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Berlin: Medizin der kurzen Wege

Im Polikum in Friedenau arbeiten 25 Ärzte unter einem Dach. Gestern kam die Gesundheitsministerin

Der Chef ist Ökonom: „Die Arbeitszeit der Doktoren ist teuer, zu teuer, um sie mit Büroarbeit vollzustopfen“, sagt Wolfram Otto, Geschäftsführer des Polikums in Friedenau, in dem derzeit 25 Ärzte angestellt sind. Die Mediziner sollen sich statt um Zettel um Patienten kümmern. Den Verwaltungskram übernehmen Dokumentationsassistenten. Viele niedergelassene Ärzte wären froh über solch eine Entlastung von ausufernder Bürokratie.

Den Patienten kommt das betriebswirtschaftliche Denken des Polikum-Chefs ebenfalls zugute. Allein in den ersten sechs Wochen des Jahres habe es 20 000 Kranken-Besuche gegeben. „Jeden Tag kommen im Schnitt 50 bis 100 neue Patienten zu uns.“ Dennoch wirkten die Wartezimmer gestern vergleichsweise leer. „Wir streben Wartezeiten von unter zehn Minuten an“, sagt Otto. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die am Dienstag das Polikum besuchte, war angetan von dem Konzept. „Die Patienten mögen es offenbar.“

Das Polikum ist frisch umgebaut. Die Flure sind hell, grüne und gelbe Pastelltöne vermitteln eine freundliche Atmosphäre. Und nicht nur Ärzte praktizieren hier. Im Gebäude sind auch eine Apotheke, eine großzügig mit Trainingsgeräten ausgestattete Phsyiotherapie und Labore untergebracht.

Ulla Schmidt setzt sich schon lange für die Medizinische Versorgungszentren (MVZ) genannten Ärztehäuser ein, die zu DDR-Zeiten Poliklinik hießen. Die hier arbeitenden Ärzte sind nicht wie üblich Freiberufler, sondern Angestellte. Die wichtigsten Fachärzte sind unter einem Dach, das bedeutet kurze Wege für die Kranken und für die Doktoren die Möglichkeit, sich zu beraten. Und schließlich führen alle Ärzte für jeden Patienten eine gemeinsame Krankenakte. So werden teure und oft auch belastende Doppeluntersuchungen vermieden. Der Medziner weiß sofort, was seine Kollegen für den Patienten schon getan haben und auch, was für Arzneien er erhielt.

Seit der Gesetzesänderung 2005 sind bundesweit rund 360 MVZ entstanden, davon allein in Berlin rund 40, das Polikum in Friedenau ist das größte, heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Ein Erfolsmodell. Auch für Mediziner. Denn als Angestellte sparen sie sich die hohen Kredite für eine Praxiseinrichtung. Otto demonstriert die Vorteile anhand eines Herz-Echogerätes. „So eine Untersuchung gehört heutzutage zur Standardtherapie bei Herzpatienten.“ Das Gerät koste 200 000 Euro, und sowas rechne sich nur, wenn es ohne Pausen in Betrieb sei. Im Polikum mit seinen vielen Ärzten und Patienten kein Problem.

Investitionen sind nicht nur für Gebäude und Geräte nötig, sondern auch für die Arztsitze. Denn Berlin gilt als überversorgt mit niedergelassenen Ärzten, weshalb in den meisten Gegenden auch ein Zulassungsstopp gilt. Will jemand ein Versorgungszentrum aufbauen, muss er die einzelnen Arztsitze – also etwa Dermatologie oder Kardiologie – von einem niedergelassenen Mediziner kaufen. Und ein solcher Sitz kann bis zu 100 000 Euro, bei begehrteren Fachrichtungen – etwa Internisten – aber auch 200 000 Euro und mehr kosten.

Wieviel das im vergangenen Oktober eröffnete Polikum gekostet hat, will Otto nicht verraten. „Betriebsgeheimnis“, sagt er. Schätzungen gehen von einem zweistelligen Millionenbetrag aus. Otto denkt schon an Expansion. Bald sollen hier 45 Ärzte tätig sein. „Wir machen jetzt schon Gewinn.“

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