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Am einen Ufer Kreuzberg, am anderen Friedrichshain, an beiden: Party!

© picture alliance / dpa

Mein Berlin, dein Berlin: Battle der Bezirke

Ost, West, Zentrum, Rand: Wo ist Berlin am besten? Zwölf flammende Plädoyers für zwölf ebenso interessante wie unterschiedliche Stadtteile.

Wussten Sie, dass Charlottenburg-Wilmersdorf so groß ist wie Wuppertal? Und dass in Pankow so viele Menschen leben wie in Bochum, nämlich 380.000? Die Berliner Bezirke haben alle das Format von Großstädten.

Nicht, dass es in Berlin viele Leute gäbe, die lieber in Wuppertal oder Bochum leben würden – aber einen Vorteil haben diese Städte: In jeder von ihnen gibt es richtige Lokalzeitungen, die das Geschehen vor Ort abbilden. Welche Mietskandale es gibt, welche großen und kleinen Projekte entstehen, welche tollen Lokale eröffnet werden und wer mit wem im Stadtrat den Standort der neuen Shoppingmall ausmauschelt.

Wer sich für Namen und Nachrichten aus den Berliner Bezirken interessiert, war schlecht bedient – bis jetzt. Denn seit Juni gibt es für jeden Bezirk einen Newsletter vom Tagesspiegel, insgesamt zwölf. Sie kosten nichts und erscheinen jede Woche. Geschrieben werden die Lokalnachrichten von Autorinnen und Autoren der Tagesspiegel-Redaktion. Von Leuten also, die sich im jeweiligen Bezirk bestens auskennen.

Und weil hinter jedem Bauprojekt, hinter jeder Entscheidung in der Bezirksverordnetenversammlung, hinter jedem Konzert Menschen stehen – weil also die Bürger das Entscheidende sind, haben wir das Format „Leute“ genannt. Wir möchten nicht seelenlose Nachrichten verbreiten, sondern erzählen, wer im Bezirk sich etwas einfallen lässt, wer wofür verantwortlich ist.

Natürlich hat das – bei aller journalistischen Distanz – auch viel mit Identifikation zu tun, vielleicht sogar mit Stolz. Unsere Newsletter-Autoren recherchieren objektiv nach innen, den großen Aufreger genauso wie die aktuelle Verkehrsmeldung. Nach außen sind sie aber auch Repräsentanten, überzeugte Spandauer, Kreuzberger, Pankowerinnen. Daher auch die Idee zum spielerischen Wettstreit auf dieser Seite.

Welcher Bezirk der spannendste ist? Unsere Autoren haben sich festgelegt!

Küren Sie Ihre(n) eigenen Favoriten durch ein kostenfreies Newsletter-Abo: leute.tagesspiegel.de

Reinickendorf: Sie wollen hier gar nicht hin!

Ruhiges Pflaster: Wer es eher dörflich mag, ist am Tegeler See gut aufgehoben.
Ruhiges Pflaster: Wer es eher dörflich mag, ist am Tegeler See gut aufgehoben.

© picture alliance / dpa

Warum um alles in der Welt sollte ich so dumm sein und Ihnen hier die Vorteile von Reinickendorf schildern? Der einzige Effekt wäre doch, dass Sie alle da wohnen wollen. Lassen Sie es sein. Wasser gibt es auch in Köpenick genug. Wer es etwas vornehmer mag, bitte sehr: In Zehlendorf am Wannsee sind Sie bestens bedient. Wir haben nur den Tegeler See und die Havel, beides sehr schön, ja, aber denken Sie an den Flugverkehr, den wir hier vermutlich noch ein paar Jahre haben. Wollen Sie das wirklich? Und die Wohnungslage im Norden Berlins ist auch nicht rosig. Was den Mietwohnungsbau angeht, ist Reinickendorf Berliner Schlusslicht. Wahrscheinlich haben die im Bezirksamt das Gefühl, wir seien eh schon genug. Die Bevölkerung ist eben sehr bodenständig hier. Reinickendorf ist ja eigentlich nichts als eine Ansammlung von Dörfern, einige davon haben noch eine richtige Feldsteinkirche auf dem Dorfanger und rundherum alte Häuser wie im Museum. Ist aber alles bewohnt. Sie jedoch wollen vermutlich in einer Stadt leben, nicht auf dem Land. Und da sind Sie hier ganz falsch: Bei uns in Reinickendorf sagen sich zwar nicht Fuchs und Hase Gute Nacht, aber Fuchs und Wildschwein Guten Tag – die spazieren hier gemeinsam durch die Straßen.

