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Sichere Seiten. Die angehenden Abiturienten Vincent Kahl (links) und Timothy Edwards freuten sich am Donnerstag, dass ihre Impfausweise wieder aufgetaucht sind.

©  Susanne Vieth-Entus

Masernwelle in Berlin: Gesundheitsverwaltung: Schulschließungen wegen Masern sind unnötig

Nach der zweiten Schulschließung wegen Masern warnt die Gesundheitsverwaltung vor übertriebenen Reaktionen. Kinderärzte können Eltern indes nicht mehr impfen. Die Kassenärztliche Vereinigung bezahlt das nicht mehr.

Vinzent, Timothy und ihre Mitschüler sind gut drauf an diesem Donnerstagmorgen: Ihre Mütter haben die Impfbücher ausfindig gemacht, so dass sich die Zwölftklässler gut gerüstet fühlen für die anstehende Kontrolle. In der Morgensonne stehen sie vor ihrem Wald-Gymnasium im Westend, um den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes die kleinen gelben Hefte zu zeigen. Aber niemand wollte die Impfbücher sehen: Das Gesundheitsamt hat Entwarnung gegeben, weil sie nicht zur „Kontaktgruppe“ des Schülers gehören, der an Masern erkrankt ist. Drinnen sitzt Schulleiter Wolfgang Ismer mit den Vertretern des Gesundheitsamtes. Sie ziehen Bilanz: Acht Schüler und zwei Lehrer dürfen jetzt erst mal nicht zur Schule kommen, weil sie unmittelbaren Kontakt zu dem zuvor an Masern erkrankten Mitschüler hatten, ohne einen Impfschutz zu haben, oder weil sie ihre Impfbücher vergessen hatten. Falls sie diese nicht nachreichen können, müssen sie der Schule bis einschließlich 3. März fernbleiben.

Vollständige Schulschließungen sind eigentlich unnötig

Nach dem Gespräch steht fest: Ismer hätte am Mittwoch nicht alle Schüler nach Hause schicken müssen, als er von der Masernerkrankung des Jungen erfuhr. Es hätte gereicht, es bei den rund 50 Klassenkameraden zu belassen. Aber Ismer wollte auf Nummer sicher gehen – vor allem wegen der Mensa, die von allen Schülern genutzt wird. „Ich habe etwas mehr gemacht, damit wir eine komplett geklärte Situation haben“, erklärt er.

Er steht mit dieser Vorsicht nicht allein da. Auch der Leiter der Lichtenrader Carl-Zeiss-Sekundarschule, hatte wegen eines Masernfalls entschieden, am Montag 1000 Schülern unterrichtsfrei zu geben. Zwingend war das nicht, sagt Marlen Suckau von der Gesundheitsverwaltung. Sie ist Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin und leitet das Referat für Seuchenbekämpfung. „Die Berliner Gesundheitsämter haben für den Fall von Masernerkrankungen in Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen einen abgestimmten Maßnahmenplan. Dieser sieht bei einem Masernfall vor, dass alle Kontaktpersonen befragt und ihre Impfdokumente kontrolliert werden“, sagt Suckau. Auch eine gemeinsame Mensa ist demnach kein Grund, alle Schüler nach Hause zu schicken. „Das Masernvirus ist sehr empfindlich gegenüber Licht, UV-Strahlung und Temperatureinflüssen und hält sich deshalb nur sehr wenige Stunden auf Oberflächen“.

Insbesondere für Grundschulen dürfte die Information wichtig sein, dass es nicht nötig ist, die Schüler nach Hause zu schicken, da die Kinder oftmals noch gar nicht in der Lage sind, den Heimweg allein zu bewältigen. Damit Schulen künftig nicht mehr überzogene Vorsichtsmaßnahmen treffen, die zu massenhaftem Unterrichtsausfall führen, sollen sie jetzt einen Brief von der Bildungsverwaltung bekommen. Dort soll ihnen das Vorgehen erläutert werden. „Im Zweifelsfall kann der Schuleiter aber auch anders entscheiden“, betont Behördensprecher Ilja Koschembar.

Kassenärztliche Vereinigung zahlt Impfungen der Eltern nicht mehr

Da täglich etwa 30 Neuerkrankungen an Masern hinzukommen, sind die Schulen, Kitas und Ärzte weiterhin alarmiert. Umso verwunderter reagierten jetzt Kinderärzte auf eine überraschende Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KVB). „Mir wurde am Mittwoch gesagt, dass ich keine Vergütung für die Masernimpfung von Eltern meiner Patienten bekomme“, berichtete ein Charlottenburger Kinderarzt. Angesichts der aktuellen Epidemie verwundert ihn diese Entscheidung besonders, zumal er „in den vergangenen 17 Jahren“ immer ein Honorar für die Impfungen der Erwachsenen bekommen habe.
Die KVB bestritt gegenüber dem Tagesspiegel, dass sie diese Impfungen bislang vergütet habe. Die Rechtslage verbiete dies, so Sprecherin Juliana Gralak. Es sei vom Gesetzgeber festgelegt, dass Erwachsene keine Masernimpfung von Kinderärzten bekommen dürfen. Diese Äußerung führte zu Irritationen. „Es war immer Usus, dass wir die Eltern mitimpfen“, betonte der Spandauer Kinderarzt Ulrich Fegeler. Die Vergütung sei „nie ein Problem gewesen“. Die Kinderärzte begründen das Mitimpfen der Eltern damit, dass die Eltern meist in einem Alter seien, in dem sie selten erkrankten, und darum keinen Hausarzt hätten. Es sei in diesen Fällen für alle das Einfachste, wenn die Kinderärzte sie miteinbeziehen, wenn die Kinder geimpft werden.

Gesundheitssenator Czaja appelliert an Kassenärztliche Vereinigung

„Kinderärzte sollen auch Erwachsene impfen können“, fordert Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU). Gerade angesichts des aktuellen Masernausbruchs „wäre das eine einfache und sinnvolle Möglichkeit, Eltern bei der Untersuchung ihres Kindes gleich mitzuimpfen“, sagte er dem Tagesspiegel. Im übrigen besagten Informationen der Kassenärztlicher Bundesvereinigung, dass Kinderärzte auch Erwachsene impfen können. „Wir appellieren daher an die KV Berlin, dies – gebenenfalls in Abstimmung mit der Ärztekammer – in Berlin zu ermöglichen.“

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