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Arzt, Dichter, Liebhaber. Gottfried Benn in seinem Büro im August 1953, drei Jahre vor seinem Tod.

© imago stock & people

"Mein liebes Gerdachen": Gottfried Benns letzte Geliebte

Eine späte Liebe verband Gottfried Benn mit einer Tagesspiegel-Redakteurin. Jetzt wurden die Briefe des Dichters an Gerda Pfau erstmals publiziert.

Sie wohnte in der Reichsstraße im Berliner Westend, er in der Bozener Straße in Schöneberg. Er schrieb ihr Briefe, schickte Telegramme, kündigte seine Besuche an - sie antwortete ihm nie schriftlich und empfing ihn in ihrer Wohnung, zur „blauen Stunde“. Gerda Pfau war Journalistin und schrieb für den Kulturteil des Tagesspiegels.

Gottfried Benn praktizierte noch ein wenig als Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, vor allem schrieb er und ließ sich nach Jahren der öffentlichen Ächtung als einer der ganz großen Dichter in Deutschland feiern.

Gerda Pfau war nach allem, was aus Gottfried Benns Briefen zu ersehen ist, seine letzte Geliebte und blieb es bis kurz vor dem Tod des deutschen Dichters im Juni 1956. Davon ist Uwe Lehmann-Brauns überzeugt, der die Briefe Benns an Gerda Pfau jetzt erstmals veröffentlicht.

Lehmann-Brauns hat Gerda Pfau als CDU-Kulturpolitiker kennengelernt. 1986 nahm er an einer Feier des Senats zu Benns 30. Todestag teil. Vertreter des Senats verhandelten damals mit Benns Witwe Ilse, mit der er in der Bozener Straße seine späten Jahre verbracht hatte, und der gemeinsamen Tochter Nele über den Nachlass des Dichters.

Von Gerda Pfau hörte Lehmann-Brauns bei dieser Gelegenheit, sie besitze Briefe und Bücher, die Benn ihr geschenkt habe. Und sie vertraute Lehmann-Brauns diese Briefe und Notizen an.

Es war eine diskrete Beziehung. „Meine Versuche, über ihr Gefühls- und Seelenleben in Bezug auf Benn mehr zu erfahren, hatte nur zum Teil Erfolg“, schreibt Uwe Lehmann-Brauns, selbst ein Verehrer des Benn'schen Werks. „Was ich erfuhr, ist in den Text eingeflossen.“

Über Jahrzehnte blieb die Frau ihrer Verschwiegenheit treu

Gerda Pfau, eine selbstbewusste, moderne Frau im West-Berlin der Nachkriegszeit, sei auch drei Jahrzehnte nach Benns Tod „ihrer Verschwiegenheit“ treu geblieben, schreibt Lehmann-Brauns - „noblesse obliege“. Das schlanke Buch mit vielen faksimilierten Schreiben Gottfried Benns braucht also keinen parental advice wegen drastischer Ausdrucksweisen. Benn war, nach allem, was bekannt ist, auch in seinen letzten Lebensjahren ein Mann, der die Frauen liebte - im Sinne von „begehrte“. Er war, trotz Rheuma, Übergewicht und einer Körpergröße von bloß 1,68, ein Jäger - und offenbar ein erfolgreicher. Lehmann-Brauns zitiert, was Benn 1949 an seinen Verleger schrieb: „Die Ehe ist doch eine Institution zur Lähmung des Geschlechtstriebs ...“ Sieht man von seiner Gattin Ilse Benn ab, managte der Doktor bis zu drei mehr oder minder innige Beziehungen parallel. Über Jahre war er mit der Autorin Ursula Ziebarth liiert.

Zum Glück war sie Biertrinkerin

Über Gerda Pfau notierte er kurz nach ihrem Kennenlernen, sie sei eine Biertrinkerin - er konnte sie also mitnehmen in sein Stammlokal Dramburg (heute: Robbengatter). Die Redakteurin schrieb damals über Filme, in späteren Jahren war sie für Erziehungs- und Kirchenfragen zuständig.

Uwe Lehmann-Brauns (Hg.): Benns letzte Lieben (Mit Originalbriefen von Gottfried Benn). Verbrecher Verlag, Berlin. 112 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 24 Euro.
Uwe Lehmann-Brauns (Hg.): Benns letzte Lieben (Mit Originalbriefen von Gottfried Benn). Verbrecher Verlag, Berlin. 112 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 24 Euro.

© promo

Aus Benns förmlichen Anreden wurde bald „mein liebes Gerdachen“ - bis zu einem Treffen, bei dem ihm Gerda Pfau wohl so etwas wie ein Bekenntnis zu ihr abverlangte. Das war's. „Sie zeigten am 2. V. zu sehr, dass Sie unzufrieden waren und Sie hatten ganz Recht darin, aber es ging u. geht nicht anders ... Wir werden immer gute Freunde bleiben bei Bier u. Rumsteak und Pfefferlingen (sic!) und auch sonst, liebes Gerdachen! Alles Liebe! Ihr G.B.“ Benn hielt seiner Gattin die Treue, oder besser: Er hielt ihr so die Treue, wie er es wollte und vermochte.

Was Frauen und Männer anbelangt, ist dies ein Buch aus einer anderen Zeit, gerade mit seinen Diskretionen und Vorsichtigkeiten. „Liebes Fräulein Gerda Pfau, ohne Ihre morgendliche Aufstehstunde stören zu wollen, erlaube ich mir doch, hiermit an Sie zu denken“, schreibt der Doktor in der Frühphase der Beziehung und endet charmant „mit einem Handkuss“.

Uwe Lehmann-Brauns hat diese späte Benn-Geschichte mit einem schönen, gar nicht altmännerhaften Text über den Dichter und seine Frauen ergänzt, offen und diskret zugleich: „Als Womanizer war ihm die Liebe nicht allzu wichtig.“ Seine Gedichte bedeuteten ihm alles.

—Uwe Lehmann-Brauns (Hg.): Benns letzte Lieben (Mit Originalbriefen von Gottfried Benn). Verbrecher Verlag, Berlin. 112 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 24 Euro. Das Buch erscheint am 15. April.

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