Es ist halt alles etwas bäuerlich. Für uns ist das aber genau richtig. Und wenn es uns mal langweilig wird, setzen wir uns in Frohnau, Hermsdorf oder Waidmannslust in die S 1 und sind in 30 Minuten am Potsdamer Platz. Das reicht, dann freuen wir uns auf die Rückfahrt. Aber, klar: Besuchen können Sie uns ja mal.

Fläche: 89,48 Quadratkilometer

Einwohner: 256.617

Durchschnittsalter: 45,2 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 24,4 %

Schlechtestes Fußballteam: RFC Liberta II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 10.756 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Calvin Harris: This is What U Came for; Desiigner: Panda

Der Reinickendorf-Newsletter: jeden Mittwoch von Gerd Appenzeller. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Pankow: Wer schwärmt, meint uns

Das Berlin aus den Reiseführern: Straßenkonzert im Mauerpark.
Das Berlin aus den Reiseführern: Straßenkonzert im Mauerpark.

© Thilo Rückeis

Pankow hat es im Grunde gar nicht nötig, sich mit anderen zu vergleichen. Die Tatsache, dass der Bezirk wächst wie kein anderer, spricht doch eine klare Sprache: Alle wollen nach Pankow. Nicht nur halb Baden-Württemberg ist hier inzwischen heimisch. Wem es in New York, Tel Aviv, Stockholm oder Madrid zu langweilig wird, für den gibt es nur einen Zufluchtsort: Pankow.

Seien wir doch ehrlich: Wer draußen von Berlin schwärmt, der meint nicht Wilmersdorf, wo weißhaarige Herren mit Schnauzbart und Uli-Stielike-Gedächtnissakko beim Lieblingsitaliener ihr Carpaccio zu sich nehmen. Nein, er meint immer noch den Mauerpark, wo junge Hipster entspannt in Flip-Flops über den Flohmarkt schlendern und sich danach mit einer Flasche Bier im Gras niederlassen, um einem der vielen Spontangigs zu lauschen.

Das gibt’s in Berlin inzwischen auch anderswo? Ach was, das pubertäre Neukölln kommt an den kreativen Spirit des Prenzlauer Bergs nicht heran. Und Moabit ist doch nur eine Spekulationsblase. Die wirklich interessanten Menschen, Künstler, Architekten, Journalisten ;-), zieht es in den Norden der Torstraße.

Doch Achtung: Dieser Bezirk hat auch szenefreies Terrain zu bieten, ein Naturschutzgebiet gar, Äcker und Pferdekoppeln. Und das kleine Schloss Schönhausen ist zwar nicht so prächtig wie andere in Berlin, dafür gibt es im Schlosspark eine Kleingartenkolonie. In Pankow wird halt gelebt und nicht nur Hauptstadt simuliert. Okay, auf den Spielplätzen wird es manchmal ein wenig eng. Denn in Pankow werden auch die meisten Kinder geboren. Aber das kommt natürlich ebenfalls nicht von ungefähr. Noch Fragen?

Fläche: 103,07 Quadratkilometer

Einwohner: 389.976

Durchschnittsalter: 40,8 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 9,7 %

Schlechtestes Fußballteam: Sportfreunde 06 II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 21-474 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Sia: Cheap Thrills; 3. Justin Timberlake: Can’t Stop the Feeling

Der Pankow-Newsletter: jeden Donnerstag von Ulrike Scheffer. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Spandau: Kannste nich' meckern

"In" Berlin oder "bei" Berlin? Wer rund ums Rathaus Spandau wohnt, kann die Frage nicht mehr hören.
"In" Berlin oder "bei" Berlin? Wer rund ums Rathaus Spandau wohnt, kann die Frage nicht mehr hören.

© Doris Spiekermann-Klaas

Mit Spandau ist das immer so eine Sache. Will nie einer dort gewesen sein, hat aber jeder ’ne Meinung zu: liegt weit draußen, hat nix zu bieten, gähn. Und: „Ihr sagt doch immer ,bei Berlin‘, oder?“

Ach, herrje, gleichfalls gähn, die schon wieder, denken wir dann und greifen routiniert zum Statistikbuch: Wo leben noch mal die glücklichsten Menschen dieser Stadt laut Hertie-Studie? Und in welchem Bezirk wohnen die meisten gebürtigen Berliner? Genau, danke.

