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Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung beim Besuch der JVA Plötzensee am Friedrich-Olbricht-Damm in Berlin.

© DAVIDS/Florian Boillot

Mangelnde Gleichstellung in der Berliner Justiz: Frauenvertreterin klagt gegen Justizsenator

Der Justizsenator hat Ärger mit den Frauenvertreterinnen in seinem Ressort. Am Donnerstag musste er sich vor Gericht verantworten.

Es war ein unangenehmer Termin für Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Am Donnerstag wurden in Saal 320 des Oberverwaltungsgerichts drei Klagen gegen ihn verhandelt. Die Gesamtfrauenvertreterin der Justiz, Anne-Kathrin Becker, hatte den Senator verklagt. Sie will bei allen relevanten personellen Entscheidungen beteiligt werden. Der Justizsenator aber will das nicht, er hält Becker – nach dem Gesetz – für nicht zuständig. Behrendt selbst erschien nicht vor Gericht.

Drei Personalentscheidungen werden verhandelt

Etwa ein Dutzend Frauen drängen sich am Morgen auf den wenigen Stühlen im holzvertäfelten Verhandlungssaal, alles Frauenvertreterinnen aus der Justiz. Sie sitzen hier, um ihre kämpferische Gesamtfrauenvertreterin Becker zu unterstützen. Eins wird klar: Der Justizsenator, der zur selben Zeit mit einem handfesten Sicherheitsskandal am Kammergericht zu tun hat, hat sich bei den Frauen nicht eben beliebt gemacht. Ihnen geht es um die Frage: „Wollen wir Frauen fördern oder reden wir nur davon?“

Verhandelt werden an diesem Tag drei alte Personalien, an denen sich Becker nicht ausreichend beteiligt sah. Die Besetzung von zwei JVA-Leitern, den Vorschlag für eine Bundesrichterstelle und die Berufung eines Richters. In erster Instanz hatte sie bereits verloren, ging aber in Berufung. Denn weil sie damals nicht einbezogen wurde, sieht sie ihren Auftrag in Gefahr, Frauen zu fördern. Auch heute noch müsse sie oft betteln, beteiligt zu werden, sagt sie.

Anne-Kathrin Becker: „Die Frage ist, haben wir ordentliche Beteiligungsrechte oder ist das alles ein Gnadenakt und der Senator macht am Ende, was er will?“ Die Position der Justizverwaltung, die auch für Antidiskriminierung zuständig ist: Für die drei Besetzungsverfahren – insbesondere für Richterinnen und Richter – gilt das Berliner Gleichstellungsgesetz nicht. Aus Justizkreisen heißt es, Becker sei sowieso schon mehr als notwendig einbezogen worden.

Gericht weist Berufung zurück

Am Ende geht es, das wird während des Prozesses klar, um Regelungslücken im Berliner Gleichstellungsgesetz: Gilt es auch für Richter oder haben sie eine Sonderstellung? Im Gesetz ist explizit nur eine Zuständigkeit für Gerichte erwähnt, nicht jedoch für Richterinnen und Richter. Der Vorsitzende Richter Christoph Heydemann sagt dazu in der Verhandlung: „Das Gleichstellungsgesetz ist nicht ausgereift, das ist das Problem, mit dem wir hier kämpfen.“

Es ist juristisches Klein-Klein, Gesetzestexte werden ausgelegt, Wortbedeutungen diskutiert, „anregend“ findet das Richter Heydemann. Nach fast fünf Stunden das Urteil: Das Gericht weist die Berufung zurück. Becker hat verloren, Behrendt gewonnen. Richter Heydemann begründet: „Anders als es politisch verständlich sein mag, vermag es das Gesetz nicht, den Gedanken einer effizienten Gesamtfrauenvertretung in Normen zu fassen.“ Kurz gefasst: Das Gesetz lässt eine vernünftige Frauenvertretung nicht zu.

„Wir sollen wohl die Klappe halten“

Anne-Kathrin Becker ist enttäuscht, sauer. „Unsere ganze Arbeit der vergangenen Jahre wurde in die Tonne getreten“, sagt eine andere Frauenvertreterin. Richterinnen hätten nun keine Interessenvertretung mehr, ist die einhellige Meinung. Dabei sind gerade sie in dieser Position stark unterrepräsentiert. Besonders brisant: Richterinnen wie Becker, die selbst als Frauenvertreterinnen arbeiten, können das in Zukunft nicht weiter tun. Wie soll jemand, der selbst vom Gleichstellungsgesetz ausgenommen ist, für Gleichstellung sorgen?

Ein Verwaltungssprecher teilte mit: „Wir sind froh, dass das Gericht die Rechtsauffassung der Senatsverwaltung teilt.“ Becker: „Das ist ein großes Ding für diesen Senator, der immer erzählt, für Gleichstellung sorgen zu wollen.“ Sie bemühe sich um transparente Verfahren, habe deshalb die Klagen angestrengt. „Was soll ich noch machen?“, fragt sie nach der Verhandlung. „Wir sollen wohl die Klappe halten“, sagt eine andere. Sie wollen nun eine Neufassung des Gleichstellungsgesetzes anregen, das auch Richter und Richterinnen einschließt.

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