirkungen

Doch Ärzte warnen deutlich davor, Testosteron als Aufbaupräparat gegen den Altersprozess zu nutzen. Die unerwünschten Nebenwirkungen seien nämlich durchaus relevant: Dazu zählen eine Überproduktion von roten Blutkörpcherchen im Knochenmark, die Thrombosen begünstigt, Ödeme, Leberfunktionsstörungen, eine Verschlechterung von bestehenden Schlafstörungen, eine Vergrößerung der Prostata oder auch eine Erhöhung der PSA-Werte. Möglicherweise kann Testosteron einen vorhandenen Prostatatumor zum Wachstum anregen.

Dabei kann der Mann auch selbst einiges für sich tun, ohne Arzneimittel und deren Nebenwirkungen. „Oft hilft man dem Patienten mehr, wenn man ihn über die Risiken seines Lebensstils aufklärt, als mit einer medikamentösen Testosteronersatzherapie“, sagt Diederich. Denn wer Stress und Burn-out oder starkes Übergewicht ab einem BMI von 30 vermeidet, kann seinen Testosteronspiegel verbessern und damit auch viele Folgen eines Mangels verhindern.

Die Hoden produzieren täglich fünf bis sieben Milligramm Testosteron. Wie viel davon ins Blut gelangt, regelt das Gehirn, das alle 90 bis 120 Minuten mit einem Botenstoff die Hormonproduktion stimuliert.

Der normale Gehalt an freiem Testosteron im Blut (Serumspiegel) liegt für einen gesunden Mann zwischen acht und 35 Nanomol pro Liter Blut (nmol/l). Die Konzentration ist morgens am höchsten.

Unterhalb von 8 nmol/l wächst die Wahrscheinlichkeit für einen behandlungsbedürftigen Testosteronmangel. Dann können Symptome wie zum Beispiel Depressionen und Libidoverlust auftreten.

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