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Mehr Teilnehmer als letztes Jahr: Atomkraft rettet den Ostermarsch

Der diesjährige Protestzug mobilisierte wesentlich mehr Demonstranten als im Vorjahr. Von bis zu 4000 Teilnehmern sprechen die Veranstalter.

Eine Friedenstaube aus Pappmaschee oder eine Friedensmöwe – so genau lässt sich das nicht sagen – führt den traditionellen Ostermarsch durch Berlin an. Dahinter prangt das Banner mit der Aufschrift: „Nato-Aggression gegen Libyen stoppen.“ Eigentlich eine klassische Friedensdemo. Doch nicht umsonst startete der Protestmarsch dieses Jahr vor der Zentrale des Energieversorgers Vattenfall. Die Atomkraft lockte die Leute auf die Straße. Wenn auch weniger als erhofft.

„Ein wenig enttäuschend ist es schon“, bemerkt eine ältere Frau. Sie ist in eine Wendland-Flagge eingehüllt und zeigt auf die Protestler hinter sich. Rund 1300 sind es nach Polizeiangaben. Die Veranstalter sprechen gar von 4000. Viel mehr als die 200 Demonstranten, die die Polizei im letzten Jahr zählte. Und doch: So kurz vor dem 25. Jahrestag des Reaktorunglücks in Tschernobyl, so kurz nach der Katastrophe in Fukushima hätten es mehr sein müssen, findet die Dame. Vor 50 Jahren, erzählt sie, sei sie das erste Mal bei einem Ostermarsch mitgelaufen. „Wäre es heute nicht um Atomkraft gegangen, wäre ich zu Hause geblieben.“ Ähnlich denken viele. Die lachende Sonne mit dem alten Slogan „Atomkraft – Nein Danke“ ist das bestimmende Motiv der Demo. Einige Protestler wundern sich gar darüber, dass der Ostermarsch unter dem Motto „Stoppt völkerrechtswidrige Aggression in Libyen“ steht. Verwirrung stiften Transparente, die „Tötet die Nato, nicht Gaddafi“ fordern. „Ich bin gegen Atomkraft“, sagt ein Herr. Mit den anderen Sprüchen habe er nichts zu tun.

Etwas weiter hinten, in der Mitte des Zuges, läuft Ali Assarray. „Horeya!“, skandiert er in sein Megafon: Freiheit. Für Bahrein, für Saudi-Arabien, Syrien und ja, auch für Libyen. Er ist Präsident von IOATRI, einer nach eigenen Angaben internationalen Organisation gegen Terror und Intoleranz. Dass wenige Meter hinter ihm der libysche Diktator als Held im Kampf gegen die Nato gefeiert wird, stört ihn nicht. „Wir kämpfen für dieselbe Sache“, sagt er. Jeder auf seine Weise.

Am Rande der Demo schiebt der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) sein Fahrrad über die Straße des 17. Juni. Er ist zufrieden. „Es könnten immer mehr Menschen sein“, sagt er. Aber insgesamt sei es ein gutes Signal an die Regierung. Zwar sei die Debatte um das Für und Wider des Libyeneinsatzes kompliziert, „die Demonstranten eint aber, dass sie grundsätzlich mit dem Herzen bei der Demokratie sind“, sagt Ströbele. Persönlich nehme er aber nur wegen der Atomproblematik am Marsch teil. Man müsse Präsenz zeigen, weiter Druck aufbauen.

Von einem wirklichen Aufbegehren konnte am Karsamstag auf der Demoroute zum Potsdamer Platz aber keine Rede sein. Das Zweckbündnis aus Friedensbewegung und Anti-Atomkraft- Lobby zog zwar mehr Menschen an. Doch mit einer gemeinsamen Stimme sprachen sie nicht. Sidney Gennies

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