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Berlin: Mediziner wollte sich um hilflosen alten Mann kümmern - "Schweigepflicht verletzt" - Mangel an ehrenamtlichen Betreuern

Für Menschen, die sich nicht helfen lassen wollten, könne man kaum etwas tun. So reagierte Tiergartens Sozialstadtrat Diethard Rauskolb (CDU) auf den Tagesspiegel-Bericht über einen 85-jährigen Mann, der in einem Seniorenwohnhaus in der Kluckstraße in desolatem körperlichen Zustand und unter unhygienischen Verhältnissen sein Leben fristet.

Für Menschen, die sich nicht helfen lassen wollten, könne man kaum etwas tun. So reagierte Tiergartens Sozialstadtrat Diethard Rauskolb (CDU) auf den Tagesspiegel-Bericht über einen 85-jährigen Mann, der in einem Seniorenwohnhaus in der Kluckstraße in desolatem körperlichen Zustand und unter unhygienischen Verhältnissen sein Leben fristet. Von katastrophaler Versorgung, wie es der zu einem Hausbesuch in die Kluckstraße gerufene Hautarzt formulierte, könne keine Rede sein, sagte Rauskolb. Schließlich komme täglich ein privater Pflegedienst bei Atanas R. vorbei, und ein gerichtlich bestellter Betreuer kümmere sich um den alten Mann. Skandalös sei weniger das Schicksal des 85-Jährigen, sondern eher das Verhalten des Hautarztes, der nach Ansicht von Stadtrat Rauskolb seine ärztliche Schweigepflicht verletzt habe.

Unterdessen ist der Betreuer, Rechtsanwalt Herrmann, "noch einmal" in R.s Sozialwohnung in die Kluckstraße gegangen: "Ich habe ihm vorgeschlagen, ein neues Bett mit Matratze zu kaufen. Er hat abgelehnt, ich werde es aber trotzdem versuchen", sagt er. Wie berichtet, sind das Bett, der Teppichboden und andere Möbel völlig vergammelt, das ganze Zimmer riecht penetrant nach Urin. Der bis auf die Knochen abgemagerte Mann kann kaum laufen und nicht allein auf die Toilette gehen. Auf Grund traumatischer Erlebnisse als KZ-Häftling will der gebürtige Bulgare mit deutschem Pass nicht duschen. R. habe Angst, dass Gas ausströmt, sagt der Betreuer.

Das Problem bei sei nicht fehlendes Geld, um zum Beispiel die Wohnung zu renovieren, sondern mangelnde Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, betont Berufsbetreuer Herrmann, der nach eigenen Angaben der einzige Mensch sei, zu dem R. Vertrauen habe. Man müsse die Eigenarten des Mannes respektieren und dürfe nicht gegen dessen Willen handeln, betont der Rechtsanwalt.

Auf Qualitätsunterschiede bei gerichtlich bestellten Betreuern wies indes Wilmersdorfs Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer (Grüne) hin. Es gebe in der Berlin viel zu wenige ehrenamtliche Betreuer, die sich aus sozialem Engagement um gebrechliche und hilflose alte Menschen kümmern. Berufsbetreuer, die für eine Vielzahl von "Fällen" verantwortlich sind, fehle oft Zeit. Nach Angaben von Betreuer Herrmann haben einzelne Kollegen bis zu 120 Fälle, bei ihm selbst seien es 55. Der Gesetzgeber hat einen Stundensatz von 60 Mark für professionelle Betreuer festgelegt, bei geringer Ausbildung sind es 45 Mark. Ehrenamtliche Betreuer bekommen eine jährliche Aufwandspauschale von 600 Mark.

Bernhard Koch

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