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Berlin: Mauerstreifen

Zwei Filmemacher haben Amateurvideos von der Grenze gesichtet und so eine DVD produziert

Sie sind längst ins kollektive Unterbewusstsein eingegangen: Die Bilder vom 9. November 1989, als Tausende auf der Mauer standen, jubelten, Vorschlaghämmer niedersausen ließen. Von den 28 Jahren davor, in denen die Mauer die Stadt teilte und paralysierte, gibt es weit weniger ikonografische Bilder. In diese Lücke sind die Filmemacher Claus Oppermann und Gerald Grote in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel gestoßen – auf ganz spezielle Art. Denn für den Dokumentarfilm „Bis an die Grenze“ haben sie ausschließlich Material von Amateurfilmern verwendet. So ist eine Erzählung der Mauer entstanden, die ganz nah dran ist, nicht durch den professionellen Blick gefiltert, sondern roh, direkt, auch mal verwackelt, Geschichte von unten eben.

Da sind die frühen Farbaufnahmen vom Flughafen Tempelhof während der Blockade, vom Sommer im Strandbad Wannsee oder vom 13. August 1961 und den Wochen danach: Immer wieder diese Bauarbeiter, mit Zigarette und Schiebermütze, die – bewacht – ihren Staat und sich selbst einmauern, ihr eigenes Gefängnis schaffen, und dabei auch noch lachen. Da sind die West-Berliner, die in Scharen an die Mauer kommen, noch erstaunlich elegant gekleidet, als seien die 20er Jahre gerade erst vorbei. Manche steigen auf Schemel und Stühle und winken den Verwandten im Osten zu, und man kann sie richtig sagen hören: „Kiek ma’, da drüben steht’se, Tante Frieda!“

Anrührend sind die wackeligen Bilder einer alten Dame, die jetzt, als Rentnerin, in den Westen übersiedeln darf, die Familie wartet schon, „Willkommen Omi“ steht auf dem selbstgemalten Schild, zu Hause gibt’s Kuchen und Sekt, Omi sitzt still daneben, wie eine Figur aus einer unglaublich fernen Zeit: Ihr Land, ihr Leben hat sie verlassen, und was kommt jetzt?

Der Film lebt von zwei Ebenen: Dem filmischen Material – und den Interviews, in denen die Amateurfilmer ihre eigenen Aufnahmen kommentieren und zusätzliche Erlebnisse schildern.

Etwa der West-Berliner Christian Deutschmann, der während der 10. Weltfestspiele der Jugend 1973 beim Filmen Probleme mit den Behörden bekam, weil im Hintergrund „Grenzsicherungsanlagen“ zu sehen waren. Er musste seinen Film zeigen – und wurde prompt gefragt, ob er nicht als „IM“ arbeiten wolle. Oder Detlef Höselbarth, der verbotenerweise eine Grenzkontrolle aus seinem Auto heraus filmte. „Natürlich war ich aufgeregt. Ein bisschen Herzklopfen ist bei jedem Film dabei.“ Udo Badelt

„Bis an die Grenze – der private Blick auf die Mauer“ Die DVD kann für 13 Euro bestellt werden über Tel. 29 021-520 oder ist zu kaufen im Tagesspiegel-Shop, Askanischer Platz 3, Kreuzberg. Mo. – Fr. 9 bis 18 Uhr.

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