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Berlin: Mehr Freiheit für Flüchtlinge

Tausende Asylbewerber und Geduldete in Berlin und Brandenburg dürfen sich ab sofort ungehindert in beiden Ländern bewegen

Berlin - Der Senat nennt es die bundesweit großzügigste Regelung für die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen: Vom heutigen Donnerstag an können Asylbewerber und Geduldete in Berlin und Brandenburg eine Erlaubnis beantragen, mit der sie sich auch im jeweiligen Nachbarbundesland frei bewegen können. Die Genehmigung bekommen sie gebührenfrei bei der zuständigen Ausländerbehörde. Wie das brandenburgische Innenministerium und die Berliner Innenverwaltung mitteilten, ist die Genehmigung nicht zweckgebunden und laut Behörden so lange gültig, wie die „Aufenthaltsgestattung des Antragstellers“. Von der Lockerung der sogenannten Residenzpflicht profitieren rund 5200 Menschen in Berlin und 2800 Asylbewerber und Geduldete in Brandenburg.

Über die Region verteilt lebende Familien können sich in Zukunft besuchen, sportlich Aktive können an auswärtigen Mannschaftsspielen teilnehmen. „Wir schaffen damit eine pragmatische und vernünftige Regelung “, sagte Brandenburgs Innenminister Rainer Speer. Für die Betroffenen in Brandenburg bedeutet es zudem, dass sich von nun an im gesamten Bundesland bewegen können.

Bislang war einem Asylbewerber im Kreis Barnim beispielsweise nur dann gestattet, für einen Arztbesuch nach Potsdam zu fahren, wenn er eine zweckgebundene Einzelgenehmigung vorweisen konnte. Seit wenigen Monaten konnten Brandenburger zudem per Erlass nach Berlin reisen, etwa um an einem Gottesdienst teilzunehmen – aber sie mussten den Grund angeben und jedes Mal einen neuen Antrag stellen. Wurden sie ohne Genehmigung von Ordnungshütern erwischt, machten sie sich bislang strafbar. Bei den ersten Malen bedeutete das schmerzliche Bußgelder, bei mehrmaligen Verstößen mussten sie sogar mit Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr rechnen.

Die Residenzpflicht wurde 1982 eingeführt, mit der Erklärung, die „öffentliche Sicherheit und Ordnung sicherzustellen“ und Bewerber im Asylverfahren schnell zu erreichen. Kritiker sehen darin bis heute die Verletzung des elementaren Rechts auf Bewegungsfreiheit. So freuen sich Bürgerrechtler jetzt über die Neuregelung. Allerdings sehen sie weiterhin Lücken: Kay Wendel vom Flüchtlingsrat Brandenburg etwa sieht den Erlass „nur als einen Zwischenschritt“ und fordert eine Abschaffung der Residenzpflicht.

Nicht einverstanden sind die Organisationen mit den Ausnahmefällen, die von Innensenator Körting und seinem SPD-Kollegen Speer aufgezählt werden: Demnach profitieren von der neuen Freiheit verurteilte Straftäter nicht, sowie „Personen, die gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben“ und Flüchtlinge, die „ihre Rückführung vorsätzlich verzögern“. „Letzter Punkt wird sehr viele betreffen“, sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin, „Ausländerbehörden werfen vielen vor, dass sie ihre Papiere vorsätzlich vorenthalten“ – dabei könnten viele einfach keinen Pass auftreiben. Bei Menschen aus Syrien, Libanon und einigen afrikanischen Ländern komme es vor, dass die Botschaften sich weigern, ihre Identität anzuerkennen. Anja Heinrich von der Humanistischen Union lehnt zudem ab, dass Straftäter ausgenommen sein sollen, „das ist eine zusätzliche Strafe“.

Für die beiden drogendealenden Kinder mit Asylbewerberstatus hat die Regel keine Auswirkungen, da es bei ihnen um die Veränderung des Wohnortes geht.

Ferda Ataman

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