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Berlin: Medikamenten-Studie an Frauen: Gefährdet Arzt seine Patientinnen?

Hormontherapie kann Brustkrebs auslösen, dennoch will FU-Professor weiterforschen

Straffere Haut und schönes Haar dank Hormonbehandlung versprach Professor Dieter Felsenberg Ende des vergangenen Jahres 20 000 Berliner Frauen. Er hatte sie angeschrieben, die Adressen erhielt er vom Landeseinwohneramt – eine legale Amtshilfe, wie er versichert. Mit seinem Brief über die Segnungen der Hormontherapie suchte Felsenberg, Radiologe am Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Steglitz, nach Probandinnen für eine Studie zur Wirkung eines neuen Hormonpräparats auf Haut und Haar.

Nun aber sieht sich Felsenberg mit harscher Kritik konfrontiert: Er gefährde die Frauen, heißt es. Hintergrund der Vorwürfe ist eine Langzeituntersuchung in den USA, bei der 16 000 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren mit einer ähnlichen Wirkstoffkombination behandelt wurden, wie sie jetzt auch Felsenberg testen will. Diese US-Studie wurde im Sommer 2002 vorzeitig abgebrochen, weil der Schaden den möglichen Nutzen deutlich überwog. Die Probandinnen erkrankten häufiger an Brustkrebs, erlitten Herzinfarkte und Lungenembolien.

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn sieht im Lichte dieser Resultate eine Hormontherapie, wie sie bisher auch gesunden Frauen in den Wechseljahren verschrieben wurde, kritischer: Diese Patientinnen sollten ihren Arzt fragen, „ob und in welcher Form die Fortsetzung einer Hormonersatztherapie noch weiterhin sinnvoll“ sei.

Die Ergebnisse der US-Kollegen lassen auch Dieter Felsenberg nicht unbeeindruckt: „Vor diesem Hintergrund hätte ich es mir noch einmal sehr genau überlegt, ob ich diese Untersuchung machen soll“, sagt er. Doch das positive Votum der Ethikkommission des Uniklinikums, die jede Pharmastudie begutachtet (siehe Kasten), hat er schon vor Veröffentlichung der amerikanischen Untersuchung erhalten. Er setzt deshalb seine Forschung fort. „Ich will klären, ob der Präparat-Hersteller damit werben kann, dass die Frauen dadurch eine glattere Haut bekommen oder schöneres Haar." 150 Frauen sollen ein Jahr lang das Medikament testen.

Die Ethikkomission hat nach Veröffentlichung der US-Ergebnisse strengere Auflagen für die Berliner Studie gemacht. So musste Felsenberg alle Teilnehmerinnen über die Resultate aus den USA unterrichten und sie vor die Wahl stellen, den Versuch abzubrechen. Keine sei zurückgetreten, sagt Felsenberg.

Im Gegensatz zu den amerikanischen Ärzten hält der Professor das Risiko für vertretbar und den Nutzen für groß. Allein durch die Voruntersuchungen habe er drei Frauen entdeckt, die Brustkrebs im Frühstadium entwickelt hatten und nun mit einer hohen Heilungschance rechnen könnten. Und die Wahrscheinlichkeit, durch das Medikament an Brustkrebs zu erkranken, liege im Promille-Bereich. Laut der US-Studie stieg der Anteil von Brustkrebs-Erkrankungen unter 10 000 Frauen von 30 auf 38 Fälle an.

Wolfgang Becker-Brüser, Geschäftsführer des „Arznei-Telegramms“, das den Ruf als seriöses Fachblatt genießt, widerspricht: „Bei dem theoretisch möglichen Markt von vier Millionen Frauen, die in der Bundesrepublik Hormonpräparate erhalten, wären das 3200 durch das Medikament ausgelöste Brustkrebsfälle." Und für eine durch das Medikament erkrankte Patientin sei die Statistik belanglos. Für sie zähle nur, dass sie Krebs hat.

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