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Berlin: MARTHA (6)

Schulstart I: Die Lehrerin war nett, aber ihren Namen konnte sich Martha noch nicht merken. Gestern hatte sie zum ersten Mal Unterricht. „Schade, dass wir nicht dabei sein konnten“, sagt der Papa. „Ist nun mal so“, antwortet Martha.

Es ist 8.30 Uhr und Martha hat noch ganz müde Augen. Ganz schön früh, für einen Sonnabend! Schlafen kann sie jetzt aber nicht mehr: Heute ist Einschulung, die ganze Familie ist versammelt, in der Wohnung herrscht reges Treiben. Martha hat ihr schönstes Kleid an, in Rosa, ihrer Lieblingsfarbe. Den Schulranzen hat sie schon gestern gepackt, er ist ebenfalls rosa, wie auch die Schulmappe. Alles muss stimmen.

Bald ist es 9 Uhr, alle machen sich auf den Weg zur Lenau-Schule in Kreuzberg, um Martha an ihrem ersten Tag zu begleiten. Ob es regnet? So schlimm wäre es nicht: Martha wohnt gleich neben der Schule. Den Weg kennt sie auswendig: Die letzten drei Jahre ist sie in die dort angegliederte Kita gegangen, zuletzt in die Vorschule. Einmal um den Block gehen, keine Ampel, keine Kreuzung: Bald kann sie alleine in die Schule gehen.

Angst? Martha schüttelt den Kopf. Sie kenne schon einige andere Schüler aus der Kita. „Zwei kommen in meine Klasse“, glaubt sie. Martha hält die Schultüte fest in der Hand. Zu Hause warten noch ein Paar Geschenke auf sie, weiß sie. Vor dem Schulgebäude gibt es noch eine Überraschung: Die SPD verteilt Schultüten, mit einem Gummiball, einem Jo-Jo und für die Eltern was zum Lesen. Wäre die Tüte rosa und nicht braun, würde sich Martha vielleicht eher dafür interessieren. So gibt sie ihrem großen Bruder Max das unerwartete Geschenk, der soll bitte darauf aufpassen. Martha hat schließlich etwas Wichtigeres zu tun.

In der Schulmensa sind die Familien mit ihren Kindern versammelt. Ältere Schüler bereiten sich für ihren Willkommens-Auftritt vor: Lieder wollen sie singen, Theater und Zirkus vorführen. Martha sitzt mit den anderen Erstklässlern ganz vorne, hört der Schuldirektorin genau zu, die sie begrüßt. Für die ausländischen Familien gebe es Deutschkurse, sagt sie. Bescheinigungen zur Befreiung von den Schulbücher-Kosten mögen sich die Eltern bitte im Sekretariat abholen. Aber Martha interessiert sich viel mehr für den „Zirkus Lenau“, die Sport- und Akrobatikgruppe der Schule, die jetzt ihre Künste zeigt. Da würde sie später gerne mal mitmachen.

Jetzt ruft eine Lehrerin die neuen Schüler auf das Podest. Auch Martha wird zu ihrer Klasse eingeteilt. Von den 25 anderen Schülern kennt sie außer ihrer Freundin Merve keinen. Ein bisschen enttäuscht ist sie schon. Und nun muss sie sich auch noch kurz von ihren Eltern trennen: Die Erstklässler begleiten jetzt ihre Lehrer in ihren Schulräumen, malen ein bisschen, erzählen, wer sie sind. In einer Stunde sollen sie wieder ins Foyer kommen, dann dürfen sie nach Hause, den Tag feiern.

Als Martha zurückkommt, trägt sie eine gelbe Mütze. Endlich ist es vorbei: Für das erste Klassenfoto lächeln, der Lehrerin noch „Bis Montag!“ zurufen – und ab nach Hause. Papa findet es schade, dass er für diese eine Stunde nicht dabei sein durfte. „Ist nun mal so“, antwortet Martha selbstsicher. Gespannt ist sie jetzt auf ihre Geschenke. Ob der Saugfisch dabei ist? Den hat ihr die Oma versprochen, damit er Marthas Aquarium sauber macht.

ist gestern in die Lenau- Grundschule in Kreuzberg eingeschult worden. Vor ihr war ihr großer Bruder Max (15) auch an dieser Schule. Früher ist Martha in die angegliederte Kita und vergangenes Jahr in die Vorschule gegangen.

Amélie Fidric

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