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Update

Massive Kritik am Vorstand des Berliner Vereins: Aufsichtsrat der Lebenshilfe tritt zurück

Die Kontrolleure des Vereins fühlen sich ausgehebelt. Der Vorstand hat den Geschäftsführer der Lebenshilfe gGmbH abberufen, ohne den Aufsichtsrat zu informieren. Über die Gründe für den Rausschmiss wird gerätselt.

Bei der Lebenshilfe Berlin rumort's: Der gesamte Aufsichtsrat des Vereins, zu dem auch die Tochtergesellschaft Lebenshilfe gGmbH gehört, ist zurückgetreten. Ein drastischer Schritt, den die Kontrolleure in einer Pressemitteilung mit dem „irreparabel geschädigten“ Verhältnis zum Vorstand des Vereins begründen. Denn in „inakzeptabler Weise und ohne Verständigung des Aufsichtsrats“ seien „dessen gesellschaftsvertraglich festgeschriebene Zuständigkeiten umgangen bzw. geändert worden“.

Hinter der geschraubten Wortwahl verbirgt sich schlicht massive Verärgerung über den Umgang mit einer Personalie. Der Vorstand hatte Ulrich Bauch, den Geschäftsführer der gGmbH, abrupt abberufen und freigestellt. Zudem hat der Vorstand zwei seiner Mitglieder ermächtigt, mit Bauchs Anwalt über die Beendigung des Vertrags zu verhandeln. Von all dem wurde der Aufsichtsrat erst nachträglich informiert.

In einem Schreiben an den Vorstand zeigt sich die ganze Empörung des Aufsichtsrats. Eckehart Lockau, der Vorsitzende des Kontrollgremiums, kritisierte, dass dem Aufsichtsrat „eine tragfähige Begründung“ für Bauchs Abberufung „bis heute nicht mitgeteilt“ worden sei. „Wichtige oder zumindest sachliche und nachvollziehbare Gründe konnte und wollte der Vorstand dem Aufsichtsrat nicht nennen.“

Qualifikation steht nicht in Frage

Vielleicht wären die auch nur schwer zu verstehen. Denn Lockau schreibt weiter: „Demgegenüber räumte der Vorstand ein, dass er weder die fachliche Eignung noch den wirtschaftlichen Erfolg des Geschäftsführers Bauch in Abrede stelle.“ Was nun konkret Bauch vorgeworfen wird, ist immer noch nicht klar.

Der Vorstand betont in einer Stellungnahme, dass die Abberufung nicht im Zusammenhang mit den jüngsten Vorwürfen gegen die Lebenshilfe stehe. Der Verein, der Immobilien an seine Tochtergesellschaft gGmbH vermietet hat, soll, wie berichtet, unrechtmäßig Zuwendungen vom Land Berlin erhalten haben. Dabei soll es unter anderem um Geld für die Unterhaltung der Immobilien gehen, die dem Verein gehören. Kosten sollen in Rechnung gestellt worden sein, obwohl die entsprechenden Sanierungsarbeiten nicht stattgefunden haben sollen. Aufsichtsrat, Vorstand und die Geschäftsführungen von Lebenshilfe e.V. und Lebenshilfe gGmbH wiesen die Vorwürfe entschieden zurück.

Der Vorstand teilte hierzu mit: "Die Abberufung von Ulrich Bauch als Geschäftsführer der Lebenshilfe gGmbH erfolgte aus gewichtigen Gründen, die ausdrücklich nicht in Zusammenhang mit den Vorwürfen stehen. Eine solche Abberufung ist ein übliches und regelmäßig angewandtes Mittel, mit dem Gesellschafter ihre Eigentümerrechte wahrnehmen."

Während auch Chef-Kontrolleur Lockau die Vorwürfe wegen angeblich unrechtmäßiger Zuwendungen zurückwies und in diesem Punkt Seit’ an Seit’ mit dem Vorstand marschierte, geht er in Sachen Bauch auf Konfrontationskurs. Denn der Aufsichtsrat fühlt sich vom Vorstand ausgehebelt. Der könne „weder die eigenmächtige Abberufung des Geschäftsführers Bauch noch die Ermächtigung zweier Vorstandmitglieder, die Beendigung des Dienstvertrags mit Herrn Bauch zu verhandeln, billigen“. Zudem wehrt sich Lockau massiv dagegen, dass der Vorstand eigenmächtig einen Interimsgeschäftsführer berufen habe. Ganz besonders verärgert ist Lockau im Namen seines Gremiums darüber, dass mit diesem Interimsgeschäftsführer bereits ein Dienstvertrag verhandelt und abgeschlossen worden sei. Dann so etwas liege in der „ausschließlichen Zuständigkeit des Aufsichtsrats“.

Der Vorstand teilte am späten Freitag Nachmittag mit, dass er den "Rücktritt des Aufsichtsrats als fakultatives Beratungsgremium nimmt der Vorstand des Lebenshilfe e.V. Berlin mit großem Bedauern" zur Kenntnis nehme. "Eine schriftliche Rücktrittserklärung erreichte uns bislang nicht. Der Vorstand wird weiterhin konsequent die im Raum stehenden Vorwürfe aufarbeiten, vorrangig aber die erfolgreiche Weiterentwicklung der Lebenshilfe Berlin im Interesse von Menschen mit Behinderung und ihren Familien gestalten", heißt es in einer Pressemitteilung weiter.

Aber nicht bloß die Kontrolleure sind verärgert über den Vorstand. Auch die Schwerbehindertenvertretung des Vereins meldet sich kritisch zu Wort. In einem „offenen Brief an den Vorstand“ schreiben Bernhard Kaletsch, offiziell „Vertrauensperson“, und Monika Wittenbrink, die 1. Stellvertreterin, sie hätten die „plötzliche Abberufung“ mit „Verwunderung“ zur Kenntnis genommen. Denn mit Bauch waren sie durchaus zufrieden. „Er war der erste Geschäftsführer der Lebenshilfe Berlin, der sich Zeit für unsere Themen nahm und der uns in der Ausübung unserer Tätigkeit unterstütze.“ Außerdem verwiesen Kaltesch und Wittenbrink darauf, dass „Herr Bauch schwarze Zahlen und Eigentum geschaffen“ habe, um von der Mietentwicklung in Berlin unabhängiger zu sein.

Die Lebenshilfe e.V. kümmert sich um die Betreuung geistig und körperlich behinderter Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sie hat rund 1600 Mitglieder, überwiegend Eltern behinderter Kinder. Rund 1300 Menschen arbeiten für den Verein und seine Tochtergesellschaft.

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