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Berlin: Mehr als Kleinkunst

Das Tempodrom soll zum Berliner „Centre Pompidou“ werden. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg

Der Vergleich ist mutig: Zum „Berliner Centre Pompidou“ solle das Tempodrom werden, hat der Betreiber des dortigen Liquidrom-Bades für den Fall angekündigt, dass die Veranstaltungsarena an ihn verkauft wird. Bisher überwiegen allerdings die Unterschiede. Denn das deutlich größere Pariser Vorbild beherbergt seit 1977 Veranstaltungsräume, ein Museum, ein Zentrum für Industriedesign, eine Bibliothek und ein Kino. Die Besucher strömen den ganzen Tag lang in das Kulturzentrum. Davon konnte am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg gestern nicht die Rede sein – rund ums Tempodrom blieb es bis nachmittags recht ruhig.

Die Gründe liegen auf der Hand. Fast alle Veranstaltungen beginnen abends, und Flaneure meiden die triste Möckernstraße. Tagsüber locken nur das Liquidrom, das Restaurant „Möckernstübel“ und die Vorverkaufskasse Besucher an. Immerhin entspannten sich mittags schon 50 Badende bei Unterwassermusik in den Thermen, die bis zu 115 Gästen Platz bieten. Am Freitagabend und Samstagabend „stehen die Leute meistens Schlange“, sagte die Kassiererin. Dann gibt es zum Beispiel „Klassik unter Wasser“ und Auftritte von Diskjockeys. Bei Vollmond öffnet das Bad sogar bis 2 Uhr. Billig ist das Vergnügen nicht: Für die ersten zwei Stunden zahlen Erwachsene 15 Euro.

Im „Möckernstübel“ speisen hauptsächlich Besucher des Bades und der Tempodrom-Veranstaltungen. Gestern Mittag waren zwölf der rund 40 Plätze besetzt. „Ich bin aus Marzahn gekommen, um das Liquidrom kennen zu lernen“, sagte eine ältere Dame, die mit Freundinnen in dem Lokal saß. Probleme sehen die Lokalbetreiber der Firma Einhorn in erster Linie beim Catering: Nach den Terroranschlägen in den USA seien viele Gastveranstaltungen ausgefallen.

Die Geldnöte des Tempodroms beruhen laut Gründerin Irene Moessinger auf den zu hohen Kosten des Neubaus, nicht aber auf dem Spielbetrieb. Nach der Eröffnung Ende 2001 kamen im ersten Jahr 364 000 Gäste zu 253 Veranstaltungen. „Erotikmessen“ oder „Schlammcatchen“ zählen nicht zum Programm, wie die Betreiber gerne betonen. Mitunter finden aber Shows und Konzerte statt, die kaum noch an den früheren Spielort für Alternativkultur erinnern. So gab gerade die Sängerin Nicole („Ein bisschen Frieden“) ein Konzert. Am Wochenende tritt der Magier Hans Klok auf, und vom 19. Februar bis zum 9. März gastiert „Holiday On Ice“. Die Eiskunstläufer werden das Tempodrom auch tagsüber beleben, denn außer Abendvorstellungen sind auch Shows am Vor- und Nachmittag geplant. Laut Irene Moessinger läuft der Vorverkauf „sehr gut“.

Die bekannteste Veranstaltung war lange das Weltmusik-Festival „Heimatklänge“. Am alten Standort in Tiergarten hieß das Motto: „Umsonst und draußen.“ Doch im Vorjahr sah sich das Tempodrom gezwungen, zehn Euro Eintritt zu verlangen. Die Musik spielte aus Lärmschutzgründen nur im Haus. So kam es zum starken Besucherschwund; die „Heimatklänge“ suchen jetzt einen neuen Standort. Dem alten Tempodrom-Konzept entsprach zuletzt vor allem das Wortakrobaten-Festival „Maulhelden“. Zudem präsentiert Arnulf Rating jede Woche einen „blauen Montag“ mit allerlei Kleinkunst.

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