Soll heißen: Könnte beides ein Indikator dafür sein, dass Spandau mehr zu bieten hat als Zitadelle, Juliusturm, Ikea, ICE-Bahnhof (hallöchen, City West!) und ein BVG-Bötchen nach Kladow, das an Wochenenden von aufgekratzten Tagestouristen geentert wird.

Gut, das Neu-Berliner Szenevolk kommt mit der U7 selten von Neukölln bis zu unserem Rathaus gefahren. Wir haben dafür eine gewachsene Jogginghosen-Klientel. Und eine herrlich kühle Havel, in die, wer an heißen Sommertagen lange genug in seinem Florida-Eisbecher gerührt hat, unbeschwert hopsen kann, während in den vollen Innenstadtbädern der Schweiß auf die Kacheln tropft.

Köpenick hat den Hauptmann? Wir haben Wladimir Putin, Ritter von Spandau (Tagesspiegel gelesen, dabei gewesen). Friedrichshain-Kreuzberg ist seit 2001 vorbildlicher Ost-West-Bezirk? Die Staakener geben seit 1990 gern Tipps. Neukölln hat den schlechtesten Erstligisten aller Zeiten? Wir haben den schlechtesten Zweitligisten. Mitte wuchert mit der Spree? Schön, aber wo fließt sie hin?

Kurzum: Der Spandauer macht nicht so ein Gewese. Er ist halt Berliner, waschechter. Und wenn der zufrieden ist, sagt er nur: „Kannste nich’ meckern.“

Fläche: 91,88 Quadratkilometer

Einwohner: 234.630

Durchschnittsalter: 44,5 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 24,6 %

Schlechtestes Fußballteam: 1. FC Besiktas

Länge des Wikipedia-Eintrags: 27.105 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Cheat Codes: Sex; 2. Drake: One Dance; 3. Fifth Harmony: Work from Home

Der Spandau-Newsletter: jeden Dienstag von Rainer W. During. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Steglitz-Zehlendorf: Seen und Wald, Wald, Wald

Berlins Badewanne: der Zehlendorfer Schlachtensee.
Berlins Badewanne: der Zehlendorfer Schlachtensee.

© Thilo Rückeis

Steglitz-Zehlendorf ist zunächst einmal ein Wortungetüm aus 18 Buchstaben. Ein Reformbezirk wie viele in dieser Stadt. Der Bindestrich vereint in diesem Fall, was nicht unbedingt vereint werden will: Die Steglitzer sind in erster Linie Steglitzer und die Zehlendorfer eben Zehlendorfer. Steglitz-Zehlendorfer ist hier niemand. Macht aber nichts, der Berliner Südwesten ist auch so etwas Besonderes: Er ist grün, idyllisch und städtisch zugleich. 300 000 Einwohner, damit liegt dieser Bezirk zwar nur im Mittelfeld Berlins, aber dafür ist er so vielseitig wie kaum ein anderer.

Vor allem in Sachen Wasser! „Pack die Badehose ein“ – wenn es warm wird und sonnig, zieht’s die Großstädter seit je hierher. Und das nicht nur wegen des größten europäischen Binnenstrandbads am Wannsee: Der Grunewaldsee ist eine spezielle Badestelle für Stadthunde, dafür kann Stadtmensch auch noch in der Krummen Lanke und im Schlachtensee baden.

Dass es da auch mal Ärger gibt, vor allem zuletzt rund um das legendäre Hundeverbot vom Schlachtensee, ist wohl nicht zu vermeiden. Dabei ist ausreichend Platz, sich abseits der Seen aus dem Weg zu gehen. Drumherum: nichts als Wald, Wald, Wald. Hier wird nicht gerast, hier wird vor allem gerastet. Deutschlands prominentester Kameramann Michael Ballhaus, der in Zehlendorf wohnt, hat es einmal so ausgedrückt: „Hier lebt man wie auf dem Land und ist doch sehr nah am Puls der Stadt. Großstadt und Dorf zugleich zu sein, ist ohnehin eine große Kunst Berlins.“ Steglitz und Zehlendorf beherrschen sie in Perfektion.

