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Medizin: Die Charité kämpft um Steglitz

Der Vorstandschef des Uniklinikums fordert Prioritätenentscheidung der Politik für die Hochschulmedizin. Wenn das Bettenhochhaus der Charité in Mitte bei laufendem Betrieb saniert werden soll, müssen Betten und Operationseinheiten von Mitte an den Standort in Steglitz ausgelagert werden.

Schon aus diesem Grund sollte das Klinikum Benjamin Franklin der Charité erhalten bleiben. Das erklärte jetzt der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums, Karl Max Einhäupl. Er reagierte damit auf eine Initiative von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD). Dieser lässt zurzeit prüfen, ob das Franklin-Klinikum unter dem Dach des städtischen Krankenhauskonzerns Vivantes kostengünstiger betrieben werden könnte.

Benjamin Franklin sei für die Charité nicht nur als Ausweichstandort unentbehrlich, betonte der Chef des Uniklinik. In der Zukunftsplanung sollen sich die Forscher und Ärzte in Steglitz schwerpunktmäßig um die Medizin für den „zweiten Lebensabschnitt“ kümmern. „Es gibt keine gute geriatrische Forschung in Deutschland“, sagte Einhäupl.

Einen Verzicht auf den Standort Steglitz lehnt die Charité auch aus einem weiteren Grund ab: Um international in der medizinischen Forschung eine Spitzenstellung zu erreichen, sei eine kritische Masse an Ärzten, Wissenschaftlern und Patienten notwendig. Unter diesem Gesichtspunkt sei die Charité nicht zu groß – ihre Größe sei vielmehr Voraussetzung für ihren Erfolg.

In Deutschlands Universitätsmedizin nimmt die Berliner Charité einen Spitzenplatz neben Heidelberg und München ein. Obwohl die Freie Universität den Elitestatus besitzt, übertrifft die Charité alle Berliner Universitäten bei der Summe der eingeworbenen Drittmittel für die Forschung und bei der Zahl der Sonderforschungsbereiche. Im Jahr 2008 hat die Charité 130 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben, und für das Jahr 2009 rechnet Einhäupl erneut mit 130 Millionen. Bei den Großvorhaben der Forschung ist die Charité mit elf Sonderforschungsbereichen federführend und an weiteren 15 Sonderforschungsbereichen beteiligt. Dennoch diskutiert die Landespolitik nun zum wiederholten Male die Frage, ob die Charité mit ihren drei Klinikstandorten in Mitte, Wedding und Steglitz nicht zu groß und zu teuer ist.

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich um Einsparungen und Kostenvergleiche kümmert. Kern des Problems ist der Sanierungsbedarf der Charité in Höhe von 650 Millionen Euro. Der größte Teil dieser Summe würde auf den Standort Mitte fallen, um das Bettenhochhaus zu sanieren oder einen Neubau zu errichten. Am Standort Steglitz geht es um die Sanierung der Operationssäle und der Patientenzimmer. Das Klinikum stammt aus den 60er Jahren.

In der Arbeitsgruppe wird auch geprüft, ob sich durch die Zuordnung des Franklin-Klinikums zum Krankenhauskonzern Vivantes Kosten sparen lassen. Einhäupl sieht dies nicht, weil auch Vivantes vergleichbar hohe Millionenbeträge in Steglitz investieren müsse. Die Charité sei aber zur Zusammenarbeit mit Vivantes bereit und wünsche sich eine gemeinsame Planung und Nutzung für den Neubau eines Großlabors. Selbst wenn die Bauarbeiten in Steglitz und Mitte erledigt seien, müsse sich das Land auf jährliche Investitionskosten von bis zu 100 Millionen Euro einrichten. Die Medizintechnik an der Charité sei in weiten Teilen so veraltet, dass Wartungskosten von zurzeit 70 Millionen Euro im Jahr entstünden.

Ihr Haushaltsdefizit scheint die Charité in den Griff zu bekommen. Es sei gelungen, die Verluste drastisch zu reduzieren, teilte der Finanzausschuss mit. Geplant sei, das Defizit im laufenden Jahr auf 19,5 Millionen Euro zu reduzieren. 2008 lag es noch bei 56,6 Millionen Euro.

Uwe Schlicht

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