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Beim BER geht es nicht voran, weshalb weiterhin nur am alten Flughafen in Schönefeld und in Tegel abgehoben und gelandet wird.

© dapd

Mehrkosten beim BER: Flug ins nächste Finanzloch

Der BER hat unerwartet noch ein paar Rechnungen bekommen und braucht jetzt 250 Millionen Euro mehr. So mancher Politiker reagiert mit Sarkasmus.

Der Zeitplan des Flughafens BER gerät wieder ins Wanken. Ursache sind nicht nur die Verzögerungen am Bau, sondern auch mögliche Mehrkosten in Höhe von 200 bis 250 Millionen Euro. Martin Delius (Piraten), Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus, spricht von einem „unglaublichen Vorgang – als wären Rechnungen von 250 Millionen Euro hinter die Heizung gefallen“. Die Kündigung der Generalplaner um das Büro von Gerkan (GMP) erweise sich erneut als schwerer Fehler im Krisenmanagement des Aufsichtsrats. „Jetzt rächt sich, dass SPD und CDU mit den 444 Millionen Euro einen Blankoscheck für Wowereit und Schwarz genehmigt haben“, erklärte die grüne Fraktionschefin Ramona Pop.

GMP hat sich dem Vernehmen nach an den Verkehrsausschuss des Bundestages gewandt, um seine Sicht der Dinge darzustellen. Aus einer Mail vom 28. Februar zwischen Planungsbüro und der BER-Geschäftsführung, die dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass GMP darauf hingewiesen hat, dass der Eröffnungstermin 3. Juni 2012 nicht zu halten sei. „Von einem üblichen Inbetriebnahmezyklus und -dauer können wir nicht mehr ausgehen“, heißt es darin.

Das Gros der 250 Millionen ist eine Spätfolge des Chaos um den geplatzten Start zum 3. Juni 2012. Wie der Tagesspiegel aus Aufsichtsratskreisen erfuhr, führte der hektisch-lockere Umgang der Geschäftsführung bei der Auftragserteilung auf der Baustelle zu den neuen Kosten. Die Anweisungen des BER-Geschäftsführers Rainer Schwarz und des früheren Technik-Chefs Manfred Körtgen auf der Baustelle nach und vor der geplatzten Eröffnung im Juni seien nicht schriftlich fixiert und die Aufträge nur mündlich erteilt worden. Für diese Extra-Aufträge gingen beim Flughafen nun die Rechnungen ein. Ein anderer Teil der Summe stammt dem Vernehmen nach aus Aufträgen, die jetzt an Firmen erteilt werden, um das Fluggastterminal funktionsfähig zu machen. Zuvor mussten 16 000 Blatt Ausführungspläne neu gefertigt werden.

Jetzt wird um Millionen gepokert. Die Flughafengesellschaft verhandelt derzeit mit den Unternehmen über die Konditionen für die Wiederaufnahme der Arbeiten und die Einhaltung der neuen Zeitpläne. Wie berichtet, sind die Arbeiten auf der Flughafen-Baustelle in Verzug geraten, obwohl dort seit Mitte November alles auf Hochtouren laufen sollte. Die Unternehmen begründen dies damit, dass die Flughafengesellschaft die finanziellen Forderungen derzeit nicht erfüllen könne. Der Flughafen hält die Forderungen für zu hoch. Allerdings hat die Flughafengesellschaft auch ein gravierendes hausgemachtes Problem: Denn sie hat oft keine eigenen Unterlagen zu extra erteilten, aber nie vermerkten Aufträgen, und kann sie deshalb auch schwerlich im Nachhinein überprüfen und verbuchen. Zudem ist die Verhandlungsposition der BER-Chefetage geschwächt, weil der Druck, die Eröffnung am 27. Oktober 2013 zu halten, enorm hoch ist. Insider gehen wegen des neuerlichen Verzuges auf der Baustelle und den Auseinandersetzungen mit den Baufirmen davon aus, dass der Flughafen doch erst im Jahr 2014 in Betrieb gehen wird.

