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Eine Intensivpflegerin im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin versorgt einen Covid-19-Patienten.

© picture alliance/dpa

Mehr Gewicht in Kliniken und Heimen: CDU bereitet Gesetzentwurf für Pflegekammer in Berlin vor

Ärzte und Apotheker haben eigene Kammern, brauchen auch Pflegekräfte eine? Berlins CDU plant einen Gesetzentwurf. Rot-Grün-Rot ist sich nicht einig.

Berlins Landespolitik wird bald über eine Pflegekammer diskutieren. Im August will die CDU einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

„Gerade in der Corona-Pandemie ist überdeutlich geworden, wie wichtig gut ausgebildete und fair bezahlte Pflegekräfte sind“, sagte der CDU-Abgeordnete Christian Gräff, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Abgeordnetenhaus, dem Tagesspiegel. „Die Lage wird sich in der immer älter werdenden Bevölkerung dramatisch verschärfen.“

Eine Standesorganisation mit weitreichenden Befugnissen werde der Pflege in Krankenhäusern, Heimen und ambulanten Diensten helfen. „Deswegen arbeiten wir an einem Gesetz für eine Berliner Pflegekammer und legen zeitnah einen Antrag vor“, sagte Gräff. „Wenn es der Koalition um gute Pflege geht, wird uns Rot-Grün-Rot dabei sicher unterstützen.“

Einer Kammer müssen alle Angehörigen eines Berufes beitreten. Als Körperschaft öffentlichen Rechtes bekommt sie vom Staat quasi-hoheitliche Aufgaben zugestanden, hat also mehr Macht als Berufsverbände auf Freiwilligenbasis. Eine Kammer erlässt Richtlinien und prüft Abläufe, prägt dadurch eine Branche mit, was auch das Selbstbewusstsein der Beschäftigten formt. Der Staat hat über Kammern nur die Oberaufsicht.

Kammern sind Ländersache. Es gibt sie für diverse Tätigkeiten, meist für als „freie Berufe“ bezeichnete Professionen, die ein Studium voraussetzen: Ärzte, Apotheker, Notare, Anwälte, Ärzte, Steuerberater. Die frühere Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zeigte sich für eine Debatte über eine Kammer offen. Der damalige Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) regte 2015 konkret an, eine Pflegekammer zu gründen. In einer Umfrage sprachen sich 59 Prozent von 1200 Pflegekräften für eine Kammer aus, in den Krankenhäusern tendenziell mehr als in den Seniorenheimen.

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Ob Pflegekräfte mehrheitlich eine Kammer wollen, ist nicht immer klar. Derzeit gibt es die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz und die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen. In Niedersachsen wurde die erst 2017 gegründete Pflegekammer 2021 aufgelöst. Der Landtag in Hannover stimmte dafür, nachdem die meisten Pflegekräfte für die Auflösung votierten. Auch fast 92 Prozent der Mitglieder der Pflegeberufekammer in Schleswig-Holstein sprachen sich 2021 für ein Ende ihrer Standesvertretung aus.

CDU: Haben aus Fehlern anderen Länder gelernt

„Aus den Fehlern anderer Bundesländer konnten wir lernen“, sagte Berlins CDU-Gesundheitspolitiker Gräff. In Berlin wolle man mit der Kammer insbesondere auf die Weiterentwicklung der Ausbildung setzen. Der Gesetzentwurf werde auch regeln, ob examinierte Fachkräfte oder auch einjährig ausgebildete Pflegehelfer der Kammer angehören sollen.

In den Gewerkschaften sehen viele eine Kammer kritisch. Für Tarifverträge könne eine Kammer nicht kämpfen. Sie stehe aber für zusätzliche Bürokratie, so der Einwand, von der es im Gesundheitswesen schon genug gebe. Auch viele Arbeitgeber lehnen eine Pflegekammer ab. Der traditionsreiche Berufsverband der Pflegeberufe DBfK plädiert für eine Kammer.

Um eine Pflegekammer zu gründen, müsste der Gesetzgeber darlegen, warum bestehende Ämter und Verbände für das Funktionieren der Zunft nicht ausreichen. Danach kann über ein Kammergesetz abgestimmt werden. Ob der CDU-Entwurf im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit fände, ist nicht absehbar.

SPD ist in der Pflegekammer-Frage schwer einzuschätzen

Man unterstütze Professionalisierungsprozesse in der Pflege, gegebenenfalls auch durch eine Kammer, sagte die Pflegeexpertin der Grünen, Aferdita Suka. Die rot-grün-rote Koalition beabsichtige dazu selbst einen „Dialogprozess“ zu starten. Der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft sagte, wenn sie von den Pflegenden gewünscht werde, sei er offen für eine Kammer: Initiativen der „Koalitionspartner“ würde er persönlich unterstützen. Wie seine Fraktion insgesamt zur Kammerfrage steht, sei aber „schwer einzuschätzen“, sagte Düsterhöft.

Die SPD war sich in Ablehnung einer Kammer bislang mit den Gewerkschaften einig. In der Linken ist das ähnlich. „Wir halten eine Pflegekammer auch nach den Erfahrungen in anderen Bundesländern für das falsche Instrument, müssen aber dringend die Pflege in der Selbstverwaltung stärken“, sagte der Linken-Gesundheitsexperte Tobias Schulze.

Mit Selbstverwaltung ist der „Gemeinsame Bundesausschuss“ aus Ärzten, Krankenhausgesellschaft und Kassen gemeint, der die Richtlinien der Versorgung in Deutschland aushandelt. Die Liberalen wiederum erwarteten „konkrete Vorschläge“ der Kammer-Befürworter, sagte FDP-Pflegeexperte Tobias Bauschke, die man prüfen werde. Er selbst finde den Wunsch nach einer Kammer nachvollziehbar.

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