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Ex-Justizsenatorin von der Aue bei einem Gefängnisbesuch.

© dpa

Marode Knäste in Berlin: Ex-Senatorin als Zeugin vor Gericht

Gisela von der Aue, die Vorgängerin von Justizsenator Heilmann, wird zum Zustand der Zellen in Berlin-Tegel befragt. Ein Ex-Häftling will Entschädigung.

Die Debatte um marode Haftanstalten dürfte sich noch einmal zuspitzen. Erstmals soll sich eine frühere Justizsenatorin vor Gericht zu fragwürdigen Haftbedingungen äußern. Für nächsten Dienstag ist Gisela von der Aue (SPD) als Zeugin vor das Kammergericht geladen. Rechtsanwältin Diana Blum hatte von der Aue in den Zeugenstand gebeten. Blum vertritt einen Mann, der von Mai bis November 2009 im Haus I der Justizvollzugsanstalt Tegel einsaß. Die Anwältin sagt, die damalige Senatorin habe von den menschenunwürdigen Bedingungen gewusst, der Ex-Häftling müsse entschädigt werden.

Verfassungsgerichtshof: Zellen in Tegel menschenunwürdig

Hintergrund der Verhandlung ist ein Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs vom November 2009: Einige Zellen im inzwischen geschlossenen Haus I verstoßen mit 5,25 Quadratmeter Größe gegen die Menschenwürde. Kurz nach der Entscheidung hatte von der Aue im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses gesagt, das Urteil überrasche sie nicht. Darauf bezieht sich nun Anwältin Blum: Der Senat habe von den Zuständen gewusst. Blum möchte, dass ihr Mandant mit mindestens 20 Euro pro Hafttag, insgesamt 4000 Euro, entschädigt wird. Nach dem Urteil hatte die Anstaltsleitung jene Zellen nur belegt, wenn keine besseren Räume frei waren. Auch einige der davon Betroffenen verklagen deshalb den Senat.

Entschädigungsforderung meist abgewiesen

Erste Urteile waren zugunsten der Häftlinge ausgefallen, das Kammergericht hatte sie aber wieder aufgehoben. Auch der Bundesgerichtshof entschied bislang zugunsten der Behörden: Der Senat habe sich bemüht, die Zustände zu verbessern, nachdem die Haft als menschenunwürdig eingestuft worden war. Dafür brauche das Land eben Zeit. Und für Fälle wie den Mandanten Blums, die vor dem Urteil im November 2009 in solchen Zellen saßen, hatten Gerichte bislang folgende Auffassung vertreten: Der Senat wusste nicht, dass die Räume menschenunwürdig waren. Dies hätten erst die Verfassungsrichter festgestellt. „Der Senat wusste, wie es in Tegel ausgesehen hat“, sagt dagegen Anwältin Blum. Auch Beamte, Gefangene und das Anti-Folter-Komitee hatten die Bedingungen vor Jahren kritisiert.

400 Betroffene klagen

Rund 400 aktuelle und ehemalige Häftlinge aus den Gefängnissen Tegel, Plötzensee und Moabit klagen auf Entschädigungen. Es geht um zu kleine Zellen, 23 Stunden Einschluss oder nicht abgetrennte Toiletten in den Hafträumen. Vor wenigen Tagen hatte der Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) in Aussicht gestellt, die Modernisierung der Anstalt in Moabit zu beschleunigen: Dort waren vor einer Woche zwei Häftlinge geflohen, nachdem sie Gitterstäbe zersägt hatten.

Gisela von der Aue war von 2006 bis 2011 Justizsenatorin der rot-roten Koalition. Weil die Berliner Gefängnisse seinerzeit überfüllt waren, ließ die SPD-Politikerin das neue Gefängnis in Großbeeren bei Berlin bauen.

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