Fläche: 102,50 Quadratkilometer

Einwohner: 299.765

Durchschnittsalter: 46,1 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 11,5 %
Schlechteste Fußballmannschaft: Steglitz GB II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 14.373 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Justin Timberlake: Can’t Stop the Feeling; 3. Desiigner: Panda

Der Steglitz-Zehlendorf-Newsletter: jeden Donnerstag von Maike Raack. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Charlottenburg-Wilmersdorf: West bleibt West

Wo, wenn nicht hier? Mindestens für eine Hälfte der Stadt schlägt Berlins Herz in der City West.
Wo, wenn nicht hier? Mindestens für eine Hälfte der Stadt schlägt Berlins Herz in der City West.

© dpa

Fangen wir doch mal mit dem Fußball an. Nach jedem erfolgreichen EM- oder WM-Spiel der deutschen Elf rollt der Autokorso über den Ku’damm, und beim DFB-Pokal treffen sich die Dortmund-Fans auf dem Breitscheidplatz. Im Gegensatz zur Tiergartener EM-Fanmeile haben das nicht Ämter so bestimmt, es ist aus dem Fußballvolk heraus gewachsen. Warum wohl? Weil Charlottenburg-Wilmersdorf, in Mauerzeiten das „Schaufenster des Westens“, symbolhaft für die ganze Stadt steht. Hier starten die meisten Berliner Sightseeing-Busse ihre Touren. Nicht zufällig war das Kranzler-Eck der Sehnsuchtsort vieler Tausender Ost-Berliner, als am 9. November 1989 die Mauer fiel.

Ein Bauprojekt jagt das nächste – nur eines der Zeichen dafür, dass die City West das in die Jahre gekommene alte West-Berlin hinter sich lässt. Trotzdem ist es rund um den Savignyplatz noch immer recht gemütlich, gastronomisch mangelt es an nichts. Wem es etwa in Prenzlauer Berg zu nervig wird, der zieht in die City West. Ku’damm und Tauentzienstraße (die etwa zur Hälfte zum Bezirk gehört) bilden zusammen die größte Einkaufsstraße Berlins. Trotzdem kann man – wie ich am Ludwigkirchplatz – ruhig wohnen. Und als ob es hier kein Grün gäbe: vom wunderbaren Lietzenseepark über den Volkspark Wilmersdorf und die Jungfernheide bis zum nahen Grunewald.

All das hat natürlich seinen Preis. Die Miet- und Eigentumswohnungen, die hier noch nie billig waren, werden wie überall in der Stadt teurer, sowohl in den vielen Altbauten als auch in den luxuriösen neuen Wohnhäusern, mit denen Investoren die letzten freien Ecken bebauen. Das muss man nicht toll finden. Aber es zeigt, wie enorm gefragt die Gegend ist.

Fläche: 64,72 Quadratkilometer

Einwohner: 330.468

Durchschnittsalter: 45,7 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 14,9 %

Schlechtestes Fußballteam: Hellas-Nordwest II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 10.370 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Sia: Cheap Thrills; 3. Calvin Harris: This is What U Came for

Der Charlottenburg-Wilmersdorf-Newsletter: jeden Freitag von Cay Dobberke. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Tempelhof-Schöneberg: Kind, was willste in Berlin?

Freiheit! Gibt's in dieser Form nur in Tempelhof.
Freiheit! Gibt's in dieser Form nur in Tempelhof.

© Thilo Rückeis

Tempelhof-Schöneberg müsste eigentlich gar nicht zu Berlin gehören. Es ist für sich so vielseitig wie sonst nur eine Millionenmetropole. Weltklasse-Glitzer-Shopping? Gibt’s im KaDeWe! Großstadtflair? Drumherum. Queeres Leben in größter großstädtischer Selbstverständlichkeit? Am Nollendorfplatz und weit darüber hinaus. Alles finden, was das Herz begehrt, kleine Läden, Bars und Restaurants, ohne entweder von Touris totgetrampelt zu werden (Mitte) oder in provinzielles Ketten-Einerlei (Randbezirke) abzurutschen? Kann man im Akazien-Goltz-Winterfeldt-Kiez; am besten natürlich, wenn auf dem Winterfeldtplatz Wochenmarkt ist. Leben wie die Nobelpreisträger Günter Grass (einst), Herta Müller (noch) und viele andere Geistesgrößen? Bleiben Sie gleich in Friedenau!

