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Berlin: Mediziner-Streik: Ärzte geben sich selbst ein Attest

Als Kati Lorenz gestern Mittag zur Praxis des Unfallchirurgen Josef Beyer am Kottbusser Damm eilte, erging es ihr wie zehntausenden anderen Berlinern auch: Der Doktor war nicht zu sprechen. Sie wurde mit ihrem Kind, das sich beim Sturz von der Rutsche am Knöchel verletzt hatte, an einen Notdienst verwiesen.

Als Kati Lorenz gestern Mittag zur Praxis des Unfallchirurgen Josef Beyer am Kottbusser Damm eilte, erging es ihr wie zehntausenden anderen Berlinern auch: Der Doktor war nicht zu sprechen. Sie wurde mit ihrem Kind, das sich beim Sturz von der Rutsche am Knöchel verletzt hatte, an einen Notdienst verwiesen. Denn seit gestern protestieren die Fachärzte gegen die Politik der Gesundheitsministerin. Bis zum 3. November wollen mehrere tausend Ärzte streiken.

Die Ärzte wollen auf die ihrer Ansicht nach prekäre finanzielle Situation hinweisen. Ihr Protest richtet sich gegen die Arzneimittelbudgets und Regressforderungen, gegen die mangelhafte Finanzierung der ambulanten medizinischen Versorgung durch die Primärkassen, die geringen Beiträge der so genannten Billigkrankenkassen sowie gegen die Explosion der Krankenkassen-Verwaltungskosten und die ihrer Meinung nach ungerechte Verteilung aus den Fachgruppentöpfen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin sind die Einnahmen ihrer Mitglieder um bis zu 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Zudem ist laut KV das Arzneimittelbudget am 7. November - also noch lange vor Quartalsende - nicht nur aufgebraucht, sondern vermutlich schon um 77 Millionen Mark überzogen.

Die Hausärzte beteiligen sich nicht am Streik, eine Vielzahl von ihnen solidarisiert sich aber mit den Protestaktionen. Deshalb wollen zahlreiche Allgemeinmediziner ihre Öffnungszeiten verkürzen oder mit weniger Personal arbeiten. Eine Notfallversorgung bleibt gewährleistet, indem die betroffenen Fachärztegruppen die Woche über einen Bereitschaftsdienst organisieren. In der KV-Zentrale in der Bismarckstraße sei gestern "die Hölle los gewesen", sagte KV-Sprecherin Annette Kurth. Allein bis Mittag habe es 360 Nachfragen von Patienten nach Dienst habenden Fachärzten gegeben. Die Sprecherin bittet die Patienten, sich zuerst beim Hausarzt zu melden und erst bei weiteren Fragen die Nummer des Bereitschaftdienstes 31 00 31 anzuwählen.

Patienten, die gestern bei dem Internisten Friedrich Warnecke in der Wiener Straße in Kreuzberg vor der Praxistür standen, wurden vom Doktor persönlich und in Form eines Flugblattes über die Aktionstage informiert. "Etwa 30 Leute waren heute Vormittag hier", sagte Warnecke, "die waren alle sehr einsichtig, gemosert hat niemand." Kati Lorenz, die bei ihrem Unfallchirurgen von der Sprechstundenhilfe Diana Adler an einen Bereitschaftsarzt verwiesen wurde, zeigte Verständis. "Ich bin nicht sauer. Ich kann das verstehen, was die Ärzte machen, schließlich wollen wir ja auch gut versorgt werden", betonte Kati Lorenz. Ein paar Treppen höher, an der Praxistür der Gynäkologin Claudia Meyer, weisen ebenfalls großflächige Informationszettel auf den Aktionstag hin. Dennoch sind sowohl die Ärztin als auch ihre Sprechstundenhilfe, Yvonne Gollnow, in der Praxis anzutreffen. "Nur fünf Leute sind heute früh gekommen", berichtet die Sprechstundenhilfe, "eine davon war sauer, dass sie den Weg umsonst gekommen ist. Der Rest hat das akzeptiert." "Wir haben unsere Patienten schon letzte Woche auf den Streik hingewiesen. Die meisten wussten Bescheid. Viele sind zwar nicht begeistert, verstehen das aber", ergänzte Claudia Meyer.

Heute um 14 Uhr werden die streikenden Fachärzte an einem Trauermarsch von der Luisenstraße am Karlsplatz (Graefe-Denkmal) bis zur Kaiserin-Friedrich-Stiftung (Robert-Koch-Platz) teilnehmen. Statt in weißer Berufskleidung wollen die Mediziner in dunkler Tracht dort einen Kranz niederlegen. Am Donnerstag finden Mahnwachen vor dem Sitz der BKK VBU, Gehrenseestraße 100 und der IKK Berlin-Brandenburg, Ordensmeisterstraße 15-16, statt. Dort sollen Handzettel verteilt und Plakate aufgestellt werden.

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