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Ärztin Susanne Eipper impft in Berlin im Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einen syrischen Flüchtlingsjungen aus Damaskus unter anderem gegen Mumps und Masern.

© dpa

Masern in Berlin: „Muss erst wieder ein Baby sterben?“

Berliner Kinderärzte sind besorgt: Sie dürfen Eltern nicht mehr gegen Masern impfen, obwohl ungeimpfte Eltern ein Risiko für Kinder darstellen. Sozialsenator Mario Czaja will das ändern.

Von Sandra Dassler

Berlins Kinderärzte sind besorgt und entrüstet. Ab Januar 2016 dürfen sie erneut nur noch Kinder gegen Masern impfen, nicht aber deren Eltern. Diese Möglichkeit war ihnen im Frühjahr auf Drängen von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingeräumt worden. Grund war die Masernepidemie in Berlin, bei der sich Tausende infizierten und ein Kind starb.

Ein Grund für den Ausbruch der Krankheit war die Impfskepsis mancher Eltern. Dabei können Masern Lungen- oder Gehirnentzündungen hervorrufen – und die tödliche Spätkomplikation SSPE. „Deshalb ist es wichtig, dass Eltern gleich mitgeimpft werden können“, sagt Ulrich Fegeler vom Verband der Kinder- und Jugendärzte. „Nach der Masernepidemie ist vor der Masernepidemie. Eine neue kann jederzeit wieder ausbrechen.“ Dass die KV den Kinderärzten jetzt wieder die Impfung der Eltern verbiete und bei Zuwiderhandlung sogar mit Regressen drohe, sei nicht nachvollziehbar, sagt Fegeler.

Erwachsene nur in Notsituation impfen

Die KV beruft sich auf das Sozialgesetzbuch, nach dem ein Vertragsarzt nur in seinem Fachgebiet tätig sein dürfe. „Dies ist schon immer so gewesen“, sagt eine KV-Sprecherin. Kinderärzte dürfen keine Erwachsenen impfen, es sei denn in einer Notsituation: „Nach dem Ende der Notsituation müssen wir uns wieder an die gängige Rechtsprechung halten.“

Das sieht nicht nur die Ärztekammer Berlin anders. Einer Umfrage der „Ärztezeitung" zufolge erlauben die Kassenärztlichen Vereinigungen in Niedersachsen, Hamburg, Brandenburg, Saarland, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz die Impfung Erwachsener durch Kinder- und Jugendärzte.

Czaja setzt sich für Eltern-Impfung ein

„Man könnte das auch in Berlin anders regeln“, ist sich Christian Hessel, Kinderarzt in Prenzlauer Berg, sicher. Ihm erzählen Eltern, dass es schwierig sei, sich die Masernimpfung vom Allgemeinarzt geben zu lassen. Wenn er aber weiter selbst impfe, müsse er nicht nur auf sein Honorar verzichten, sondern eventuell auch noch rund 100 Euro für den Impfstoff bezahlen. „Dabei gibt es hier so viele, die nicht geimpft sind.“ Die Gefahr, dass diese dann Kleinkinder anstecken, sei groß – nicht nur im Hinblick auf Masern.

Der Vorsitzende des Berliner Verbandes der Kinder- und Jugendärzte, Klemens Senger, formuliert es noch drastischer: „Muss erst wieder ein Baby sterben, damit man zu einem sinnvollen Impfkonzept kommt?“ Sozialsenator Mario Czaja möchte das nicht. Er habe großes Interesse daran, dass die während der Epidemie erlassene Regelung fortbestehe, sagte seine Sprecherin Regina Kneiding: „Wir werden daher das Gespräch mit der KV suchen.“

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