Für alle anderen geht die Reise weiter: In Lichtenrade wohnt sich’s schön im Villenviertel, für die nicht so Betuchten tut’s das Einfamilienhaus in Mariendorf. Die Alternativen tummeln sich heute in der Ufa-Fabrik in Tempelhof. Geschafft wird beim Daimler im Industriegebiet von Marienfelde, und im dörflichen Teil desselben Stadtteils kann man beim Bauernmarkt sein Frühstücksei am Automaten ziehen. Kind, was willste denn in Berlin, wenn du in Tempelhof-Schöneberg sein darfst?

Und was noch gar nicht erwähnt wurde: Der Bezirk kann Flughafen. Das hat er jahrzehntelang unter Beweis gestellt und dabei große Geschichte geschrieben. Während der Blockade starteten am Flughafen Tempelhof die Flugzeuge im Minutentakt. Eine Meisterleistung sondergleichen. Auch danach war der Airport jahrzehntelang unverzichtbar. Das muss Berlin mit seinem BER doch erst einmal nachmachen.

Fläche: 53,09 Quadratkilometer

Einwohner: 341.161

Durchschnittsalter: 44,1 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 17,6 %
Schlechtestes Fußballteam: FC Phönix/Ayyildiz II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 12.955 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Calvin Harris: This is What U Came for; 3. Sia: Cheap Thrills

Der Tempelhof-Schöneberg-Newsletter: jeden Dienstag von Sigrid Kneist. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Mitte: Eine einzige Sozialstudie

Sie nennen es Arbeit. Wir nennen es Sankt Oberholz.
Sie nennen es Arbeit. Wir nennen es Sankt Oberholz.

© picture alliance / dpa

Mitte ist immer mehr, als du glaubst. Hier kollidieren Malocher mit Modebloggerinnen, aufpolierte Fassaden mit rauem Pflaster, Anzugträger mit Langzeitarbeitslosen, Touristen mit Urberlinern, Atzen mit Studenten, Hippies mit Hardlinern. Wer denkt, dass die alle nur aneinander vorbeileben, irrt sich gewaltig. Nirgendwo sonst in Berlin sind die Menschen so ehrlich miteinander, so unbedacht authentisch. Weil sie es können und weil sie sich kennen – oder im Zweifel schnell kennenlernen. Sie begegnen sich in alten Eckkneipen oder an neuen Essensständen, und wer ihnen zuhört, realisiert, wie viele Überraschungen unter der Oberfläche jedes noch so kurzen Gesprächs stecken.

Hier braucht man keine Sozialstudien, um zu verstehen, wie die Welt sich verändert. Hier ist alles, was man vor der Nase hat, eine Sozialstudie. Und ein Experiment: Jeder kann sich spontan entscheiden, wie er sein will – ob geschäftig auf dem Potsdamer Platz, entspannt im Tiergarten oder kantig am Gesundbrunnen. Irgendwie ist ja doch alles nah – und, abseits der Touristen-Hotspots, viel weniger nervig-schrill, als man denkt. Denn Mitte versucht, allen Klischees zum Trotz, keinen Stil zu kopieren oder etwas vorzuleben, Mitte hat überall einen anderen Rhythmus, an jeder Ecke eine andere Intensität. Deswegen muss man Mitte auch nie verlassen. Man kann hier still in seine eigene Welt abtauchen, sich sein zurückgezogenes Reich aufbauen. Und sich dann gleich wieder mutig zur Schau stellen, rausgehen, flanieren. Das ist Weltoffenheit, die auf Heimatgefühl trifft. Und was braucht man eigentlich mehr?

Fläche: 39,47 Quadratkilometer

Einwohner: 363.236

Durchschnittsalter: 39,1 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 26,5 %
Schlechtestes Fußballteam: ASV Berlin II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 9.031 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Justin Timberlake: Can’t Stop the Feeling; 3. Sia: Cheap Thrills

Der Mitte-Newsletter: jeden Freitag von Egon Huschitt. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Friedrichshain-Kreuzberg: Unser*e Bezirk*in

Am einen Ufer Kreuzberg, am anderen Friedrichshain, an beiden: Party!
Am einen Ufer Kreuzberg, am anderen Friedrichshain, an beiden: Party!

