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Berlin: Mann, war ich dick, Mann

Nach neun Monaten verschwindet der Babybauch. Bei Anja Höppner kann man vorher einen Abdruck machen

Auf dem einen Bauch sprießt Kunstgras, auf dem anderen kleben Fell und Federn, auf dem allerdicksten funkelt in Leuchtschrift das Wort „gut“. Die dicken Bäuche sind Gipsabdrücke von Schwangeren, haltbare Erinnerungen an die anderen Umstände.

Sei drei Jahren macht Anja Höppner diese Abformungen in Gips, für sie eine Ehrerweisung an alle Frauen, die sich neun Monate lang „im wahrsten Sinne mit Leib und Seele zur Mutter verwandeln“. Sie selbst hat eine 13-jährige Tochter und ihre Schwangerschaft durchweg positiv erlebt. „Ich hatte absolute Narrenfreiheit“, sagt sie – und meint damit die Zwanglosigkeit mit der sie ihrem Körper beim Wachsen zusehen konnte. Dass ihre pubertierende Tochter sie für verrückt hält, nimmt Anja Höppner lachend hin, aber wütend wird sie, wenn der Chefarzt der Berliner Pulsklinik ihre Gipsbäuche mit den Worten „Ich bezweifle, dass Frauen ihre Unförmigkeit auch noch betrachten wollen“ als Schwachsinn abtut. Dann erzählt sie von Amerika, ihrer zweiten Heimat, wo Bauchabdrücke zum Standardprogramm für Schwangere gehören, während sich „bei uns das Thema mit einem Hechelkurs erledigt hat“.

Die Amerikanerinnen und die Arbeiten der Künstlerin Kiki Smith und Exemplare der weltberühmten Nanas von Niki de Saint-Phalles haben die 36-Jährige zu ihrer Kunst inspiriert. Lange werkelte die studierte Kultur- und Medienmanagerin im Verborgenen herum, traute sich mit ihrer Idee nicht an die Öffentlichkeit. Erst der 11. September 2001, sie wohnte damals in New York, trieb sie an. „Als die Zwillingstürme einstürzten, schwor ich: Wenn ich da heil herauskomme, werde ich in meinem Leben keine Zeit mehr verschwenden.“

Inzwischen ist Anja Höppner mit ihrer Arbeit mehr als ausgelastet. Vor allem Adelige haben Interesse an den Abdrücken: „Wer sich früher in Öl porträtieren ließ, kommt heute zu mir“, sagt sie. Ihre Modelle sind Frauen im achten oder neunten Monat der Schwangerschaft. Die, die schon richtig dicke Bäuche haben. Wenn Anja Höppner da die nassen Gipstücher auflegt, spürt sie schon mal das Strampeln des Babys. Später dann, wenn das Kind fragt, wo es her komme, kann die Mutter auf den Gipsbauch zeigen: „Da her.“

Die Gipsformen werden nach dem Austrocknen auf Wunsch bemalt – oder man lässt den Gipsabdruck, wie er ist. Bei den Abformungen werden die Partner nicht ausgeschlossen. Wer will, kann seine Hand auf den Bauch legen und sie so verewigen lassen. Kürzlich, so erzählt Anja Höppner, wollte ein Mann seine Hände von hinten auf die Brüste seiner Frau legen. Aber nach wenigen Minuten konnte er die Hände nicht mehr ruhig halten. Also band Anja Höppner ihn mit ihrer Bademantelkordel fest. Was aber nicht verewigt wurde.

Die Gipsbäuche kosten zwischen 50 und 130 Euro. Mehr Infos unter www.bellyart.de

Julia Rehder

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