Nun wachsen die Zweifel, ob die Mehrkosten durch das Zusatzbudget von Bund, Berlin und Brandenburg über 1,2 Milliarden Euro aufgefangen werden können. Klaus Wowereit (SPD) versuchte am Donnerstag, die Brisanz herunterzuspielen. Dem  Radiosender RTL sagte er, die Extrakosten würden durch die Zuschüsse der Gesellschafter abgedeckt. „Diese 250 Millionen Euro sind eine Betrachtung, was passieren könnte. Das sind erstmal noch Vermutungen, sie sind noch nicht ganz konkret und sie sind noch zur Zeit durch die 1,2 Milliarden gedeckt.“ In den zusätzlichen Geldern seien bereits Reserven eingeplant. Es sei klar gewesen, dass bei der Überprüfung von Rechnungen noch Kosten entstehen könnten.

Berlin und Brandenburg stellen jeweils 444 Millionen Euro bereit im Rahmen des Zusatzbudgets von 1,2 Milliarden Euro. „Es ist auskömmlich“, sagte Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke), der den Finanzausschuss des Aufsichtsrates leitet. Der Bund verfolgt die Turbulenzen mit Argwohn. Im Bundeshaushalt sind die 312 Millionen Euro mit einem Sperrvermerk versehen. Bislang galt es als wahrscheinlich, dass der Haushaltsausschuss die Sperre per Beschluss einfach aufheben kann. Angesichts der neuen Entwicklungen wird das aber wieder fraglich. „Dieser ganze Vorgang wirft einmal mehr ein desaströses Bild auf die BER-Geschäftsführung und zeigt, dass die nicht nur nicht bauen, sondern auch nicht rechnen können“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Es wird eng für Rainer Schwarz

BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz weiter in der Kritik.
BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz weiter in der Kritik.

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Ein weiteres Draufsatteln beim Budget des BER würde auch das Notifizierungsverfahren bei der EU in Frage stellen. Am Mittwoch wurde die Notfinanzierung offiziell beantragt. Doch mit den zusätzlich fälligen 250 Millionen Euro, wie aus Aufsichtsratskreisen bestätigt wurde, schwinden jetzt die Puffer und Reserven. Brandenburgs CDU-Oppositionsführer Dieter Dombrowski prophezeite: „Zur Eröffnung wird die Fünf-Milliarden-Grenze gerissen sein.“ Die Wettbewerbshüter der EU in Brüssel haben die nachträglichen Staatszuschüsse von 1,2 Milliarden bislang nicht genehmigt. Eine Zustimmung der EU-Kommission zu den neuen Beihilfen gilt aus Sicht der Gesellschafter aber als sicher. 

Sollte sich am Ende herausstellen, dass der Puffer nicht ausreicht, wäre auch die EU-Genehmigung hinfällig. Weil das Geld am BER nur noch bis Ende Januar reicht, ist eine schnelle Entscheidung nötig. Ohne den Segen der EU dürfen Bund, Berlin und Brandenburg die Gelder nicht ausreichen.

Die Gegner des Flughafens hoffen darauf, dass die EU nur unter Auflagen genehmigt. Bei der sogenannten Beihilfeprüfung 2009 habe die EU-Kommission „unter Vortäuschung falscher Tatsachen“ entschieden, sagten Kritiker der Friedrichshagener Bürgerinitiative. Damals gingen die Planer noch von anderen Flugrouten und geringeren Kosten aus. Die öffentlichen Beihilfen von „höchstens 27 Prozent“ der Gesamtkosten seien gerade noch akzeptabel, erklärte die EU 2009. Durch die Mehrkosten steige die Beihilfequote nach Einschätzung der Kritiker „nahe 50 Prozent“.

Auch die Personalie Schwarz rückt wieder in den Vordergrund. Der Bund drängt auf eine Entlassung, Berlin und Brandenburg sperren sich dagegen. Die nun bekannt gewordenen Verfehlungen von Schwarz liefern dem Bund neue Argumente für eine Ablösung des BER-Geschäftsführers. Nach den bisherigen Absprachen sollte bei der Sitzung des Aufsichtsrats Ende nächster Woche darüber beraten werden, Schwarz die Kompetenzen für die Finanzen zu entziehen und nur noch den laufenden Betrieb der Flughäfen zu überlassen. Döring sagte: „Es ist dringend geboten, das Finanzressort an eine andere Person zu übergeben, nur muss man jetzt erstmal jemanden finden, der bei diesem schlechten Rahmenbedingungen den Job machen will.“

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