© picture alliance / dpa

Friedrichshain-Kreuzberg ist anders. Wir sind der Bezirk mit dem amtlichen Gender*Sternchen, weil wir hier Menschen nicht schon in der persönlichen Anrede auf ein Geschlecht festlegen. Die Anerkennung von Identitäten zwischen den traditionellen Schubladen von Mann und Frau findet ihren Ausdruck nicht zuletzt in der Unisex-Toilette, die im Rathaus Kreuzberg eingerichtet wurde. Jeder darf sein, wer und was er will. Die viel beschworene Freiheit dieser Stadt, sie ist in Friedrichshain-Kreuzberg zu Hause. Darauf sind viele Einwohner*innen stolz, egal ob sie Türk*innen, Schwab*innen, „Motz“-Verkäufer*innen oder Ex-Hausbesetzer*innen sind, aus denen dann später gutbürgerliche Architekt*innen und Anwält*innen wurden.

Weil hier jede*r was zu sagen hat, wird jede Minderheit gehört: in Anwohnerversammlungen, Kiez-Initiativen, Widerstandskreisen oder am Runden Tisch der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Im libertären Ost-West-Freistaat wird nicht gerne regiert, sondern lieber moderiert – und das mit sattgrünen Mehrheiten, von deren Ausmaßen selbst die CSU in Bayern längst nur noch träumen kann. Für die innere Sicherheit haben wir Ströbele im Bundestag und können zwischen Bergmannkiez und Simon-Dach-Straße unbeschwert das freie Leben feiern. Darum kommen sie zu uns, die Völker der Welt! Aus Amerika! Aus England! Aus Frankreich! Aus Italien! Mit ihren Rollkoffern in die Partyzonen an den Stränden der Spree! Und wenn wir kiffen wollen, beantragt unser Bezirksamt Coffee-Shops beim Bund. Abgelehnt? Niemand ist illegal, aber wenn’s nicht anders geht: egal! Hauptsache, die BSR räumt nach der Party auf.

Fläche: 20,34 Quadratkilometer

Einwohner: 278.393

Durchschnittsalter: 37,3 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 23,1 %
Schlechtestes Fußballteam: FC Kreuzberg II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 10.033 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Sia: Cheap Thrills; 3. Justin Timberlake: Can’t Stop the Feeling

Der Friedrichshain-Kreuzberg-Newsletter: jeden Mittwoch von Stephan Wiehler. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Neukölln: Trotzdem kann uns keiner was

Ach was, keine Angst - wenn Neuköllner bellen, beißen sie noch lange nicht.
Ach was, keine Angst - wenn Neuköllner bellen, beißen sie noch lange nicht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wir sind Angstobjekt, Hipsterspielplatz, der feuchte Traum im Portfolio eines jeden Immobilieninvestors auf Hochglanzpapier. Wir waren im „Guardian“ („the epicentre of cool „) und der „Washington Post“ („center of global hipsterdom“). Es gab den Hype, das Liebeslied, den Abgesang. Vom Schmuddelkind der Nation in den Lonely Planet in einem Augenaufschlag.

Und jetzt, 2016? Identitätskrise. Während das alte Sofa des Nachbarn stumm den Kanal hinunterschwimmt und die kaputte Kloschüssel vor der Tür Rost ansetzt, muss die Drogenhilfe umziehen (Mieterhöhung) und der Dealer prügelt sich mit irgendwem (Schulden) zum Sound von sanften Technobeats (neue Bar), während zwei Straßen weiter ein Gastro-Paradies für die Start-up-Elite zusammengezimmert wird.

Neukölln ist immer noch dreckig, kriminell und stinkt. Die Politik hat hier viel falsch gemacht. Verschimmelnde Schulen und Alkoholverbot vor dem Rathaus fasst ihre Leistung hier ganz gut zusammen. Trotzdem kann uns keiner was. Während Restdeutschland Angst vor uns hat (der Islam), gehen wir gegen Nazis auf die Straße (auch in Marzahn). Aber vor allem: Wir helfen einander. Wenn eine Infoveranstaltung zur neuen Geflüchtetenunterkunft stattfindet, ist die Halle voll. Aber nicht mit Rassisten, pardon: besorgten Bürgern – sondern mit Menschen, die helfen wollen.

