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Medikamentenskandal: "Eklatante Missstände" im Gefängnis Moabit

In der Justizvollzugsanstalt Moabit konnten Mitarbeiter jahrelang unbemerkt Medikamente unterschlagen. Justizsenatorin von der Aue will jetzt die Einrichtung einer Zentralapotheke im Strafvollzug prüfen.

Berlin - Ein Untersuchungsbericht zum Medikamentenskandal im Gefängnis Moabit sieht Versäumnisse des Senats bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht. Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) räumte "eklatante Missstände" bei der Medikamentenverwaltung in Moabit ein. Organisation und Arbeitsabläufe zur Beschaffung und Ausgabe von Medikamenten in Moabit seien so mangelhaft, dass den Mitarbeitern weder möglicher Missbrauch nachgewiesen noch sie in Schutz genommen werden könnten, alles richtig gemacht zu haben. "Das ist der eigentliche Skandal", sagte die Senatorin.

Der Leiter der Untersuchungsgruppe, Werner Heinrichs, kritisierte, dass ein Bestandsnachweis für Medikamente in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit "entgegen bestehenden Weisungen und entgegen den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung" nicht erfolgt sei. Außerdem hätten alle medizinischen Mitarbeiter ungehinderten Zugang zu den Medikamenten gehabt. Das gelte auch für Betäubungsmittel, da der Schlüssel für deren Behältnisse offen zugänglich gewesen sei, sagte Heinrichs. Nach Auffassung der Untersuchungsgruppe hat die Justizverwaltung "in der Vergangenheit ihre fachaufsichtlichen Pflichten nicht oder nur unzureichend wahrgenommen". Insgesamt könne Diebstahl und Missbrauch von Medikamenten sowie deren Weitergabe und gegebenenfalls auch Verkauf durch Mitarbeiter und Gefangene in und außerhalb der JVA Moabit nicht ausgeschlossen werden. Der finanzielle Schaden könne nicht beziffert werden, sagte Heinrichs.

Die Justizsenatorin kündigte an, ihre Verwaltung werde in den nächsten Wochen die Ergebnisse und Empfehlungen der "Schwachstellenanalyse" prüfen. Zu überlegen sei unter anderem die von der Untersuchungsgruppe empfohlene Einrichtung einer Zentralapotheke in dem im März eröffneten Justizvollzugskrankenhaus Plötzensee. Dadurch könnte die Lagerung von Medikamenten in den Gefängnissen entfallen. Denn Beschaffung, Nachweis und Bedarfsermittlung von Medikamenten sowie deren Abgabe an die Gefängnisse würde nur noch von einer Stelle verantwortet.

Opposition kritisiert Senat

Die FDP-Fraktion forderte einen zweiten Untersuchungsbericht, der die persönlichen Verantwortlichkeiten im Medikamentenskandal darlegen sollte. "Die fachaufsichtlichen Pflichtverletzungen der Senatsverwaltung für Justiz sind nur mit einem Geflecht persönlicher Beziehungen und Bekanntschaften zwischen Senatsverwaltung und JVA erklärbar", sagte der Rechtsexperte Sebastian Kluckert. Nach Auffassung der Rechtspolitiker der CDU-Fraktion, Sven Rissmann und Cornelia Seibeld, ist der Untersuchungsbericht eine "schallende Ohrfeige" für die seit Jahren von der SPD dominierte Justizverwaltung. Die Justizsenatorin müsse die Frage beantworten, wer in ihrer Verwaltung persönlich verantwortlich war für die Beaufsichtigung der Gesundheitsversorgung in Moabit und personelle Konsequenzen ziehen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Dirk Behrendt, bezweifelte, ob der gesamte Umfang der Medikamentenunterschlagung jemals geklärt wegen kann. Wegen verzögerter Aufklärungsbemühungen der Anstalt selbst hätten über Wochen Spuren verwischt werden können. (tso/ddp)

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