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Berlin: Mann misshandelt Zweijährigen – Haftbefehl

Bekannter der Mutter sollte in deren Neuköllner Wohnung auf den Jungen aufpassen. Kindernotdienst beklagt immer mehr Fälle

Für ein paar Stunden hatte die Mutter ihren zweijährigen Sohn am Freitag einem Bekannten zum Aufpassen in ihrer Wohnung in Neukölln anvertraut: Als sie zurückkam, war das Kind mit blauen Flecken übersät. Ärzte stellten „schwerste innere Verletzungen“ bei dem kleinen Asin-Leon fest. Nach einer Notoperation ist er außer Lebensgefahr. Gegen den 30-jährigen wohnungslosen Bekannten der Frau hat ein Richter Haftbefehl wegen Kindesmisshandlung erlassen. Gegen ihn liefen bereits in der Vergangenheit Verfahren wegen Körperverletzung und Raubes. Gegen die 31-jährige Mutter wird nach Polizeiangaben nicht ermittelt.

Knapp vier Wochen ist der letzte bekannte Fall von Kindesmisshandlung her: Da hatte die Polizei einen Vierjährigen aus einer Wohnung in der Selchower Straße in Neukölln geholt. Die Mutter des Kindes und deren Lebensgefährte sitzen seitdem in Haft. Das Kind lebt nun in einer Betreuungseinrichtung des Bezirks. „Wir haben für den Vierjährigen keine geeignete Pflegefamilie gefunden“, sagte Neuköllns Jugendstadtrat Thomas Blesing (SPD). Das läge nicht daran, dass sich nicht genügend Paare gemeldet hätten. „Vielmehr ist es schwierig, geeignete Pflegeeltern zu finden, die mit einem Kind, dass so viel miterlebt hat, professionell umgehen können“, sagt der Stadtrat.

Der aktuelle Fall des kleinen Asin-Leon könnte ähnlich verlaufen: Auch hier werde das Jugendamt prüfen, ob der Junge aus der Familie genommen werden muss. Bereits vor etwa drei Wochen habe das Jugendamt einen „Hinweis aus dem Umfeld der Familie“ erhalten, dass die Mutter mit der Erziehung ihrer drei Kinder überfordert sei, sagt Blesing. Die 31-Jährige hat neben Asin-Leon noch zwei Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren. „Wir haben daraufhin versucht, Kontakt mit der Mutter aufzunehmen“, sagt der Stadtrat. Da die Frau nicht zu erreichen war, habe man ihr einen Brief mit der Bitte um ein Gespräch geschrieben. „Das hat sich nun mit dem aktuellen Vorfall überschnitten“, sagt Stadtrat Blesing.

Misshandelte oder vernachlässigte Kinder, die bei einem Polizeieinsatz aus den Familien geholt werden, kommen fast immer zunächst zum Kindernotdienst – vorausgesetzt sie sind nicht so schwer verletzt, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. Jürgen Bock, stellvertretender Leiter des Kindernotdienstes, sagt, dass es in den letzten Jahren immer mehr körperlich misshandelte Kinder sind, die in seine Einrichtung gebracht werden. So hat der Kindernotdienst im vergangenen Jahr 828 Kinder stationär aufgenommen. „Rund ein Viertel waren vernachlässigt oder von Gewalt betroffen“, sagt Bock.

Im Jahr 2004 waren es zwar 915 Kinder, die in Obhut genommen wurden, „aber weniger als ein Viertel davon hatte unter körperlicher Gewalt gelitten“, sagt Bock. Und auch die Tendenz für 2006 sähe so aus, dass es offenbar mehr als ein Viertel der aufgenommenen Kinder sein werden, die von ihren Eltern oder von Bekannten misshandelt wurden. Die Gründe dafür, sieht der Sozialarbeiter unter anderem bei den sozialen Problemen vieler Familien: Die Arbeitslosigkeit der Eltern, die zu vermehrten Alkoholkonsum oder Depressionen führen kann, bekämen auch oftmals die Kinder zu spüren. Die Aggression steige an. Aber auch Eltern, die mit ihrer Arbeit und dem Familienleben überfordert sind, hätten sich häufig bei der Erziehung ihrer Kinder nicht unter Kontrolle.

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