Wir veranstalten Dackelrennen in Rudow und grillen Lämmer im Park. Kannste scheiße finden, ist aber so. Weil hier jeder leben kann, wie er will (aber hey, der Wedding kommt!). Und zum Sterben können wir immer noch nach Spandau gehen. Inschallah.

Fläche: 44,93 Quadratkilometer

Einwohner: 328.062

Durchschnittsalter: 41,2 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 31,0 %
Schlechtestes Fußballteam: SC Union Südost II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 24.301 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Sia: Cheap Thrills; 3. Cheat Codes: Sex

Der Neukölln-Newsletter: jeden Donnerstag von Sabrina Markutzyk. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Lichtenberg: Mehr als nur Platten-Land

Die Trabrennbahn Karlshorst in Lichtenberg.
Die Trabrennbahn Karlshorst in Lichtenberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Es fällt mir schwer, einen Bezirk schönzuschreiben, der so stark von der Platte dominiert wird. Als Gesamtbild ist Lichtenberg einfach hässlich. Daran ändern auch die gigantischen Fassadenbilder nichts, mit denen städtische Wohnungsunternehmen ihre Hochhäuser attraktiver machen wollen. Wohnen in Friedrichsfelde, im 23. Stock? Niemals! Oder am Bahnhof Lichtenberg, der in den vergangenen Jahren immer wieder Ort brutaler Gewalttaten war? Der Weitlingkiez hängt bei Wahlen immer wieder voller NPD-Plakate, die niemand herunterreißt. Ekelhaft! Obwohl man sagt, dass die Nazis weiter nach Osten gezogen sind und langsam Familien aus der Innenstadt nachrücken in die günstigeren Altbauwohnungen jenseits des Nöldnerplatzes.

Aber Lichtenberg ist mehr als das, ist zum Beispiel auch der fast dörfliche Kaskelkiez, versteckt hinter dem Ostkreuz. Anders als im benachbarten Simon-Dach-Kiez Friedrichshains müssen die vielen Kinder hier nicht zwischen Glassplittern und Hundekot spielen. Die Bürgersteige sind kinderwagentauglich, überall stehen Fahrradbügel. Und nachts lässt es sich bei offenem Fenster schlafen.

Wo viele neue Leute hinziehen, ist nie alles gut: Im Kaskelkiez eine Wohnung finden – geht fast nur noch mit Beziehungen. Die Seevillen und Design-Reihenhäuser an der Rummelsburger Bucht – fragwürdig, zumal hier offenbar niemand an die Kinder gedacht hat: An der Viktoria-Grundschule wird bereits in Schichten gegessen.

Doch genug davon, wem hier alles mal zu viel wird, der ist schnell anderswo. Den Simon-Dach-Kiez etwa können die Lichtenberger besuchen, wenn sie selbst feiern wollen. Vielleicht einen Junggesellenabschied? Lasst es krachen, Leute, auf nach Friedrichshain!

Fläche: 52,29 Quadratkilometer

Einwohner: 275.142

Durchschnittsalter: 43,3 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 14,0 %

Schlechtestes F.-Team: SG BW H’schönhausen II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 28.572 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Sia: Cheap Thrills; 3. Calvin Harris: This is What U Came for

Der Lichtenberg-Newsletter: jeden Montag von Henning Onken. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Marzahn-Hellersdorf: Woanders ist auch scheiße

Der Alice-Herz-Platz in Mahlsdorf.
Der Alice-Herz-Platz in Mahlsdorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

Warum gegen Marzahn-Hellersdorf alles andere mickrig ist? Einfach mal ins Café Engel gehen. Vom S-Bahnhof Marzahn über die Promenade zum Freizeitforum. Nix Hipsterschickeria, Vintagemöbel, Wasdarficheuchbringen, oder schlimmer noch: WhatcanIdofouryou? Keine Cheesecake-Flachpappe mit W-Lan-Anschluss! Nein, Schlange stehen. Und dann Buttercremetorte. BUT-TER-CREME-TOR-TE! So hoch wie die Platte rundherum und kalter Schweiß auf der Stirn wie früher nur bei Omas Geburtstag, wenn es Frankfurter Kranz gab.

