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Mediaspree-Viertel: Rund um die O2-World kehrt bald Leben ein

Früher Güterbahnhof, heute Stadtbrache. Doch am Spreeufer, rund um die O2-World, kehrt bald Leben ein. Es geht um Millionen, um Bistros, Hotels – und die ersten Anwohner.

Ödland, Stadtbrache? Von wegen! Michael Kötter klappt den Mantelkragen hoch gegen die kalte Brise, die hier über die weiten asphaltierten Parkflächen von der Spree herüberweht. Dann läuft er zielstrebig los wie ein Stadtführer, quer über fiktive Baugruben und Neubaukomplexe, die bislang nur auf Computersimulationen und in der Fantasie des 37-jährigen Chefentwicklers der Anschutz Entertainment Group existieren. Kötter entwirft beim Gang über das Gelände seines Unternehmens rund um die O2-World in Friedrichshain das Bild eines neuen Stadtquartiers. Mittendrin die Arena, die noch allein auf der Brache thront. Drumherum sind die meisten Baufelder zu vergeben – bis auf 4500 Quadratmeter im Südwesten: Dort will der Daimler-Konzern seine neue Vertriebszentrale für Mercedes-Benz bauen.

Michael Kötter weist nach Nordosten. „Hier drüben sind Hochhäuser geplant.“ Dann läuft er um die Halle herum Richtung Postbahnhof, spricht von neuen Kinos, von Lokalen und Bühnen. Klar, man brauche für ein solches Megaprojekt „einen langen Atem“, aber „den haben wir.“

2020 soll das Viertel fertig sein.

Bereits die 165 Millionen Euro teure Arena, von der Entertainment Group des US-Milliardärs Philip F. Anschutz errichtet und betrieben, hat sich seit ihrer Eröffnung vor zweieinhalb Jahren als Erfolgsstory erwiesen, etliche Stars haben dort gespielt, Tausende strömen Woche für Woche zu den Sportveranstaltungen. Nun forciert das Berliner Anschutz-Team den zweiten Schritt auf dem Gelände zwischen Warschauer und Mühlenstraße, der Bahntrasse am Ostbahnhof und dem alten Postbahnhof. Es geht um rund 20 Hektar, die zur Zeit überwiegend als Parkplätze genutzt werden.

Bis Ende 2011 will man nach Daimler einen zweiten Investor bekannt geben, der zur Arena zieht und in das Viertel Millionen steckt. „Wir wollen ein urbanes Stadtviertel schaffen“, sagt Kötter. „Mit einem Mix aus Handel, Gastronomie, Hotels, Kultur, Wohnungen, Büros.“

So schreibt es der Bebauungsplan von 2004 fest, den Bezirk, Senat und Anschutz im Rahmen des Planwerkes Innenstadt für diese Stadtbrachen gemeinsam entwickelten. Seit 1860 verliefen dort die Gleise des Ostgüterbahnhofes, nach der Wende siedelten sich Autohändler und ein Betonwerk an, um 2000 kaufte Anschutz das designierte Baugelände.

Mit dem Entschluss des Daimler-Konzerns, als erstes Unternehmen aufs Gelände zu ziehen, scheint die Strategie des Unternehmens aufzugehen. Daimler ist für Kötter ein „Anker-Investor“ – ein repräsentativer Trendsetter, der wie beim Billard entscheidende Anstöße gibt. Wenn sich am Spreeufer ab Sommer die Kräne drehen, „werden die restlichen Baufelder immer attraktiver“, hofft er. Und dann wird auch das Viertel – mittendrin in der Innenstadt und doch tagsüber so oft verwaist – belebt: 1200 Mitarbeiter sollen ab 2013 die Büros der neuen Mercedes-Vertriebszentrale beziehen. „Die Leute wollen mal einen Kaffee trinken, einkaufen gehen.“ Das mache den Standort für andere Gewerbe interessant. Ein Prozess, „der sich mit jedem Zuzug beschleunigt“. Außerdem setzen die Anschutzplaner auf das Publikum der Arena, das bisher nach den Veranstaltungen in die Kneipenviertel von Friedrichshain und Kreuzberg läuft. Die Menschen sollen im neuen Quartier gehalten werden. Und die Macher setzen auf die Touristen, die täglich zur Eastside Gallery pilgern. Rund 1,2 Millionen Besucher kommen pro Jahr.

Das neue Viertel soll Schritt für Schritt verbessert werden. Die Planer sprechen von „einer Entwicklung in einzelnen Phasen“ – im Unterschied zum Potsdamer Platz, wo fast alle Bauherren Mitte der 90er Jahre gemeinsam loslegten.

Für Daimler errichtet die Immobiliengesellschaft Vivico Real Estate ein Bürogebäude mit Mercedes-Showroom und Bistros. Zur Mühlenstraße hin soll das Haus 55 Meter hoch aufragen. Die Gestalt des vom Architekturbüro Gewers&Pudewill entworfenen Komplexes wird streng geheim gehalten. Gewers& Pudewill haben in Berlin den Admiralspalast umgebaut und die Sophie-Gips-Höfe in Mitte neu gestaltet. Das Büro ist für seine gläserne, lichte Architektur bekannt. Und die Mitarbeiter sollten zudem eine Ahnung haben, was nach dem Geschmack der Kreuzberger ist: Das Büro befindet sich auf der anderen Uferseite, in der Schlesischen Straße.

Im Nordosten des Daimler-Projektes sieht der Bebauungsplan ein „Entertainment-Center“ vor mit Kinos, Bühnen, Bars, Restaurants. Und gleich daneben zwei bis zu 90 Meter hohe Hochhäuser. Vielleicht für ein Marriott-Hotel? Mit denen arbeitet man schließlich auch im Anschutz-Viertel in Los Angeles zusammen. Dazu heißt es nur: „Kein Kommentar.“

Völlig neu gestaltet wird der Eingangsbereich der Arena bis zur Mühlenstraße. Zur Zeit ist dort nur eine Wiese und eine Freifläche mit Baumkübeln zu sehen. Künftig sollen die Besucher über eine 50 m breite „Plaza“ zur Halle flanieren. Die Plaza soll sich zum Treff entwickeln, eingerahmt von zwei Neubauten mit Büros, Läden und Wohnungen. Und nahe der Warschauer Brücke lässt der Plan zwei weitere Hochhäuser zu. Das eine darf 90, das andere 130 Meter aufragen, so hoch wie die Treptowers. Kötter kann sich darin „Panoramawohnungen“ vorstellen.

Stichwort: Wohnen. Für den grünen Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, ist das „ein zentrales Anliegen, weil sich ein Stadtquartier nur lebendig entwickelt, wenn dort Menschen wohnen“. Deshalb müssen auf dem Areal 90 000 Quadratmeter Wohnfläche geschaffen werden. Für die Autos sind Tiefgaragen geplant und Parkhäuser.

Wie die meisten Neubauten später aussehen werden, ist noch offen. Es gibt nur grobe Vorgaben für einzelne Blocks, so die Traufhöhe von 22 Metern. Alles Weitere ist Sache der Investoren.

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