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Berlin: Mehr Geld fürs Buch: Nach Harry Potter fragen Kinder in den Bibliotheken oft vergebens

Soviel Spannung, Spaß und Spiel für nur 20 Mark im Jahr: Denn für diese Summe können Berliner in 184 öffentlichen Bibliotheken auf rund sechs Millionen Medien zugreifen: Bücher, Noten, Computer für Internet und Schreibarbeiten, Videospiele, Zeitschriften, Schulmaterialien, CDs, CD-Roms, sogar Plastiken. Über sieben Millionen Besuche verzeichneten die Büchereien 1999.

Soviel Spannung, Spaß und Spiel für nur 20 Mark im Jahr: Denn für diese Summe können Berliner in 184 öffentlichen Bibliotheken auf rund sechs Millionen Medien zugreifen: Bücher, Noten, Computer für Internet und Schreibarbeiten, Videospiele, Zeitschriften, Schulmaterialien, CDs, CD-Roms, sogar Plastiken. Über sieben Millionen Besuche verzeichneten die Büchereien 1999. Das billige Vergnügen könnte bald teurer werden. Denn angesichts der leeren Berliner Landeskasse wird im Parlament und Senat diskutiert, die jährliche Nutzungsgebühr um mehrere Mark zu erhöhen.

Logisch wäre es, von den zusätzlichen Einnahmen die Löcher zu stopfen. Schließlich befürchtet zum Beispiel die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), im nächsten Jahr keine neuen Bücher mehr einkaufen zu können, weil im Haushalt 3,9 Millionen Mark fehlen. Aber, so Gabriele Beger, Hausdirektorin der ZLB: "Gebührenerhöhungen kommen den Bibliotheken nicht direkt zugute. Das Geld, das wir einnehmen, fließt aufgrund der Haushaltsordnung an den Senat zurück. Und ob der uns davon ein höheres Budget zuteilt, ist Verhandlungssache." Dabei sei mehr Geld für Bestandswahrung und -aufbau dringend notwenig.

Rund 2,3 Millionen Bücher und anderes stehen im Freihandmagazin und in den Depots allein der beiden Haupthäuser, Zentral- und Landesbibliothek und Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB). In der AGB sind die Fachbereiche wie Literatur, Sprachen, Geistes- und Sozialwissenschaften, Kunst, Musik und die Kinderbibliothek untergebracht. Literatur aus Bereichen wie Mathematik/Informatik, Medizin, Recht, Sport, Technik, Umwelt und Wirtschaft findet sich dagegen in der ZLB. Von der Fachhochschulreife aufwärts sollen hier Studierende und Lehrende arbeiten können, ohne sich für viel Geld die Werke anschaffen zu müssen. "Deshalb ist die Aktualität der Haupthäuser so wichtig" sagt Direktorin Gabriele Beger. Doch gerade das sieht sie gefährdet. Ein Beispiel: Die Leiterin der Informatikabteilung klage, dass sie mindestens 70 000 Mark mehr brauche, um die rasant sich erneuernde Fachliteratur anbieten zu können. Das kann Bibliotheksbesucher Eugenij Romanienko nur unterstützen. Er hatte gerade vergeblich nach der siebten und neuesten Programmiersprache von Microsoft gesucht. Eine Gebührenerhöhung von bis zu fünf Mark im Jahr würde Romanienko akzeptieren, wenn dann endlich etwas gegen die Schlangen vor der Ausleihe getan wird. "Ja", bestätigt Gabriele Beger, "für 7000 Besucher am Tag ist das Personal zu knapp." Weil das Haus die letzten Erhöhungen der Honorartarife vom April 1999 selber habe tragen müssen - rund 1,3 Millionen Mark - würden diese Mehrkosten eben durch unbesetzte Stellen abgefedert. Deshalb könne man ab 19 Uhr nicht mehr ausleihen, obwohl bis 21 Uhr geöffnet ist. "Darüber beklagen sich sehr viele Besucher."

Unglücklich über den Zustand seiner Häuser ist auch Holger Dernbach. Der Amtsleiter der fünf Bezirksbibliotheken in Tiergarten rechnet vor, dass von seinem Etat - 2,7 Millionen Mark - nur 300 000 Mark für Neuanschaffungen zur Verfügung stünden. Pro Jahr erschienen allerdings knapp 80 000 neue Bücher. Die aktuellen Titel können oft nur in viel zu geringer Stückzahl gekauft werden. "Harry Potter haben wir vier Mal pro Band. Dabei fragen jeden Tag bis zu zehn Kinder danach." Dadurch, dass immer wieder veraltete Schinken aussortiert werden, aber nicht genügend nachkommen, ist der Bestand seiner Bibliotheken in den vergangenen drei Jahren von 190 000 Medien auf 160 000 zurückgegangen.

Eine Gebührenerhöhung hält Dernbach für eine Katastrophe, "denn gerade in Tiergarten haben wir viele sozial schwache Kunden. Da schmeißen uns die Kinder den Ausweis hin, weil sie die 20 Pfennig Überziehungsgebühren nicht bezahlen können." Viele Leser, die es sich in den Räumen der Bibliothek bequem gemacht haben, wollen mit Blick auf das Portmonnaie schon heute keinen Ausweis erwerben - die Bücherei als Wärmestube.

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