MaHe ist eben die volle Dröhnung. Wenn Berlin rau ist, ist sein Nordosten rüde bis hinein in die lieblichen Details. In Mitte stehen ein paar Hochhäuser wie vergessener Beelitzer Spargel herum, in Hellersdorf staffeln sich ganze Häuserzüge zu spektakulären Gebirgsformationen. Während andere Ecken der Stadt beschaulich wirken, wächst die Beschaulichkeit hier erst zu ihrer wahren Größe heran. Tief im Westen, irgendwo bei Spandau, mag es schnuckelige Kleinstadthütten geben. Das größte zusammenhängende Gebiet an Ein- und Zweifamilienhäusern in ganz Deutschland aber erstreckt sich über Mahlsdorf, Kaulsdorf und Biesdorf. Prenzlauer Berg hat ein paar Quadratmeter Touristensteppe und nennt sie Mauerpark. Marzahn hat die Gärten der Welt am Fuße des Kienbergs und bald auch die IGA und vor der Tür sowieso die grünen Weiten Brandenburgs.

Okay, es gibt auch Ärger, Deppen, dünne Wände. Aber hier jammert man nicht selbstverliebt in Szenemagazinen darüber. Wie schon Frank Goosen übers Ruhrgebiet sagte: Woanders ist auch scheiße.

Fläche: 61,8 Quadratkilometer

Einwohner: 259.373

Durchschnittsalter: 43,1 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 10,8 %
Schlechtestes Fußballteam: FV RW Hellersdorf II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 13.510 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Alan Walker: Faded; 3. Calvin Harris: This is What U Came for

Der Marzahn-Hellersdorf-Newsletter: jeden Dienstag von Ingo Salmen. Hier geht's zum kostenfreien Abo.

Treptow-Köpenick: Lonely Planet? Nein, danke!

Der ehemalige "Spreepark" im Plänterwald.
Der ehemalige "Spreepark" im Plänterwald.

© Doris Spiekermann-Klaas

Alle Vorurteile über Treptow-Köpenick auf einem Haufen hätten wahrscheinlich die Höhe der Müggelberge. Wie hoch sind die Müggelberge? Weeß keen Wessi-Berliner, weil für den Charlottenburger Salon-68er hinter Neukölln ja das sozialistische Ausland beginnt, das nach der Wende von der NPD annektiert wurde. Deswegen krallen sie sich panisch am Flughafen Tegel und ihrem Zoologischen Garten fest, damit sie nicht in die Zone müssen, zum Tierpark nach Friedrichsfelde (Lichtenberg) und, irgendwann, zum BER nach Schönefeld (Brandenburg).

Das gewaltigste Vorurteil lautet: Is’ doch keene Kultur da unten. Nur so Kasperltheater wie der Hauptmann von Köpenick. Die Philharmoniker, zugegeben, haben noch keine Müggelheimer Seefestspiele bestritten, obwohl das eine gute Idee wäre. Aber schon mal was von „Industriekultur“ gehört? Von den Backsteinmonumenten des ehemaligen Elektroweltreichs von AEG-Tycoon Emil Rathenau? Wo die stehen, in Oberschöneweide, wimmelt es inzwischen von Nachnutzern aus Kunst, Wissenschaft und Technik. Apropos Technik und Kultur: Im weltberühmten Windkanal von Adlershof läuft gerade die Oper „Dymaxion“, ein „apokalyptischer Sirenengesang“ – aber das nur nebenbei. Will hier ja niemanden bekehren. Oder gar Werbung machen. Das passt nämlich nicht zur Mentalität der Trep-Köppe. Wir grillen nicht in öffentlichen Parks, sondern gepflegt im eigenen Garten. Und Touristen zeigen wir nur das Nötigste, so Schloss, Rathaus und vielleicht noch Friedrichshagen. Ansonsten bleiben wir lieber unter uns. Sollen doch die Kreuzberger lesen, wie der Lonely Planet über sie schwärmt. Brauchen wir nicht, vielen Dank.

Fläche: 168,42 Quadratkilometer

Einwohner: 253.333

Durchschnittsalter: 45,5 Jahre

Nichtschwimmeranteil bei Drittklässlern: 11,3 %

Schlechteste Fußballer: Kickers Hirschgarten II

Länge des Wikipedia-Eintrags: 9.314 Zeichen

Top 3 bei Spotify: 1. Drake: One Dance; 2. Chainsmokers: Don’t Let Me Down; 3. Milow: Howling ...

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